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       # taz.de -- African Football League: Die Reichsten unter sich
       
       > Die besten Klubs Afrikas kicken gemeinsam in einer Liga. Das erinnert an
       > die gescheiterte europäische Super League – doch diesmal ist die Fifa
       > dabei.
       
   IMG Bild: Große Erwartung, unklare Entwicklung: Al Ahly vs. Mamelodi Sundowns im AFL-Halbfinale, 1.11.2023
       
       Diese Emotionen wirkten echt. Als der Schiedsrichter das Spiel in der 13.
       Minute der Nachspielzeit endlich abpfiff und seine Spieler freudetrunken
       aufs Spielfeld stürmten, kämpfte Rulani Mokwena, 36, mit den Tränen. Der
       Trainer der Mamelodi Sundowns aus Pretoria in Südafrika hatte soeben den
       ersten kontinentalen Titel seiner jungen Karriere gewonnen: Die Sundowns
       triumphierten in der African Football League (AFL). Nach einer
       1:2-Hinspielniederlage besiegten sie am letzten Sonntag den marokkanischen
       Rekordmeister Wydad Casablanca zu Hause mit 2:0. „Ich bin überwältigt“,
       sagte Mokwena nach dem Spiel mit der Siegermedaille um den Hals.
       
       Das dürften in etwa die Bilder gewesen sein, die sich Fifa-Präsident Gianni
       Infantino von der ersten Ausgabe der AFL erhofft hat. Schon 2019 hatte der
       Schweizer bei einer Veranstaltung zum 80. Geburtstag von TP Mazembe, einem
       Fußballverein aus der Demokratischen Republik Kongo, erstmals angekündigt,
       welche Pläne er für den afrikanischen Fußball habe: „Wir wollen ihn auf die
       höchste Stufe bringen und der Welt zeigen, welch herausragendes Talent und
       welch erstaunlich begabte Spieler ihr Kontinent besitzt.“ Und eine Idee,
       wie das gelingen kann, hatte Infantino auch: „Wir müssen die 20 besten
       afrikanischen Vereine in eine Liga packen“, erklärte er. „Eine solche Liga
       könnte mindestens 200 Millionen Dollar einnehmen, womit sie zu den Top Ten
       der Welt gehören würde.“
       
       Wer sich bei diesem Konzept an die [1][Super League] erinnert fühlt, die im
       April 2021 kurzzeitig den europäischen Fußball endgültig zu spalten drohte,
       der liegt nicht ganz falsch. Schließlich wollten auch Europas Topklubs
       damals eine weitgehend geschlossene Zwanziger-Liga gründen, wo sie endlich
       unter sich sein konnten und die das Premiumprodukt schlechthin werden
       sollte. Einerseits klingt das sehr nach dem, was Infantino für Afrika
       vorschwebt, andererseits wollte sich die europäische Super League gänzlich
       unabhängig von Fifa und Uefa organisieren.
       
       In Afrika ist das anders: Im September 2021 bestätigte die CAF, der
       kontinentale Fußballverband, dass der neue Wettbewerb kommt. Passenderweise
       war damals noch African Super League der angedachte Name, erst später
       änderte man in African Football League.
       
       ## Große Erlöse, vermutlich kaum Nutzen
       
       „Unsere Freunde in Europa haben uns geraten, den Ausdruck ‚Super League‘
       nicht zu verwenden“, erklärte CAF-Präsident Patrice Motsepe, der den Plan
       Infantinos konkretisierte: 24 Teams aus 16 Nationen, aufgeteilt in drei
       Regionalgruppen, sollten um einen Preisfond über 100 Millionen Dollar
       spielen. Der Sieger erhalte 11,6 Millionen Dollar und dank der hohen
       Erlöse, laut Infantino nicht weniger als 200 Millionen Dollar pro
       Spielzeit, solle zudem jeder der 56 CAF-Mitgliedsverbände eine Million
       Dollar jährlich erhalten – für „Jugend und Infrastruktur“.
       
       Dass dieses Geld an vielen Stellen des Kontinents sinnvoll investiert
       werden könnte, findet auch Manase Chiweshe. „Unser nächstes Länderspiel
       gegen Nigeria müssen wir in Ruanda spielen, weil es im Land kein
       anständiges Stadion gibt“, erzählt der simbabwische Soziologe, der sich in
       seiner Arbeit viel mit afrikanischem Fußball beschäftigt. Zum
       Videotelefonat trägt er ein Trikot von Manchester United.
       
