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       # taz.de -- Sozialministerium in Niedersachsen: Gleichstellung wird klein gemacht
       
       > Das Sozialministerium legt die Abteilung Frauen und Gleichstellung mit
       > einer anderen zusammen. Um das Thema zu stärken, behauptet das
       > Ministerium.
       
   IMG Bild: Auch in der Wirtschaft ist Gleichstellung wichtig: Viele Frauen arbeiten in schlecht bezahlten Jobs
       
       Bremen taz | Es ist eine bloße arbeitsorganisatorische Maßnahme, doch die
       [1][Gleichstellungsbeauftragten in Niedersachsen] warnen: Wenn die
       Abteilung für Frauen und Gleichstellung im Sozialministerium mit der für
       Jugend und Familie zusammengelegt wird, werde die Gleichstellungsarbeit
       langfristig leiden. „Abteilungen zusammenzulegen, die jeweils zu wenig
       Personal haben, führt nach unserer Erfahrung aus der Praxis dazu, dass die
       dringlichen Pflichtaufgaben vor allem im Jugendbereich langfristig die
       Gleichstellungsarbeit in den Hintergrund drängen werden.“
       
       Diese Sorge hält die Behörde von Sozial-, Arbeits-, Gesundheits- und
       Gleichstellungsminister Andreas Philippi (SPD) für unbegründet: „Es wird im
       Ergebnis zu einer Stärkung der Gleichstellung kommen“, schreibt Sprecher
       Sebastian Schumacher. Gleichstellung sei eine Pflichtaufgabe mit
       Verfassungsrang, dennoch gebe es großen Nachholbedarf.
       
       Deswegen wolle man „bestmögliche Arbeitsfähigkeit und maximale inhaltliche
       Schlagkraft“ sicherstellen. Dafür sollen die derzeit in vier Referate
       aufgeteilten 24 Mitarbeitenden der Abteilung in einer neuen aufgehen. Die
       neue Abteilung werde rund 70 Personen umfassen, rund 30 davon zuständig für
       die Themen Frauen und Gleichstellung.
       
       Der Grund für die Pläne: „Im aktuellen Zustand sind die
       Organisationseinheiten mitunter recht klein, was bei offenen Stellen, in
       Krankheitsfällen, bei Schwangerschaft oder Mutterschutz zu Problemen in der
       Weiterbearbeitung von Themen führt.“
       
       ## Auch der Verwaltung fehlt Personal
       
       Der [2][Fachkräftemangel macht auch vor der Verwaltung nicht halt]: Im
       April, schreibt Schumacher, seien von den 366 Stellen im Ministerium mehr
       als 60 vakant gewesen.
       
       Die [3][Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Gleichstellung], in der rund 290
       haupt-, neben- und ehrenamtliche Gleichstellungsbeauftragte aus allen
       Kommunen in Niedersachsen zusammenarbeiten, hat vor wenigen Wochen von den
       Plänen erfahren. So erzählt es Marion Lenz, LAG-Vorstandsmitglied und
       Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Braunschweig. „Von der rot-grünen
       Regierung überrascht uns das.“
       
       Die Gründe dafür halte sie zwar für „organisatorisch nachvollziehbar“. Aber
       wenn die Abteilung zu klein ist, so Lenz weiter, warum vergrößere man sie
       dann nicht, statt sie mit einer anderen zusammenzulegen? „Für uns ist das
       eine falsche Lösung für ein Problem, das richtig erkannt wurde.“
       
       Für die LAG ist die Abteilung im Sozialministerium ohnehin falsch
       angesiedelt, sagt Lenz. Gleichstellung sei eine Querschnittsaufgabe. Sie
       nennt Beispiele: Beim Bauen geht es um sichere Innenstädte, in der Kultur
       um Sichtbarkeit – in Führungspositionen sowie auf Podien. „Wer ist in
       Führung, wer ist sichtbar, wer verdient das Geld?“ Das alles könnte man in
       allen politischen Ressorts fragen. Deswegen sei es wichtig, die Abteilung
       in der Staatskanzlei anzusiedeln und nicht im Sozialministerium.
       
       ## Neues Gleichstellungsgesetz soll kommen
       
       Auch Umweltthemen sollten unter dem Aspekt der Gleichstellung angeschaut
       werden, findet Lenz: „In der Verursachung und in den Auswirkungen sind
       Männer und Frauen unterschiedlich.“ Männer würden im Schnitt größere Autos
       fahren, zudem verursachten reiche Menschen mehr Umweltschäden – und es
       seien nun einmal mehr Männer reich und mehr Frauen arm. Ein Beispiel der
       Auswirkungen des Klimawandels: „Hitzetote sind deutlich mehr Frauen.“
       
       Die Sorge, dass das Thema in Zukunft hinten runterfällt, speise sich aus
       Erfahrungen aus den Kommunen. „Gerade im Bereich Jugend und Familie
       passieren immer dringliche Dinge.“ Kolleg*innen unterstützen in dem
       Falle die anderen – und eigene Themen blieben liegen. „Ich kann mir
       vorstellen, dass die Unterstützung nur einseitig passiert“, sagt Lenz.
       Dabei gebe es mit dem neuen Gleichstellungsgesetz ein aktuelles Projekt,
       das schon viel zu lange aufgeschoben worden sei.
       
       Das Gesetz befinde sich „aktuell in der Finalisierung“, schreibt
       Schumacher. Im nächsten Jahr werde man sich zudem „intensiv um das Thema
       [4][Gewalt gegen Frauen] kümmern“. Auch werde man einen Schwerpunkt setzen
       „im Bereich der Queerarbeit“ ebenso wie im Bereich Antidiskriminierung. Mit
       der Umstrukturierung werde das Thema „auch in Zukunft eine sehr große Rolle
       spielen“.
       
       Die LAG möchte Ende November öffentlich gegen die Pläne protestieren –
       bevor sie beschlossen werden. Durch das Parlament muss diese Entscheidung
       nicht, der Minister kann allein über die Organisation seines Hauses
       entscheiden. Details der Pläne, heißt es aus dem Ministerium, würden
       derzeit noch intern beraten.
       
       15 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Personalplanung-an-der-Uni-Vechta/!5904325
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   DIR [3] https://gleichstellung-niedersachsen.de/
   DIR [4] /Gewalt-Schutz-in-Niedersachsen/!5965323
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Alina Götz
       
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