URI: 
       # taz.de -- Wohnungsbau und Umweltschutz: Flächenfraß auf der grünen Wiese
       
       > Die Ampel will, dass Gemeinden ohne viel Rücksicht auf die Natur Bauland
       > schaffen können. Das schafft Wohnungen, wo niemand sie braucht.
       
   IMG Bild: Neuer Wohnraum entsteht nicht unbedingt da, wo er am dringendsten gebraucht wird
       
       Berlin taz | Äcker und Wiesen länger schnell und unkompliziert in
       [1][Bauland] umwandeln zu können – darum soll es am Montag im Ausschuss für
       Stadtentwicklung im Bundestag auf einer öffentlichen Anhörung gehen.
       
       Konkret befassen sich die Abgeordneten mit dem Paragrafen 13b des
       Baugesetzbuchs. Den hatte die Vorgängerregierung eingeführt, um schneller
       Wohnraum auf der grünen Wiese bauen zu können; im Sommer war er vom
       Bundesverwaltungsgericht für unwirksam erklärt worden.
       
       Nun möchte die Bundesregierung dafür sorgen, dass Gemeinden trotzdem zwei
       weitere Jahre lang Baugebiete nach diesem Paragrafen ausweisen dürfen, wenn
       sie bis Ende letzten Jahres damit begonnen haben. Sie möchte ermöglichen,
       „begonnene Planverfahren geordnet zu Ende zu führen“, heißt es in der
       Beschlussvorlage, über die während der Anhörung beraten wird.
       
       Was vernünftig klingt, leistet einem der großen Ressourcenprobleme
       hierzulande Vorschub: dem Flächenfraß. Der Paragraf 13b ermöglicht es
       nämlich, mit deutlich weniger Verwaltungsaufwand und Ausgleichsmaßnahmen
       Baugebiete auf Gebieten außerhalb von Ortschaften zu genehmigen – also auf
       den landwirtschaftlichen Flächen, die dringend benötigt und daher unbebaut
       bleiben sollten.
       
       „Die Bundesregierung sorgt dafür, [2][dass Wohnraum entsteht, wo gar keiner
       gebraucht wird]“, sagt Stefan Petzold, der für den Naturschutzbund Nabu als
       Experte für die Grünen an der Anhörung teilnehmen wird. Gebaut würden
       flächenintensive Einfamilienhäuser auf dem Land statt Mehrfamilienhäuser in
       Ballungsgebieten, die in vielfacher Hinsicht sinnvoller wären, so Petzold.
       
       ## Verfahren nicht konform mit EU-Recht
       
       Es gehe nicht darum, Familien Grundstücke wegzunehmen, die sich zum
       Häuslebau entschieden hätten, sagt Petzold, „so weit sind die Verfahren
       noch nicht“. Allerdings hätten viele Gemeinden bis Ende vergangenen Jahres
       trotz Rechtsunsicherheiten noch Baugebiete nach dem beschleunigten
       Verfahren begonnen, welches sich inzwischen als nicht europarechtskonform
       herausgestellt hätte. „Es ist nicht richtig, dass sie diese Verfahren jetzt
       noch zu Ende bringen können“, so Petzold, „das macht das Urteil des
       Bundesverwaltungsgerichts ja deutlich.“
       
       Die Bundesregierung will den Flächenverbrauch bis 2030 auf weniger als 30
       Hektar pro Tag senken; er geht zwar seit Jahren zurück, liegt aber laut
       Statistischem Bundesamt noch immer bei 55 Hektar 2022 – [3][und ist in
       diesem Jahr wieder etwas gestiegen]. Um landwirtschaftliche Flächen intakt
       zu lassen, sollen Kommunen eigentlich bevorzugt Brachflächen nutzen,
       Freiflächen und Baulücken innerhalb ihrer Siedlungsräume schließen sowie
       leer stehende Gebäude in Innenstädten und Dorfkernen nutzen, schreibt das
       Umweltbundesamt. Trotzdem planen viele Gemeinden noch immer mit
       Einfamilienhaussiedlungen auf der grünen Wiese – „das ist weder umwelt-
       noch verkehrs- oder energiepolitisch nachhaltig“, so Petzold.
       
       6 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Schlecht-bezahlte-Arbeit-am-Bau/!5970539
   DIR [2] /Wohnungsnot-und-Klimaschutz/!5898548
   DIR [3] /Bauen-und-Wohnen/!5778007
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heike Holdinghausen
       
       ## TAGS
       
   DIR Wohnungsbau
   DIR Umweltschutz
   DIR Flächenversiegelung
   DIR Baurecht
   DIR Artensterben
   DIR Schwerpunkt Stadtland
   DIR A100
   DIR Kolumne Cash & Crash
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Ausgleichsmaßnahmen im Baurecht: Niedersachsen schummelt beim Naturausgleich
       
       Wer beim Bauen in die Natur eingreift, soll anderswo Ausgleich schaffen –
       so steht es im Gesetz. Manche Behörden nehmen es damit nicht so genau.
       
   DIR Neue Studie zum Artensterben: Ohne Moos nix los
       
       Eine neue Studie schlägt Alarm: Mehr als doppelt so viele Tier- und
       Pflanzenarten als bekannt sind bedroht, unter anderem wichtige Moose.
       
   DIR Kiesabbau in Deutschland: Jede Menge Kies
       
       Bauen, bauen, bauen heißt, dass für den Beton massenhaft Kies aus der Erde
       geholt wird. Die Gier bedroht die Natur. Der Widerstand gegen den Abbau
       wächst.
       
   DIR Neuer Flächennutzungsplan: Freiflächen statt Beton
       
       Linke und Grüne wollen Grünflächen wie das Tempelhofer Feld und die
       Elisabeth-Aue vor Bebauung schützen. Die SPD ist skeptisch.
       
   DIR Wohnungsnot und Klimaschutz: Neubau ist keine Lösung
       
       Wer eine neue Bleibe sucht, ist oft verzweifelt. Trotzdem: Es gibt in
       Deutschland nicht zu wenig Wohnraum. Er ist nur falsch verteilt.