# taz.de -- Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn: Weselskys letzter Kampf
> Um Streiks abzuwenden, schlägt der Bahnvorstand der Lokführergewerkschaft
> GDL ein Vermittlungsverfahren vor. Der GDL-Chef reagiert skeptisch.
IMG Bild: Seinen letzten Bahn-Arbeitskampf führte GDL-Chef Claus Weselsky 2021. Jetzt folgt sein allerletzter
Berlin taz | Sein wohl letzter großer Arbeitskampf könnte ein ziemlich
harter werden. Seit 2008 steht der streikerprobte Claus Weselsky der
Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) vor. Jetzt könnte es noch
einmal richtig zur Sache gehen. Bei der Deutschen Bahn schrillen jedenfalls
bereits die Alarmglocken. Sie wirft der Gewerkschaft „überzogene
Forderungen, gepaart mit einer unverhohlenen Streikankündigung“ vor.
Möglicherweise könnte es sogar in der Weihnachtszeit zum Ausstand kommen.
Noch bis zum 31. Oktober gilt die Friedenspflicht zwischen der Deutschen
Bahn und der GDL. Für den 9. November ist die erste Verhandlungsrunde für
den neuen Tarifvertrag angesetzt. Wie schon in früheren Zeiten scheinen die
Fronten im Vorfeld mal wieder verhärtet zu sein.
Die Lokführergewerkschaft hat einen umfangreichen Forderungskatalog
aufgestellt, in dessen Zentrum 555 Euro mehr pro Monat, eine steuerfreie
Inflationsausgleichsprämie von 3.000 Euro sowie die Absenkung der
Arbeitszeit von 38 auf 35 Stunden pro Woche bei vollem Lohnausgleich für
Schichtarbeiter:innen stehen. Er gehe „davon aus, dass die Tarifrunde
2023 etwas anstrengender wird“, sagte Weselsky [1][unlängst in einem
Interview].
Das dürfte untertrieben sein. Die Deutsche Bahn jedenfalls wies am Freitag
die Forderungen der GDL brüsk als „unerfüllbar“ zurück. „Wenn wir die
Forderungen der GDL erfüllen würden, würden unsere Personalkosten um über
50 Prozent steigern“, sagte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler in Berlin.
„Das ist durch nichts, aber auch durch gar nichts zu rechtfertigen.“
## GDL-Chef Weselky setzt auf rasche Urabstimmung
Insbesondere die Forderung nach einer Absenkung der Arbeitszeit für
Schichtarbeiter:innen sei „nicht realisierbar“, sagte Seiler. „Das
würde bedeuten, wenn wir das vollumfänglich umsetzen würden, müssten wir im
Schichtdienst rund 10.000 Mitarbeiter zusätzlich einstellen“, rechnete er
vor. Angesichts des angespannten Arbeitsmarkts sei das nicht vorstellbar.
Für GDL-Chef Weselsky ist die geforderte Arbeitszeitverkürzung jedoch von
„entscheidender Bedeutung und daher das Schwergewicht in dieser
Tarifrunde“. Das lässt eine Verständigung derzeit nur schwer möglich
erscheinen. So hat der 64-Jährige ausgebildete Lokführer, der auf dem
nächsten GDL-Gewerkschaftstag im September 2024 nicht mehr antreten wird,
bereits angekündigt, auf eine rasche Urabstimmung zu setzen, um
unbefristete Streiks durchführen zu können.
Um eine solche Eskalation abzuwenden, hat Bahnvorstand Seiler der GDL nun
am Freitag den Vorschlag gemacht, „von Beginn an unter Vermittlung von
Konfliktberatern im Stile einer Art Schlichtung moderiert ins Gespräch zu
gehen“. In Form einer Sondierung sollten unverzüglich Möglichkeiten und
Kompromisse ausgelotet werden, und zwar „in einem geschützten Raum, also
letztlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit“.
## „Wir wollen raus aus der Konfliktspirale“
Für die Zeit dieser Gespräche „im Stile einer Art Schlichtung“ solle es
eine Friedenspflicht geben, also die Zusage der GDL, in dieser Phase nicht
zu streiken. Als eine Art Köder ist wohl zu sehen, dass Seiler noch vor
Beginn der Verhandlungen einen „Vorschuss“ in Form einer steuer- und
abgabenfreien Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 1.500 Euro „zu
Weihnachten also im Dezember“ in Aussicht stellte.
„Wir wollen raus aus der Konfliktspirale, wir wollen hinein in einen
Lösungsmodus“, sagte Seiler. Die GDL bat er um eine Antwort auf den ihr
auch bereits schriflich zugesandten Vorschlag bis Ende kommender Woche.
Weselsky reagierte skeptisch auf den Vorschlag. „Wenn ein Schlichter von
vornherein reingezogen wird, nimmt sich der Verhandlungsführer selbst aus
dem Rennen“, sagte er der Südwest Presse.
Gegenüber Reuters TV warf Weselsky dem Bahnkonzern vor, nicht bereits in
den vergangenen Wochen verhandlungsbereit gewesen zu sein. „Wer sich
weigert, Monate davor in der Friedenspflicht Verhandlungen zu beginnen, der
legt doch schon den Grundstein dafür, dass es zu einem Konflikt kommt“,
kritisierte er. „Jetzt versucht Herr Seiler die Flucht nach vorne und will
Verhandlungen in der Dunkelkammer stattfinden lassen.“
Nach einem mehrmonatigen Arbeitskampf hatte sich die Deutsche Bahn Ende
Juli mit der Eisenbahngewerkschaft EVG [2][auf einen neuen Tarifvertrag
geeinigt]. In einem [3][Schlichtungsverfahren und unter Vermittlung von der
Arbeitsrechtlerin Heide Pfarr und des Ex-Innenministers Thomas de
Maizière] verständigte sich die größere Konkurrenzgewerkschaft mit dem
Konzern unter anderem auf eine zweistufige Lohnerhöhung von monatlich 200
Euro ab Dezember und weiteren 210 Euro ab August 2024. Hinzu kommt eine in
diesen Tagen ausgezahlte einmalige steuer- und abgabenfreie
Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 2.850 Euro. Eine
Arbeitszeitverkürzung hatte die EVG nicht gefordert und ist dementsprechend
nicht Teil ihrer Tartifvereinbarung mit dem Bahnvorstand.
27 Oct 2023
## LINKS
DIR [1] ttps://www.24rhein.de/welt/politik/gdl-chef-claus-weselsky-tarifrunde-2023-deutsche-bahn-streiks-bahnverkehr-unpuenktlich-zr-92574721.html
DIR [2] /Dauerbaustelle-Deutsche-Bahn/!5946632
DIR [3] /Schlichterspruch-bei-der-Deutschen-Bahn/!5946597
## AUTOREN
DIR Pascal Beucker
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