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       # taz.de -- Ökonom über Bremens Klimafonds: „Klimafonds besser begründet“
       
       > Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Der Bund darf für die
       > Coronakrise gedachtes Geld nicht für Klimaschutz nutzen. Was heißt das
       > für Bremen?
       
   IMG Bild: Schuldenuhr: Verfechter*innen der Schuldenbremse wollen, dass diese Zahl nicht immer weiter steigt
       
       taz: Herr Hickel, was bedeutet [1][das Verfassungsgerichtsurteil zu
       Schattenhaushalten] für Bremen? 
       
       Rudolf Hickel: Bremen hat einen mit Krediten zu finanzierenden Klimafonds
       im Umfang von 2,5 Milliarden Euro mit einer Laufzeit bis 2027 aufgelegt.
       Dies ist auch ein Sonderfonds, mit dem vom Verschuldungsverbot nach der
       Landesverfassung abgewichen wird. Ich betone, dass dieser dringliche
       Klimafonds besser als die 60 Milliarden Euro beim Bund begründet ist.
       
       Der Bund hat die Einrichtung seines Sonderfonds mit einer
       „außergewöhnlichen Notsituation“ erklärt, um damit nicht gegen die
       Schuldenbremse zu verstoßen. [2][Das hat Bremen auch gemacht.] 
       
       Aber mit einer fundamental besseren Argumentation. Als der Bund 2021 den
       Nachtragshaushalt beschlossen hatte, wurden die konjunkturelle Schwäche
       infolge der Coronakrise und die dagegen gerichteten öffentlichen
       Investitionen betont. An dieser Argumentation hat das
       Bundesverfassungsgericht Zweifel. Das Land Bremen stellt die
       „außergewöhnliche Notsituation“ Klimakrise in den Vordergrund. Unterlassene
       Aktivitäten würden einen nicht mehr beherrschbaren Schaden anrichten. Zur
       Begründung kann sich Bremen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
       vom März 2021 berufen: Da erhält die Staatsaufgabe Bekämpfung der
       Klimakrise Verfassungsrang.
       
       Und diese Investitionen können kreditfinanziert sein? 
       
       Für diese intergenerative Aufgabe, von der künftige Generationen
       profitieren, ist die Aufnahme öffentlicher Kredite richtig. Zinsen und
       Rückzahlung finanzieren sich in den späteren Jahren aus der dann ökologisch
       fundierten Wirtschaft. Die künftigen Generationen profitieren von den heute
       auf den Weg gebrachten besseren Lebens- und Produktionsverhältnissen. Würde
       heute nicht gehandelt, würden wir der nachfolgenden Welt eine irreparable
       Umwelt vererben.
       
       Trotzdem hat die CDU gegen die Einrichtung des Klimafonds geklagt. 
       
       Leider, die CDU operiert mit dem Vorwurf „Klimapolitik auf Pump“. Dabei
       geht es um die Rückgewinnung einer lebenswerten Welt, für die wir heute
       Verantwortung tragen. Übrigens ist das schlechte Gewissen der CDU bei
       dieser Klage gegen den Klimafonds unübersehbar. Die Aufnahme von Krediten
       durch den Staat auf den Finanzmärkten wird mit gefährlich populistischen
       Hinweisen abgelehnt. Dass dieser Klimafonds an sich sinnvoll ist, zeigt der
       Vorschlag der CDU, eine Klimaanleihe am Staat vorbei zu platzieren. Es
       lässt sich zeigen, dass diese Klimaanleihe für das breite Publikum nicht
       funktioniert. Am Ende liegt die Haftung beim Land Bremen, also bei den
       Steuerzahler:innen. Wer in den Nachtragshaushalt reinschaut, der sieht,
       dass die Projekte in den Bereichen Wirtschaft, Wärme, Mobilität und
       energetische Sanierung gut nachvollziehbar sind.
       
       Auf was sollte sich der Senat jetzt vorbereiten? Das Urteil vom
       Staatsgerichtshof hier in Bremen steht noch aus. 
       
       Es gibt drei Szenarien. Das erste, was ich mir wünsche, ist: Der
       Nachtragshaushalt mit dem Schwerpunkt Klimafonds wird für
       verfassungskonform erklärt. Zweitens: Es muss nachgearbeitet werden, die
       Notsituation muss noch genauer nachgewiesen werden. Dies wäre machbar. Eine
       dritte Option: Dem Urteil zu den 60 Milliarden Euro des Bundes wird
       gefolgt; die Bremer Verfassungsrichter:innen argumentieren mit Blick
       auf das Urteil extrem engstirnig und wenig zukunftsorientiert und erklären
       die Finanzierung des Klimafonds für verfassungswidrig. Das wäre eine
       Katastrophe. Dann würde etwa die Chance eines grünen Stahlwerks und viele
       andere Investitionen zerstört. Deshalb empfehle ich: Bitte beim Urteil auf
       den massiven Unterschied in der Begründung des Sonderfonds achten, ebenso
       auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz, in dem es
       klipp und klar sagt, dass die Bekämpfung der ökologische Krise
       Staatsaufgabe ist.
       
       Die Diskussion über die Schuldenbremse wurde durch das Urteil neu entfacht.
       Was fordern Sie? 
       
       Wir müssen den Verfassungsgrundsatz der Schuldenbremse reformieren oder
       noch klarer: Das Verbot, öffentliche Investitionen durch Kredite zu
       finanzieren, wird aufgehoben. Wir kehren zurück zur sogenannten goldenen
       Regel. Das verlangt eine genaue Kontrolle der zu verantwortenden
       öffentlichen Investitionen.
       
       Wer kann das entscheiden? 
       
       Der Bundestag, mit einer Zwei Drittel-Mehrheit. Aber die Wahrscheinlichkeit
       für einen Ausstieg aus der Schuldenbremse ist derzeit nicht gegeben, siehe
       CDU und FDP. Deshalb werden im Übergang die Sonderfonds, für die
       projektbezogen die öffentliche Kreditaufnahme sinnvoll ist, benötigt. Dabei
       ist in der Finanzwissenschaft die Meinung mittlerweile weit verbreitet,
       dass Bund und Länder die Möglichkeit brauchen, sehr gezielt und gut
       begründet Kredite aufzunehmen.
       
       16 Nov 2023
       
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