URI: 
       # taz.de -- Oxfam-Beschwerde gegen Supermärkte: Rewe, Aldi und Edeka am Pranger
       
       > Die Supermärkte verkaufen Bananen von Plantagen, auf denen Arbeitsrechte
       > missachtet werden: Oxfam legt Beschwerde nach dem Lieferkettengesetz ein.
       
   IMG Bild: Bananen aus Ecuador oder Costa Rica landen in deutschen Supermärkten
       
       Berlin taz | Am 11. August wurde [1][Miguel Anchia auf der Bananenplantage
       Jardín del Tigre entlassen] – „betriebsbedingt“, wie es heißt. Das
       Unternehmen hatte den Besitzer gewechselt, etliche der Arbeiter:innen
       wurden vom neuen Besitzer wieder eingestellt. Nicht aber Miguel Anchia.
       „Ich habe mich überall in der Region beworben, aber kein Unternehmen gab
       mir einen Vertrag – meine Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft könnte der
       Grund dafür sein“, vermutet der 55-jährige Plantagenarbeiter aus Costa
       Rica.
       
       Sein Name könne auf einer schwarzen Liste von organisierten
       Arbeiter:innen stehen, so die Vermutung von Anchia. Diese teilt Didier
       Leitón, kann sie aber nicht belegen. „In Costa Rica haben Gewerkschaften
       einen schweren Stand. Unser ureigenes Gewerkschaftsrecht, das Recht auf
       Tarifverhandlungen, können wir nicht wahrnehmen, dürfen Plantagen nicht
       betreten“, kritisiert Leiton. Er ist langjähriger Sekretär der Gewerkschaft
       Sitrap und derzeit in Berlin, um über diesen und andere Fälle von
       Verletzung grundlegender Gewerkschaftsrechte zu berichten. Am Donnerstag
       hatte er einen Termin im Arbeitsministerium in Berlin.
       
       Der Grund dafür liegt auf der Hand. [2][Denn Bananen, Ananas und Co] aus
       Costa Rica landen in deutschen Supermärkten – und das seit dem 1. Januar
       2023 geltende Lieferkettengesetz verpflichtet Ketten wie Edeka, Rewe, Aldi
       und Lidl zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt in ihren globalen
       Lieferketten. Es gilt derzeit für Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten.
       
       Verstöße können beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa)
       angezeigt werden – und genau das hat [3][Oxfam gemeinsam mit zwei
       Gewerkschaften aus Costa Rica und Ecuador] gemacht. Unterstützt wird die
       Hilfs- und Menschenrechtsorganisation dabei vom katholischen Hilfswerk
       Misereor und den Juristen des Europäischen Zentrum für Verfassungs- und
       Menschenrechte (ECCHR). Je nach Schwere des Verstoßes kann ein Bußgeld von
       bis zu acht Millionen Euro oder zwei Prozent des Jahresumsatzes verhängt
       werden.
       
       ## Anzeige vor Ort nicht erfolgversprechend
       
       Bezeichnend dabei ist, dass weder in Costa Rica noch in Ecuador derartige
       Fälle gute Aussichten haben, geahndet zu werden. In beiden Ländern ist die
       Justiz laut den Gewerkschaften Sitrap und Astac nicht unabhängig, agiere
       oft im Interesse der Unternehmen. Umso wichtiger sei die Option, massive
       Arbeitsrechtsverstöße im Rahmen des deutschen und zukünftig auch im Rahmen
       des europäischen Lieferkettengesetzes anzuzeigen, meint [4][Jorge Acosta],
       Koordinator des Gewerkschaft der Plantagenarbeiter:innen und
       Kleinbauern (Astac) aus dem ecuadorianischen Guayaquil.
       
       Das Astac-Anwaltsteam hat sich mit dem deutschen [5][Lieferkettengesetz]
       vertraut gemacht und minutiös Arbeitsrechtsverstöße durch Unternehmen wie
       Otisgraf dokumentiert. Das ecuadorianische Unternehmen mit deutschen
       Besitzern war bis Juli Lieferant von Rewe. Derzeit ist es nach von Astac
       vorgelegten Beweisen für die Verfolgung von Gewerkschaftsmitgliedern, der
       Diskriminierung von Frauen bei der Lohnzahlung und der Ausstellung
       zahlreicher Teilzeitarbeitsverträge, obwohl in Vollzeit gearbeitet werde,
       von der gemeinnützigen Zertifizierungsgesellschaft Rainforest Alliance
       sanktioniert worden.
       
       Bis zum Jahresende verfügt Otisgraf nun über keine Zertifizierung und kann
       deshalb keine Bananen absetzen. Experten halten die Sanktionierung für
       positiv, aber für viel zu selten. Die Rainforest Alliance muss sich seit
       Jahren die Kritik gefallen lassen, dass ihre Audittermine vorab bekannt
       sind und sich die Unternehmen so vorbereiten können.
       
       Diese Kritik teilt auch Oxfam. Nun sei es am Bundesamt für Wirtschaft und
       Ausfuhrkontrolle, der Beschwerde nachzugehen, die Dokumente analysieren und
       den Supermärkten konkrete Anweisungen zu geben, sagt Franziska Humbert von
       Oxfam. Bei Nichterfüllung drohen Bußgelder. Für Oxfam und auch für die
       Gewerkschaften Astac und Sitrap ist die Beschwerde der Lackmustest, ob das
       deutsche Lieferkettengesetz funktioniert. Darauf hofft auch Miguel Anchia
       aus Costa Rica – und auf einen Job auf einer Plantage.
       
       3 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Arbeitsrechte-in-Lateinamerika/!5955656
   DIR [2] /Protest-gegen-Edeka-Bananen/!5882413
   DIR [3] https://www.oxfam.de/ueber-uns/aktuelles/bananen-ausbeutung-beschwerde-edeka-rewe-lieferkettengesetz
   DIR [4] /Ausbeutung-bei-Bananenproduktion-in-Ecuador/!5965539
   DIR [5] /Expertin-ueber-EU-Lieferkettengesetz/!5934619
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Knut Henkel
       
       ## TAGS
       
   DIR Lieferketten
   DIR Arbeitnehmerrechte
   DIR Oxfam
   DIR Costa Rica
   DIR Ecuador
   DIR GNS
   DIR Ecuador
   DIR Lieferketten
   DIR Lateinamerika
   DIR Fairer Handel
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Urteil zu moderner Sklaverei in Ecuador: „Der Präsident ist Sohn des Bananen-Milliardärs“
       
       Das japanische Unternehmen Furukawa konnte in Ecuador ein System der
       Leibeigenschaft aufbauen. Mit politischer Hilfe, kritisiert Soziologe
       Stalin Herrera.
       
   DIR UN-Lieferkettengesetz für Unternehmen: Ketten ohne Pflichten
       
       Wieder verhandelt die Weltgemeinschaft über ein Abkommen zu fairen
       Lieferketten. Im aktuellen Entwurf wurden nun Klima- und Umweltauflagen
       gestrichen.
       
   DIR Arbeitsrechte in Lateinamerika: Hoffnung auf das Lieferkettengesetz
       
       Eine Bananenplantage in Costa Rica hat kürzlich allen Gewerkschaftern
       gekündigt. Jetzt können die Betroffenen durch Oxfam hierzulande dagegen
       klagen.
       
   DIR Oxfamstudie zu Bedingungen in Supermärkten: Lidl bessert sich, Edeka nicht
       
       Eine Oxfamstudie zeigt, wie sich Supermärkte um ihre Mitarbeiter kümmern.
       Noch immer sind jene zu wenig im Blick, die für gefüllte Regale sorgen.