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       # taz.de -- Demonstrationen in Spanien: Aufstand von rechts
       
       > Am Sonntag haben 450.000 Menschen gegen das Amnestiegesetz protestiert.
       > Sie werfen Ministerpräsident Sánchez vor, „Spanien zu zerstören“.
       
   IMG Bild: Organisiert von der rechten Volkspartei: Protest gegen die geplante Amnestie in Spanien
       
       Madrid taz | „Verräter“, „Diktator“, „Verbrecher“ sind noch die
       harmlosesten Rufe der Demonstranten, die seit mehr als einer Woche gegen
       das Amnestiegesetz für katalanische Unabhängigkeitspolitiker und
       -aktivisten auf die Straße gehen.
       
       Am Sonntag bildeten Kundgebungen in den 52 Provinzhauptstädten Spaniens den
       vorläufigen Höhepunkt der Bewegung. Die konservative Partido Popular (PP)
       hatte zu den Protesten aufgerufen. Gekommen waren Hunderttausende, darunter
       auch die Anhänger der rechtsextremen VOX, Koalitionspartner der PP in weit
       über 100 Städten und Gemeinden sowie in fünf autonomen Regionen.
       
       „Spanien [1][wird einen Regierungschef haben], der seine Investitur mit der
       Straflosigkeit seiner Partner erkauft hat“, rief PP-Parteichef Alberto
       Nuñez Feijóo auf der Kundgebung in Madrid. „Spanien steht nicht zum
       Verkauf“, antwortete die MProteste werden weitergehenenge. Die PP hatte zu
       dem öffentlichen Platz Puerta del Sol gerufen, insgesamt 80.000 Teilnehmer
       zählten die Behörden. Von einer Million Protestierenden sprach die PP.
       Später korrigierte sie ihre Angaben und sprach von 500.000 Teilnehmern. In
       ganz Spanien waren es laut Polizeiangaben 450.000 Menschen.
       
       Die Demonstranten, die teilweise Fahnen aus der Zeit der 1975 zu Ende
       gegangenen Diktatur unter General Francisco Franco mit sich führten, werfen
       Sánchez vor, „Spanien zu zerstören“, die „Spanier zu erniedrigen“, das Land
       „für sieben Abgeordnetenstimmen an die Feinde Spaniens zu verkaufen“.
       
       PP-Chef Feijóo formulierte apokalyptische Zukunftsszenarien. Sánchez
       zerstöre „die Einheit des Vaterlandes“. Die Amnestie öffne die Tür zu einem
       Referendum für mehr katalanische Selbstbestimmung. „Heute seid ihr hier,
       weil ihr Prinzipien habt und weil ihr nicht gewillt seid, dass sie sie euch
       nehmen“, rief der PP-Chef und forderte den Rücktritt des „skrupellosen“
       Sánchez und sofortige Neuwahlen. Die Menge geht noch einen Schritt weiter
       und wünscht sich Sánchez sowie den verhassten, in Brüssel lebenden
       Katalanen Carles Puigdemont hinter Gittern.
       
       Proteste werden weitergehen 
       
       „Wir werden Schlag mit Schlag vergelten“, drohte die PP-Regierungschefin
       der Hauptstadtregion Madrid, Isabel Díaz Ayuso, unter Applaus. Wie auch
       Feijóo kündigte sie einen lang anhaltenden Widerstand gegen die künftige
       Regierung an. Schon am kommenden Samstag mobilisieren Vereinigungen aus dem
       Umfeld der PP und VOX in ganz Spanien nach Madrid – zwei Tage vor dem 20.
       November, dem Todestag von Diktator Franco, dessen ein Teil der Rechten bis
       heute Jahr für Jahr gedenkt.
       
       Bis dahin werden wohl die allabendlichen Proteste vor der Zentrale von
       Sánchez’ PSOE in Madrid weitergehen. Dort mischen sich Vermummte
       Neo-Franquisten unter die Demonstranten. Immer wieder kommt es zu
       Ausschreitungen. Die Menge fordert dabei lautstark eine „Nationale
       Erhebung“, so wie einst 1936, als der spätere Diktator Franco gegen die
       demokratische Republik putschte und Spanien in einen mehrjährigen
       Bürgerkrieg führte.
       
       PP und VOX [2][machen alles mobil], was sie nur mobil machen können.
       Konservative Richterverbände, Anwaltskammern, regionale Ärztevereinigungen,
       Steuerprüfer und Beamtenverbände reihen sich in den Chor der Amnestiegegner
       ein. Die konservative Mehrheit im Obersten Gerichtsrat, der dank einer
       Blockade der PP im Parlament seit fünf Jahren nicht wie in der Verfassung
       vorgeschrieben erneuert wurde, spricht von einem „Angriff auf den
       Rechtsstaat“ und bittet die EU um Hilfe.
       
       Natürlich dürfen auch die rechten Berufsverbände der Polizei und der
       paramilitärischen Guardia Civil nicht fehlen. Die „Vereinigung pro Guardia
       Civil“, die vor allem in der mittleren Führungsebene der Truppe Einfluss
       hat, veröffentlichte ein Kommuniqué: „Wir sind bereit unser Blut bis zum
       letzten Tropfen für die Souveränitat Spaniens und verfassungsmässige
       Ordnung zu vergießen“, heißt es darin. Das Innenministerium überwacht die
       Vereinigung seither.
       
       Hinweis: In der ersten Version des Textes wurde die Guardia Civil als
       Vereinigung bezeichnet. Wir haben das korrigiert.
       
       13 Nov 2023
       
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   DIR Reiner Wandler
       
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