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       # taz.de -- Ungekennzeichnete Werbung auf X: Seele, scheibchenweise verkauft
       
       > Produktplatzierung? Verdeckte Werbung? Was im Netz mitunter für Aufregung
       > sorgt, ist offline längst Standard. Doch das macht es nicht besser.
       
   IMG Bild: Wer wirbt dafür, sich bei Tinnitus Babyöl ins Ohr zu schütten?!
       
       Nun also auch X. Die Online-Plattform, die wahrscheinlich auf ewig „[1][X,
       ehemals Twitter]“ genannt werden wird, verkauft ja schon seit geraumer Zeit
       scheibchenweise ihre Seele. Jüngst war ein echtes Filetstück dran: Es lässt
       sich – zunächst in den USA – nun Werbung schalten, die nicht als solche
       gekennzeichnet im persönlichen Feed von Nutzer:innen auftaucht. Wer der
       Werbetreibende ist, geht nicht daraus hervor.
       
       In den goldenen, popcorn-orientierten Twitter-Zeiten wäre das eine
       Steilvorlage für Ratespiele gewesen: Wer wirbt dafür, sich bei Tinnitus
       Babyöl ins Ohr zu schütten? Kein Witz, ein entsprechender Post war
       tatsächlich zu sehen. Der Hersteller? Ein Clickbait-Portal, das mit
       Sensations-Schlagzeilen auf Nutzer:innenfang geht? Oder doch ein Akteur
       aus der HNO-Branche auf der Suche nach Kundschaft?
       
       Jedenfalls: Bei X, ehemals Twitter, sind sie natürlich nicht die ersten,
       die auf neue Einkommensquellen kommen. Bei Youtube, [2][Instagram und Co]
       sind [3][Produktplatzierungen] praktisch Standard. Und Anbieter von
       Streamingdiensten mit ihren ohnehin undurchsichtigen Algorithmen haben es
       noch leichter, einen gesponserten Inhalt einzubauen.
       
       Andererseits: Auch in dem Stream, den wir Leben nennen, sind
       Produktplatzierungen überall. Lebensmittelhersteller zahlen für den besten
       Platz im Supermarktregal. Der Inhaber des Fahrradladens vereinbart
       Exklusivität mit einer ganz bestimmten Helmmarke. Und in der Praxis
       verschreibt der:die Ärzt:in bevorzugt das Präparat, das der Mensch vom
       [4][Pharmaunternehmen] vorletzten Monat so gepriesen hat.
       
       ## Potenzierte Möglichkeiten
       
       Die Digitalisierung macht also einfach das, was sie am besten kann: die
       Möglichkeiten potenzieren. Die smarte Küchenmaschine, die dezent Werbung
       für eine bestimmte Marke einfließen lässt. Das vernetzte Auto, das nicht
       nur die stauärmste Strecke vorschlägt, sondern zufälligerweise eine, die an
       einem ganz bestimmten Elektronikhändler vorbeiführt. Oder Eisladen oder
       Drogerie oder Fitnessstudio, kommt halt ganz darauf an, wer zahlt und wer
       im Auto sitzt.
       
       Und warum sollte etwa ein Gastronom darauf verzichten, sich durch ein
       bisschen Provision eine besondere Hervorhebung beim Navigationsdienst zu
       erkaufen, auf dass Ortsunkundige auf der Suche nach Kaffee als Erstes die
       eigene Lokalität finden?
       
       Im besten Fall werden findige Unternehmer:innen ein Gegenmittel
       entwickeln: [5][Ad-Blocker], die den ganzen ungewollten Werbekrams
       herausfiltern. Nur eine Sache bräuchte es dann noch: Einen Ad-Blocker für
       das Offline-Leben.
       
       2 Nov 2023
       
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