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       # taz.de -- Serie „Unwanted“ von Oliver Hirschbiegel: Flüchten auf dem Luxusliner
       
       > In der neuen Serie „Unwanted“ zeigt sich die ganze Gewalt des
       > EU-Grenzregimes. Es ist eine bizarre Begegnung von Luxus-Urlaubern und
       > Geflüchteten.
       
   IMG Bild: Unter Deck und außer Sicht: Geflüchtete auf dem Luxusdampfer in der Serie „Unwanted“
       
       Die Geflüchteten auf dem Kreuzfahrtschiff „Orizzonte“ brechen in Jubel aus,
       als Kapitän Arrigo (Marco Bocci) durchsagt, dass er nun endlich Kurs auf
       [1][Lampedusa] nimmt. Haben sie es bald wirklich bis nach Europa geschafft?
       Oder ist das ein Trick, um die, wie der Serien-Titel „Unwanted“ schon sagt
       „ungewollten“ Gäste auf dem Luxusliner zu beruhigen?
       
       Die 28 Geflüchteten in Oliver Hirschbiegels Serie „Unwanted“, die eine
       Bootshavarie im Mittelmeer überleben, bei der mehr als 100 Menschen
       ertrinken, werden von einem schicken Kreuzfahrtschiff aufgenommen, auf dem
       5.000 Touristen Luxusurlaub machen. Die Überlebenden haben Angst, wieder
       nach Libyen abgeschoben zu werden, wo sie zuvor eingesperrt und einige
       gefoltert wurden.
       
       „Unwanted“ zeigt in Rückblenden verstörende und brutale Bilder von den
       [2][Fluchtrouten] durch die Sahara und das nördliche Afrika. Die
       achtteilige Sky-Produktion basiert lose auf dem Sachbuch-Bestseller „Bilal:
       Als Illegaler auf dem Weg nach Europa“ (2007) des italienischen
       Journalisten Fabrizio Gatti, der Menschen auf der Flucht durch Nordafrika
       begleitete.
       
       ## Verstörende Bilder von Fluchtrouten
       
       Regisseur Oliver Hirschbiegel baut das dramaturgisch aus und inszeniert das
       bizarre Aufeinandertreffen konsumverwöhnter europäischer Touristen und
       traumatisierter Geflüchteten, deren große Sehnsucht darin besteht,
       europäischen Boden zu betreten, in der Hoffnung, so Armut, Hunger, Gewalt
       und Verfolgung hinter sich zu lassen.
       
       Die Geflüchteten werden auf einem abgelegenen Deck untergebracht, um die
       Urlauber nicht zu stören. Viele europäische Passagiere interessieren sich
       bald für das Schicksal der Geflüchteten. Im Stil einer
       Kreuzfahrt-Freizeitaktivität wird ein Treffen von Urlaubern und
       Geflüchteten organisiert.
       
       Das Mitgefühl der Passagiere mit den Fluchtschicksalen hat aber
       voyeuristischen und konsumartigen Charakter. Die Beziehungen, die
       entstehen, sind hierarchisch und nutzbringend für die europäischen
       Urlauber. Die Serie fächert in geschickt miteinander verwobenen
       Erzählsträngen und Rückblenden die Geschichten der Menschen an Bord auf.
       
       ## Mitgefühl mit voyeuristischem Charakter
       
       Über allem schwebt die Sorge, wieder in Libyen zu landen. Und genau dorthin
       soll sie der Kapitän bringen, bis auf der Brücke des Luxusliners eine
       erbitterte Auseinandersetzung mit der ersten Offizierin Edith (Jessica
       Schwarz) ausbricht, die sich über die Regeln hinwegsetzt, NGO-Schiffe
       kontaktiert und mit ihrer Chuzpe wie eine Hommage an [3][Carola Rackete] in
       weißer Traumschiffuniform wirkt. Als die Geflüchteten erfahren, dass sie
       wieder nach Libyen sollen, kapern drei von ihnen die Brücke des Schiffs.
       
       Hirschbiegels Serie gibt den Schutz suchenden Menschen ein Gesicht und
       zeigt, wie viel Leid und Gewalt das EU-Grenzregime erzeugt. Auch wenn die
       Eskalation am Ende der Serie überspitzt wirkt, zeigt Fernsehen selten so
       harsche Kritik am Rassismus europäischer Wohlstandsbürger gegenüber
       Menschen auf der Flucht.
       
       Dabei postuliert die Serie beim Streit zwischen Kapitän und erstem
       Offizier, dass es immer eine Möglichkeit gibt, sich den Sachzwängen zu
       entziehen und gegen unmenschliche Regeln anzukämpfen. Das bietet eine
       überraschend kämpferische Perspektive auf dieses gesellschaftspolitische
       Thema.
       
       3 Nov 2023
       
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