# taz.de -- Neues Album von US-Künstlerin L'Rain: The most bitch thing
> US-Künstlerin L'Rain bringt ihre Signatur auf dem neuen Popalbum „I
> killed your Dog“ meisterhaft zur Geltung. Es ist feinsinnig und
> experimentell.
IMG Bild: Ob sie auch im Regen singt? L'Rain
Es ist ein Elend mit diesem Herzen: Verlieren kann man es leicht, und wenn
man Pech hat, wird es dann gebrochen. Wie weh Letzteres tun kann, davon
kann auch die New Yorker Multiinstrumentalistin, Komponistin, Sängerin und
Kuratorin Taja Cheek alias L’Rain ein Lied singen.
Und sogar nicht nur eins. Als einsam und verzweifelt beschreibt sie sich in
diesen. Sie fühle sich so, als sei sie ein Stück billiges Papier, das auf
dem Boden zerbröselt, erklärt sie in „Our Funeral“, eben so gut wie ein
totes Mädchen, das von ihren Entführern mit Sonnenbrille zurechtgemacht
wurde, auf „Pet Rock“.
Mit ihrem dritten Album „I Killed Your Dog“, das kürzlich beim US-Label
Mexican Summer erschienen ist, reiht sich L’Rain in die lange Reihe der
Liebeskummerwerke des Pop ein. „I Killed Your Dog“ handelt von gebrochenen
Herzen, von Trauer, Sehnsucht und Rachegefühlen, davon, wie es ist,
diejenigen, die einem am nächsten stehen, zu verlieren oder zu
verletzen.Wenig originell mag das klingen.
Dem britischen Crack Magazine gegenüber hat Cheek unlängst selbstironisch
erklärt, sie habe sich überlegt, was „the most basic bitch thing“ wäre,
über das sie sprechen könnte – über Typen nämlich. [1][Über zwei Jahre ist
es her, dass L’Rain „Fatigue“ veröffentlichte], ein entgegen seines Titels
ziemlich aufgewecktes, aufregendes Album, das 2021 auf einigen
Jahresbestenlisten weit oben mitspielte. Entsprechend hoch waren die
Erwartungen nun an das nachfolgende Werk.
## Das Tape ist ausgeleiert
„I Killed Your Dog“ setzt da an, wo die Künstlerin mit „Fatigue“ aufgehört
hat, wirkt aber in sich noch stimmiger, trotz oder gerade weil [2][L’Rain]
darin so viele Einflüsse und Versatzstücke miteinander verschränkt.
Musikalische Collagen baut sie aus Folk, dem R&B der 1990er, Ambient,
Synthiepop, Field Recordings, Indierock und Black Music, Gospel, ein
bisschen Jazz ist auch dabei – Cheeks Großvater besaß einen Jazzclub in New
York. Ihre betörende Stimme setzt L’Rain als verbindendes Element ein.
Das ziemlich unpräzise Adjektiv experimentell beschreibt L’Rains Musik wohl
am besten. Eine Slow-Motion-Ballade ist „Our Funeral“. Auf „Pet Rock“
zitiert sie die „The“-Bands der Nullerjahre, klingt ein bisschen so, als
würde man ein altes Tape von The Strokes mit ausgeleierten, mehrfach
verwendeten Bändern abspielen, vielleicht eine jener Kassetten, die man mit
einem Stück Tesafilm unüberspielbar gemacht hatte und auf der man das
ursprünglich Aufgenommene aber immer noch vernehmen kann.
Folkiger wird es auf „5 to 8 Hours a Day (WWwaG)“ mit Gitarre und
Trompete, während L’Rains Gesang zum Spoken Word übergeht, wabernde
Synthesizer bestimmen „r(EMOTE)“. „New Year’s UnResolution“, das bereits im
Juni erschienen ist, das poppigste und finale Stück des Albums. Es erzählt
davon, was nach dem großen Herzschmerz kommt, wenn Alleinsein zum Alltag
wird. „Will you forget me along the way?“, lautet der letzte Satz des
Songtextes.
[3][„I Killed Your Dog“] ist ein persönliches Album, ein tragikomisches
auch. Cheeks feiner Witz macht sich vor allem in den kleinen
Zwischenspielen bemerkbar. Auf „Oh Wow, a Bird!“ etwa, einem 4-Sekünder,
das in eben diesem Ausruf mündet. Oder auf „What’s that song?“, einer
Sprachnachricht, in der der Absender einen Jazzsong vorsingt, mit viel du,
du, du, dum, dum, dum und ba-da, ba-da, ba-da – „I know it sounds like all
of them“ – bis er tatsächlich losgeht, der Song, der genau so klingt.
Und der Hund? Dem geht es vermutlich gut. Der titelgebende Song lässt
offen, ob nicht doch sie selbst mit jenem Hund gemeint ist, den sie getötet
habe: „I killed your dog, I am your dog, I killed your dog“. Erst kürzlich
hat sie sich selbst einen zugelegt, wie zu erfahren war, einen
Havaneser-Pudel-Mischling namens „Icon“.
16 Nov 2023
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## AUTOREN
DIR Beate Scheder
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