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       # taz.de -- Palästinensische Autonomiebehörde: PA will Hamas nicht ersetzen
       
       > Israel will Geldzahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde
       > stoppen. Die beschuldigt Israel indes und will selbst keine Rolle in Gaza
       > spielen.
       
   IMG Bild: Die Gewalt im Westjordanland hat zuletzt stark zugenommen: Ramallah am 18.10.2023
       
       Berlin taz | Während der Krieg gegen die Hamas im Gazastreifen in die
       vierte Woche geht, ist die Zukunft der Palästinensischen Autonomiebehörde
       (PA), die mit begrenzter Macht im Westjordanland regiert, zunehmend
       ungewiss. Israels Finanzminister Bezalel Smotrich teilte am Montag mit, er
       habe sein Ministerium angewiesen, die Überweisung von Geldern an die
       Autonomiebehörde zu stoppen.
       
       Die PA, die im Zuge des Osloer Friedensprozesses in den neunziger Jahren
       geschaffen wurde, kooperiert mit Israel in Sicherheitsfragen und ist von
       dem Land finanziell abhängig. Bei den Geldern handelt es sich um Zölle, die
       Israel für die PA erhebt, weil es die Außengrenzen des Westjordanlands
       kontrolliert. Als Grund nannte der Minister die „Unterstützung“ der PA für
       den Angriff der Hamas auf israelische Zivilist*innen am 7. Oktober. So
       hatte sich etwa PA-Regierungschef Mohammad Shtayyeh geweigert, das Massaker
       zu verurteilen. Stattdessen gab er Israel die Schuld für die Situation.
       
       Dass Israel die Gelder zurückhält, wäre nicht das erste Mal. Jerusalem hat
       die Zahlungen aber immer wieder aufgenommen, da es selbst kein Interesse an
       einem Zusammenbruch des PA-Regierungssystems hat. Zwischen Israelis und der
       PA besteht eine [1][enge Sicherheitszusammenarbeit]. Palästinensische
       Sicherheitskräfte – Polizei und Geheimdienst – kooperieren mit ihren
       israelischen Kolleg*innen, etwa um Anschläge zu verhindern und auch um
       ein weiteres Erstarken der Hamas, die in Gaza herrscht, im Westjordanland
       zu verhindern.
       
       Seit dem 7. Oktober haben die israelische Armee und PA-Kräfte gemeinsam das
       Westjordanland unter Kontrolle gehalten, indem sie Straßen sperrten und
       Ortschaften abriegelten. Wegen der Zusammenarbeit sehen viele
       Palästinenser*innen in der PA und ihrem 87-jährigen Präsidenten
       Mahmud Abbas ein ausführendes Organ des israelischen Militärregimes im
       Westjordanland.
       
       ## „Das Westjordanland braucht eine Lösung“
       
       Sollte die PA zusammenbrechen, droht Instabilität. Militante
       Splittergruppen würden das Machtvakuum voraussichtlich füllen, wenn nicht
       Israel die komplette Kontrolle des Westjordanlands übernimmt – womit die
       Armee vor dem Hintergrund des Kriegs gegen die Hamas überfordert sein
       dürfte.
       
       Regierungschef Shtayyeh hat unterdessen Überlegungen eine Absage erteilt,
       dass die PA nach dem Sturz der Hamas im Gazastreifen auch dort eine Rolle
       spielen könnte. „Dass die PA nach Gaza geht und die Angelegenheiten dort
       regelt“, komme nicht infrage, solange es keine politische Lösung für das
       Westjordanland gibt. „Das Westjordanland braucht eine Lösung und dann muss
       der Gazastreifen im Rahmen einer Zweistaatenlösung daran angeschlossen
       werden“, so Shtayyeh [2][gegenüber dem Guardian].
       
       Israel hatte nach dem Massaker vom 7. Oktober ein neuartiges
       Sicherheitsregime für den Gazastreifen versprochen, ohne dies näher
       auszuführen. Dabei könnte die internationale Staatengemeinschaft ebenso wie
       die PA eine Rolle spielen. Eine direkte militärische Besatzung durch die
       israelische Armee wie vor ihrem Abzug 2005 strebt Jerusalem nicht an.
       
       Im Westjordanland hat die Gewalt zuletzt stark zugenommen. Seit
       Jahresbeginn sind rund 330 Menschen getötet worden, mehr als 120 davon seit
       dem 7. Oktober. Am Montag tötete die israelische Armee nach Angaben der
       palästinensischen Agentur Wafa während einer Razzia gegen Militante in
       Dschenin 4 Palästinenser. Ein weiterer wurde nahe Hebron getötet. Zudem
       erlag ein 23-Jähriger, der von einem israelischen Siedler angeschossen
       worden war, seinen Verletzungen.
       
       30 Oct 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Sicherheit-in-Israel-und-Palaestina/!5661650
   DIR [2] https://www.theguardian.com/world/2023/oct/29/palestinian-pm-we-will-not-run-gaza-without-solution-for-west-bank
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jannis Hagmann
       
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