       Das größte Problem im afrikanischen Fußball ist [2][Korruption], findet
       Chiweshe, 2014 publizierte er erstmals dazu. „Es ist nichts besser
       geworden“, sagt er heute. Die AFL, die er weiterhin Super League nennt, sei
       ein „krasses Beispiel dafür, dass Geld im afrikanischen Fußball nicht dort
       ankommt, wo es hingehen sollte“. Er bezweifle gar nicht, dass die Verbände
       die versprochene Million erhalten würden: „Aber sie wird nicht an der Basis
       ankommen, nicht bei der Infrastruktur-Entwicklung und nicht beim
       Frauenfußball.“ Bei Fördergeldern der Fifa sei das schließlich auch schon
       seit Jahren so. Chiweshe glaubt: „Das Geld wird in den korrupten Strukturen
       des afrikanischen Fußballs landen.“
       
       Die Sorge ist berechtigt. Anfang 2020 zum Beispiel kam ein Bericht der
       Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) zu dem
       Ergebnis, dass von den 51 Millionen Dollar, die der Weltverband zwischen
       2017 und 2019 an die CAF überwiesen hatte, fast die Hälfte (24 Millionen)
       an Funktionäre gingen. Großen Reformbedarf scheinen aber weder Infantino
       noch Motsepe, CAF-Präsident seit März 2021, zu sehen: „Motsepe hat das
       korrupte System einfach weitergeführt“, sagt Chiweshe. Und Infantino
       brauche die afrikanischen Funktionäre, um als Fifa-Präsident wiedergewählt
       zu werden.
       
       ## Nationale Ligen bleiben attraktiv
       
       Dass Afrikas neue Fußballliga bei der Lösung der strukturellen Probleme auf
       dem Kontinent echte Abhilfe leistet, scheint also unwahrscheinlich. Doch
       was ist mit Gianni Infantinos anderen Versprechen? Etwa dass die Liga
       mindestens 200 Millionen Dollar einbringen und zu einer der zehn größten
       der Welt aufsteigen soll. Eine taz-Anfrage lässt die AFL unbeantwortet.
       Dabei sind auch nach der Uraufführung noch eine Menge Fragen offen.
       
       Klar ist: Bei ihrer Premiere fand die AFL in deutlich kleinerem Rahmen als
       geplant statt. Nicht 24, sondern nur acht Teams aus acht Nationen nahmen
       teil und statt 11,6 Millionen erhielt der Sieger nach vier K.-o.-Runden in
       drei Wochen 4 Millionen Dollar. Das ist nicht nichts, aber auch nicht mehr,
       als der Sieger der [3][CAF-Champions-League] bekommt, die vom Format ihrem
       europäischen Pendant ähnelt und angeblich weiter existieren soll. Die AFL
       sei nicht ihr Konkurrenzprodukt, hat CAF-Präsident Motsepe in der
       Vergangenheit behauptet.
       
       Völlig unklar ist unterdessen, wie die Teilnehmer der AFL ausgewählt
       werden. Eine Qualifikation über die nationalen Ligen wie bei kontinentalen
       Wettbewerben sonst üblich, scheint jedenfalls nicht vorgesehen. Die
       Mamelodi Sundowns gehören dem Milliardär Motsepe, seit seiner Wahl zum
       Verbandspräsidenten leitet sein Sohn die Geschäfte des 16-maligen
       südafrikanischen Meisters.
       
       „Die Teilnahme an der Champions League lohnt sich für viele Teams nicht“,
       erklärt der Soziologe Chiweshe. Besonders in den frühen Runden seien die
       Reisekosten häufig höher als die Einnahmen. Für die reichsten Vereine des
       Kontinents könnte die AFL daher ein Weg sein, sich der finanzschwächeren
       Klubs langfristig zu entledigen. Dass die Champions League künftig
       abgewertet wird, erscheint folgerichtig.
       
       Fraglich bleibt indes, ob eine afrikanische Kontinentalliga überhaupt das
       Potenzial hat, zu einer der zehn größten der Fußballwelt zu werden.
       Afrikanische Fußballfans ziehen häufig die europäischen Top-Ligen den
       heimischen vor. Und das Rückspiel des AFL-Finals wurde, so heißt es,
       deswegen um einen Tag nach hinten verschoben, weil am ursprünglich
       vorgesehenen Samstag in Südafrikas Premier Division die Kaizer Chiefs auf
       die Orlando Pirates trafen. Mit dem traditionsreichen Soweto Derby kann
       die neue Liga noch lange nicht mithalten.
       
       19 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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   DIR David Kulessa
       
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