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       # taz.de -- Berlin-Döner im Test: Gütesiegel für Spießbürger
       
       > In Berlin wurde der Döner erfunden. In Deutschland schmücken sich deshalb
       > viele Döner-Imbisse mit der Hauptstadt im Namen. Wir haben fünf getestet.
       
   IMG Bild: Erinnert an eine Muschel: Lecker Döner mit alles
       
       ## „Komplett“ heißt hier komplett
       
       Straßenbahnen rattern zwischen der Innenstadt und dem Zoo von Halle durch
       die schmale Geiststraße, rote Lettern prangen am senfgelben Haus: BERLIN
       DÖNER. Als sei das nicht Versprechen genug, klebt ein Logo an der Scheibe.
       Vorm Brandenburger Tor steht da BERLIN geschrieben, aus dessen I wächst der
       Fernsehturm, um den dreht sich ein Fleischspieß – und um die Kuppel halten
       zwölf Sterne die europäische Idee hoch. Am Fuß des Turms wiederum der
       Buchstabe Ö, mit Bärengesicht. Dieses Ö steckt im Wort DÖNER.
       
       Drinnen ein freundliches Nicken vom Angestellten, ein Mann mit
       Carhartt-Kappe bekommt gerade fünf Döner zum Mitnehmen. Dann die
       Bestellung. „Bitte?“ – „Ein Hähnchendöner, bitte!“ – „Komplett?“ – „Ja,
       komplett.“ Bald wird sich zeigen, wie komplett „komplett“ hier ist.
       
       Eine lokale Note setzt die Pizza „HFC Halle“ (Dönerfleisch, Mais, Zwiebeln,
       BBQ-Sauce). Was Getränke angeht, nimmt es der Imbiss sogar mit Berliner
       Spätis auf: 34 Biersorten gibt es inklusive Berliner Kindl, die drei
       Kühlschränke schnurren lauter als die Musik, sodass die Handy-App keinen
       der arabischen Popsongs erkennt. Die Decke ist hoch, eine Treppe führt auf
       eine Empore mit zwei Spielautomaten. Zwei Schuljungs am Smartphone, eine
       ältere Dame im Rollstuhl. Ein Mann betritt den Laden, er könnte Zwilling
       des Comedians Elton sein, und greift sich ohne Zögern eine 1,25
       Liter-Flasche Vanilla Coke aus dem Kühli. Die Stimmung: diskret und überaus
       freundlich.
       
       Der Döner wird mit Gabel serviert, und das ist nötig. „Komplett“ bedeutet
       sämtliche Soßen – Knoblauch, Kräuter, Scharf –, die wie ein Gitter das
       Fleisch durchziehen.
       
       Döner Fantasialand. Das Fleisch schmeckt nach Holzkohlegrill. Alles
       zusammen toll, aber auch zu viel für die Geschmacksknospen. Im Kanten des
       Fladenbrots nur noch Kraut, und Eltons Zwilling isst Schinkennudeln. Fabian
       Stark
       
       (1) Berlin Döner, Geiststraße 29, Halle (Saale)
       
       ## Mit Knoblauchsauce und Erdbeeren
       
       Der Berlin Döner in [1][Oldenburg] heißt so, weil der Chef aus Berlin
       kommt, sagt einer von denen, die hinter der Theke stehen, zwischen akkurat
       aufgeschichteten Haufen Salat und Kraut und sich drehenden Dönerspießen,
       Kalb und Huhn. Die Liebe zur Welthauptstadt des Drehspießgerichts mit
       Zwiebel und alles – auch die Sehnsucht –, hier hat sie Ausdruck und Form
       gefunden; in Gestalt eines Flachbaus mit Terrasse, eingefasst von
       bepflanzten Steinen, in denen im Sommer Erdbeeren wachsen.
       
       Der Schriftzug – weiße, kringelige Buchstaben auf rotem Grund – wirkt
       authentisch, und rein optisch könnte dieses Schnellrestaurant tatsächlich
       in Berlin stehen, was aber auch daran liegt, dass die Cloppenburger Straße
       in Oldenburg mit ihrem Häusermix ungefähr so aussieht wie eine
       durchschnittliche Straße in Berlin, jenseits der Bubble Prenzlauer
       Berg-Mitte-Kreuzberg-Schöneberg. Und die Leute, die dort essen, sehen im
       Moment unseres Besuchs auch so aus, als wären sie direkt aus, sagen wir
       mal, Berlin-Reinickendorf angereist bzw. irgendwo dort am helllichten Tage
       eben mal zum Dönermann rüber geschlurft, weil hungrig. Berlin Döner gibt’s
       überall, aber Berlin offenbar auch.
       
