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       # taz.de -- Antisemitismus und Nahost-Konflikt: Bitterer Rekord
       
       > Die Meldestelle RIAS registriert einen Höchststand von antisemitischen
       > Vorfällen in Berlin. Neu ist die Markierung von Häusern mit
       > David-Sternen.
       
   IMG Bild: Trotz Erinnerung an die Pogromnacht vom 9. November: Antisemitismus ist so stark wie lange nicht
       
       Berlin taz | Die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Berlin ist sprunghaft
       angestiegen: Seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober bis zum 9.
       November, dem Jahrestag der Pogromnacht von 1938, zählte die Recherche- und
       Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Berlin 282 antisemitische
       Vorfälle, das sind acht Meldungen pro Tag. Seit Beginn der Dokumentation im
       Jahr 2015 habe man noch nie so hohe Zahlen gehabt, gab RIAS am Dienstag
       bekannt. Vor Beginn des aktuellen Konflikts seien es drei Vorfälle pro Tag
       gewesen.
       
       Gezählt wurde ein Vorfall „mit extremer Gewalt“ (der Brandanschlag auf ein
       jüdisches Gemeindezentrum), 12 Angriffe, 23 gezielte Sachbeschädigungen, 10
       Bedrohungen, 235 Fälle verletzenden Verhaltens, darunter 23 bei
       Versammlungen.
       
       Die Vorfälle ereignen sich in allen Bezirken und in allen Lebenslagen: auf
       der Arbeit, im Wohnumfeld, in der Schule und Uni, öffentlichen
       Verkehrsmitteln – und im Internet. „Auf Social-Media-Plattformen werden
       Jüdinnen und Juden mit Vernichtungswünschen angeschrieben, in Chat-Gruppen
       sind sie mit Legitimierungen des Terrorangriffs der Hamas konfrontiert“, so
       der Bericht.
       
       Auf die Frage der taz, was RIAS genau meint, wenn sie etwa 23 Versammlungen
       als antisemitisch bewertet, erklärt Projektreferentin Ruth Hatlapa, in der
       Regel sei nicht eine ganze Demonstration gemeint, sondern Handlungen von
       Einzelnen oder Gruppen auf dieser Versammlung – etwa wenn Rufe skandiert
       werden wie „Kindermörder Israel“ oder „from the river to the sea“.
       Letzterer Spruch sei für sie antisemitisch, „weil er das Existenzrecht
       Israels infrage stellt“. Auch Plakate, die die Schoah bagatellisieren, etwa
       indem sie von einem „Holocaust“ an den Palästinensern sprechen, fielen für
       RIAS in diese Kategorie.
       
       ## Pro Palästina ist nicht das Problem
       
       Hatlapa betonte, nicht jede Äußerung „für Palästina“ sei automatisch
       antisemitisch. Der Spruch „Free Palestine“ etwa sei nicht an sich ein
       Problem, aber etwa dann, „wenn er an eine Synagoge geschmiert wird“, weil
       damit Jüdinnen und Juden kollektiv haftbar gemacht werden für die Politik
       des Staates Israel. Plakate seien dann problematisch, wenn sie etwa die
       Palästina-Fahne in den Staatsgrenzen von ganz Israel zeigten. „Für uns ist
       wichtig, ob sich durch die Art der Formulierung ein antisemitischer Gehalt
       ergibt“, erklärt die Referentin.
       
       Dass es durch das Wiederaufflammen des Nahostkonflikts hierzulande zu mehr
       Antisemitismus kommt, sei kein neues Phänomen, betont RIAS in dem Bericht.
       Neu sei jedoch die Wirkung auf hier lebende Jüdinnen und Juden: Menschen
       gäben sich weniger als Juden zu erkennen oder mieden Räume, die ihnen nicht
       sicher erschienen. „Eine Mütze über der Kippah, ein Schal über dem
       Davidstern-Anhänger, auf der Straße kein Hebräisch sprechen, den
       Instagram-Feed nicht in der Bahn lesen, die Mesusa von der Tür entfernen“,
       sind nur einige Beispiele.
       
       Neu ist auch die Markierung von Häusern mit einem Davidstern: 14 solcher
       Fälle hat RIAS seit dem 7. Oktober gezählt. „Das hat bei den
       Bewohner*innen zu großer Verunsicherung geführt“, so Hatlapa, „da es an
       die Markierungen durch die Nationalsozialisten erinnert.“
       
       28 Nov 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Susanne Memarnia
       
       ## TAGS
       
   DIR Antisemitismus
   DIR Schwerpunkt Nahost-Konflikt
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