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       # taz.de -- Erdoğan-Besuch in Berlin: Gespräche mit wenigen Möglichkeiten
       
       > Am Freitag erwartet der Bundeskanzler den türkischen Präsidenten in
       > Berlin. Dabei gibt es kaum Erwartungen an das Treffen – und deutliche
       > Kritik.
       
   IMG Bild: Schon das Zuhören fällt schwer: Erdoğan bei seinem letzten Besuch in Berlin 2018
       
       Berlin taz | Der Besuch des türkischen Präsidenten in Berlin fällt in eine
       politische Großwetterlage, dabei waren Aufenthalte von Recep Tayyip Erdoğan
       in Deutschland oft auch schon selbst Grund, diese auszulösen. Wenn Olaf
       Scholz (SPD) den türkischen Staatschef am Freitagabend zu einem
       Arbeitsessen im Kanzleramt empfängt, wird es um Fragen gehen, in denen sich
       Berlin und Ankara zuletzt fundamental unterschiedlich positioniert hatten.
       „Es ist der Besuch eines schwierigen Partners“, sagte ein
       Regierungssprecher am Mittwoch.
       
       Kritik an dem Besuch kam, verknüpft mit Forderungen, vom Zentralrat der
       Juden und der Kurdischen Gemeinde in Deutschland. Der Besuch des türkischen
       Staatspräsidenten müsse dafür genutzt werden, gegenüber Erdoğan deutlich zu
       machen, dass seine Relativierung des Hamas-Terrors unter keinen Umständen
       akzeptiert werde, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster. „Wer das
       Existenzrecht Israels nicht nur leugnet, sondern aktiv bekämpft, darf kein
       Partner für die deutsche Politik sein.“
       
       Erdoğan weigert sich, [1][die radikalislamistische Hamas als
       Terrororganisation zu bezeichnen,] auch nicht nach ihren brutalen Angriffen
       auf Israel vom 7. Oktober mit 1.200 Toten und 240 Geiseln. „Das sind
       Menschen, die sich für den Schutz, die Verteidigung und den Kampf für ihr
       Heimatland einsetzen“, [2][hatte der Präsident am Sonntag mit Blick auf die
       Hamas in einem Interview mit türkischen Journalist*innen gesagt.] Er
       frage sich, wie der Bundeskanzler [3][Äußerungen des französischen
       Präsidenten bewerte], in denen Emmanuel Macron eine Waffenruhe gefordert
       und Israel beschuldigt hatte, Zivilisten in Gaza zu töten. „Wir werden dies
       bei dem Besuch in Deutschland näher besprechen“, kündigte Erdoğan gegenüber
       der Zeitung Hürriyet an.
       
       „Es gibt einen Austausch, aber die Sichtweisen sind sehr unterschiedlich,
       da muss man sich nichts vormachen“, sagte Regierungssprecher Steffen
       Hebestreit. Die Bundesregierung hoffe in der Frage der türkischen
       Positionierung auf die „Kraft der Argumente“.
       
       ## Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit in der Ukraine?
       
       Indes stehen auf der Agenda von Scholz auch viele andere Großthemen, die er
       mit Erdoğan am Abend, nach dessen Besuch bei Bundespräsident Frank-Walter
       Steinmeier (SPD), besprechen will. Zweieinhalb Stunden soll das Gespräch
       zwischen dem Bundeskanzler und dem türkischen Präsidenten dauern. Dabei
       solle es auch um Migration und die türkische Positionierung im Krieg
       Russlands gegen die Ukraine gehen.
       
       Gerade beim Thema Flucht verlangten Unionspolitiker Verhandlungen des
       Kanzlers mit Erdoğan. „Der Bundeskanzler muss darauf hinweisen, dass es
       nicht akzeptabel ist, dass zunehmend mehr Asylmigranten mit türkischer
       Staatsbürgerschaft, zu uns kommen“, [4][sagte CSU-Landesgruppenchef
       Alexander Dobrindt gegenüber T-Online.] Erdoğan müsse diese Menschen
       zurücknehmen.
       
       Unklar war zunächst, ob es nach dem Gespräch Erdoğans mit dem Kanzler auch
       eine Pressekonferenz geben würde. Ein angedachter Besuch des
       Fußball-Länderspiels der Männer, Deutschland gegen die Türkei, am Samstag
       in Berlin stand dagegen nicht mehr auf der Agenda. „Auf Organisationsebene
       gehen wir zurzeit nicht von einem Besuch Erdoğans aus“, erklärte ein
       Sprecher des Olympiastadions gegenüber der taz.
       
       Yaşar Aydın, Wissenschaftler am Zentrum für angewandte Türkeistudien in
       Berlin, hat in der Frage einer möglichen Vermittlerrolle, die die Türkei im
       Nahen Osten einnehmen könnte, keine großen Hoffnungen in die Macht Ankaras.
       „Aufgrund der Äußerungen Erdoğans zur Hamas hat die Türkei die Chance auf
       eine Vermittlerrolle verspielt“, sagte der Sozialwissenschaftler gegenüber
       der taz. „Die Türkei hat nicht die diplomatischen Mittel in der Region, die
       für eine Vermittlung notwendig wären.“
       
       Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei
       sieht er dagegen in der Ukraine, weil Ankara wegen seiner
       Wirtschaftsbeziehungen einen Hebel gegenüber Moskau habe.
       
       15 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Erdoan-gegen-Israel/!5964130
   DIR [2] https://www.hurriyet.com.tr/gundem/cumhurbaskani-erdogandan-onemli-aciklamalar-42360013
   DIR [3] https://www.bbc.com/news/world-europe-67356581
   DIR [4] https://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/innenpolitik/id_100281062/alexander-dobrindt-ueber-erdogan-muss-diese-menschen-zuruecknehmen-.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Cem-Odos Güler
       
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