       Die Gerichte überzeugen durch ordentliche Portionen, knuspriges Brot, auf
       den Punkt gebratenes Fleisch, frische Beilagen und den Soßen, die es immer
       gibt und die überall gleich schmecken: Cocktail, Knoblauch, Kräuter. Die
       vegetarische Variante hätte ein Falafelbällchen mehr haben können, aber
       ansonsten: alles in Ordnung, gerne wieder, zumal es als Nachtisch ein paar
       Erdbeeren gab. Frisch geerntet aus der kleinen Terrassenplantage. Felix
       Zimmermann
       
       (2) Berlin Döner, Cloppenburger Str. 307, Oldenburg (Oldb)
       
       ## Geöffnet wie eine Muschel
       
       Berlin Döner. In [2][Eckernförde]. Meinem Lieblingsstädtchen, dass das
       schon mal klar ist. Die Preise können sich auf jeden Fall mit Berlin
       messen. Der Service auch.
       
       Ach, das klingt so gemein, es ist nur so, ich war pikiert und sage auch,
       warum. Mir wurde zu den Pommes weder Ketchup noch Mayo angeboten. Auf
       Nachfrage habe ich mir dann beides bestellt. Was mich diese Dekadenz kosten
       sollte? 1 Euro für zwei Kleckse, naja, die taz zahlt. Die Pommes selbst
       waren perfekt, kross, nicht zu dünn und nicht zu dick, kein Nachsalzen
       nötig.
       
       Beim Döner (7 Euro – in einer Kleinstadt! Laut Twitter kostet ein Döner
       doch so viel wie ein Hamster und zwar 5 Euro?!?) durfte ich es dann krachen
       lassen und zwei verschiedene Saucen wählen. Meine Wahl fiel auf Zaziki und
       Cocktailsauce. Der Döner war hervorragend, er war saftig, machte mehr als
       satt und hübsch anzusehen war er auch noch; geöffnet wie eine Muschel lag
       er vor mir, drapiert auf einem weißen Teller.
       
       Während des Essens dachte ich die ganze Zeit: Gleich betritt Brandon, der
       Prom-King, den Berlin Döner. Er hätte einfach ideal zur Einrichtung
       gepasst: schwarz-weiß-gepolsterte Diner-Sitzbänke, hintereinander
       aufgereiht (wie in jedem zweiten amerikanischen High-School Film), auf ihre
       Lehnen gedruckt „Berlin Döner“ (das ist im Film anders).
       
       Mir schräg gegenüber, auf der Vliestapete mit Backsteinmuster, hing ein auf
       Leinwand gedrucktes längliches Bild mit Berlinpanorama. Hausdächer, die
       Spree und der Fernsehturm im beginnenden Abendlicht. Mehr Berlin konnte ich
       nicht finden, bin ich aber auch selbst schuld.
       
       Hätte ich mal die Berlin Pfanne (mit Käse überbackenes Dönerfleisch mit
       Sauce Hollandaise) bestellt! Beim nächsten Mal. Und dann vielleicht mit
       Brandon? Sarah Lorenz
       
       (3) Berlin Döner, Gaehtjestraße 19, Eckernförde
       
       ## So entspannt wie in einem Wiener Café
       
       Der [3][Münchner] Gastronomiebetrieb „Gülers Berliner Döner“ ist kein
       Imbiss. Er nennt sich „Döner Café“. Der sehr große, dank seiner
       Rundumverglasung lichtdurchflutete Sitzbereich sieht mehr nach
       Frühstücksladen als nach Dönerbude aus: hübsche Marmortische in Sitz- und
       Bistrotischformat, hübsche Blumen auf ihnen drauf und hübsche Stühle an
       ihnen dran. Der charismatische Berliner Döner-Geruch? Fehlanzeige. Man
       meint fast, Rosenwasser zu riechen, so rein ist die Luft hier.
       
       Das Berlinische an Gülers Döner sind nach Auskunft eines Mitarbeiters die
       Soßen: „Die hat in München sonst keiner.“ Tatsächlich gibt es neben zwei
       Grundsoßen „Berliner mit Knoblauch“ oder „Joghurt mit Knoblauch“ etwa
       zwanzig zusätzliche: neben „Cheese“ oder „Hamburger“ auch „Alles spezial“,
       „Avocado“ und „Kreuzberger“.
       
       Auf die mit Ja beantwortete Frage „Salat mit alles?“ folgt ein Suppenlöffel
       klein geschnittener Eisbergsalat, je ein Teelöffel Rot- und Weißkraut,
       Zwiebeln, Karotten, eine Scheibe Tomate und eine Scheibe Gurke. Auf dieses
       Bouquet kommt eine ziemlich anschauliche Menge Fleisch, das mit einem
       elektrischen Schneidegerät von einem Spieß geschnitten wird und bei dem man
       zwischen Kalb und Huhn wählen kann. Der Döner wird im Brot, in der Box oder
       auf dem Teller serviert. Die Kund*innen kommen aus der Nachbarschaft des
       von internationalen Arbeiter*innen geprägten Stadtteils Berg am Laim
       und bestellen meist „zum Hieressen“.
       
       Die Atmosphäre beim Dönerverzehr ist einzigartig: als säße man in einem
       Wiener Café, so sympathisch entspannt und charmant geht es hier zu. Das
       Berlinische an den Soßen ist eine große Menge Curry- oder Paprikapulver.
       Und wirklich: der Döner mit „Berliner“ oder „Kreuzberger“ schmeckt genau
       nach dem Döner, wie er etwa zwischen 1990 und 2015 in Westberlin angeboten
       wurde.
       
       Mit Avocado und Joghurtsoße hingegen kann Gülers Döner sogar mit den
       Edelimbissen vom Ku'Damm mithalten. Doris Akrap
       
       (4) Gülers Berliner Döner, Berg-am-Laim-Straße 89, München
       
       ## Aus sauer wird scharf. Sehr scharf
       
       Immer, wenn ich in Berlin war, habe ich mir erstmal einen Bauch
       angefressen. Denn für jemanden, der aus dem Rheinland kommt, bietet die
       Hauptstadt eine ganz neue Döner-Erfahrung: So wird das Brot hier
       grundsätzlich getoastet und ist nicht so ein teigiger Hefeklumpen, der
       sämtliche Flüssigkeiten aufsaugt wie ein Schwamm. Deswegen wiederum kann
       die Soße in Berlin direkt ins Brot geschmiert werden. Anderswo wird sie
       einfach auf die Zutaten draufgeklatscht, auf dass der Döner trieft und
       tropft, die Hälfte danebengeht und die andere Hälfte einem beim Reinbeißen
       die Schnute versaut. So habe ich in Berlin auch gerne zwei Döner
       hintereinander gegessen. Und jetzt also der Berlin Döner [4][Koblenz].
       Fußgängerzone, ein Geschäft direkt zur Straße hin, vier Tische, starke
       Fluktuation. Drei Menschen arbeiten in der winzigen Dönerküche, der Chef im
       weißen Hemd mit roter Krawatte.
       
       „Döner mit alles?“ Ja, bitte, sage ich, „und wenn ihr habt, gerne auch mit
       Sauer“. Das ist der hier gebräuchliche Begriff für das Gewürz Sumach. „Mach
       ich dir.“ Ein Vater mit zwei kleinen Kindern läuft vorbei, er wechselt ein
       paar Worte auf Arabisch mit dem Wirt, dann laufen die Kinder in die Küche,
       kommen mit den Händen voller Lutscher wieder raus. Der Vater meckert.
       „Nicht zu viel, nicht zu viel!“ Die Tochter streckt ihm einen Lutscher hin
       und sie spazieren weiter durch die Fußgängerzone. Eine Straßenmusikerin
       spielt das Ave Maria von Bach/Gounod.
       
       „Döner fertig.“ Ich hole ihn von der Theke. Ich beiße rein. Aus sauer wurde
       scharf. Sehr scharf. Aber was soll ich sagen? Das Brot ist kross, die Soße
       innen. Ich fühle mich nach Berlin zurückversetzt. „Bitte noch eine
       Falafeltasche.“ Clemens Sarholz
       
       (5) Berlin Döner, Löhrstraße 60, Koblenz
       
       11 Nov 2023
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Doris Akrap
   DIR Fabian Stark
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