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       # taz.de -- Sondervermögen Klimaschutz: Berlins CDU will davonschweben
       
       > CDU-Fraktionschef Dirk Stettner will, dass eine Magnetschwebebahn durch
       > die Innenstadt düst. Das Geld soll aus dem Sondervermögen Klimaschutz
       > kommen.
       
   IMG Bild: Déjà-vu M-Bahn: Schon zur Wendezeit hatte sich Berlin an der Magnetbahn-Technologie versucht
       
       Berlin taz | Das [1][„Sondervermögen Klimaschutz“] ist nach wie vor nicht
       in trockenen Tüchern. Der Fantasie der schwarz-roten Koalition, was man mit
       der gewaltigen Summe von fünf Milliarden Euro alles anstellen könnte, tut
       das keinen Abbruch. Neu auf dem Wunschzettel ist seit dem Wochenende eine
       Idee von CDU-Fraktionschef Dirk Stettner: Er will mit dem Geld unter
       anderem den Bau einer Magnetschwebebahn in der Innenstadt finanzieren.
       
       Stettner schwebt eine fünf bis sieben Kilometer lange Pilottrasse vor,
       aufgeständert, hoch über den Straßen Berlins. Wo genau diese verlaufen
       könnte, wolle er nicht vorwegnehmen. Das müssten dann Expert:innen
       klären, sagt Stettner auf Nachfrage. Sicher sei, dass Berlin davon
       profitieren würde.
       
       Eine Magnetschwebebahn-Strecke sei zudem „mindestens so schnell“ errichtet
       wie eine neue Straßenbahntrasse, „wenn nicht sogar schneller“, glaubt
       Stettner. „Die Anbieter sagen, sie bauen das in 2 Jahren.“ Und „relativ
       preiswert“ sei das Projekt obendrein, jedenfalls „deutlich preiswerter als
       der Neubau einer U-Bahn im Innenstadtbereich“. Der CDU-Politiker geht von
       85 Millionen Euro Gesamtkosten aus.
       
       Zum Vergleich: Die [2][U5-Verlängerung über den Alexanderplatz hinaus]
       schlug mit rund 265 Millionen Euro zu Buche – pro Kilometer. Zwar pflegt
       die Koalition weiter ihr Faible für U-Bahn-Verlängerungen und neue Linien.
       Auch der CDU-Fraktionschef will in den kommenden Haushaltsjahren massiv in
       den Ausbau investieren, für Machbarkeitsstudien, Nutzen-Kosten-Analysen,
       Planungen. Zusätzlich will Stettner aber eben auch „optimistisch“ groß und
       weiter denken: „Und wenn die Magnetschwebebahn sinnvoll angelegt ist, dann
       ist es ein Thema für das Sondervermögen.“
       
       ## BUND spricht von „Irrsinn“
       
       Dass das in der vergangenen Woche ergangene [3][Urteil des
       Bundesverfassungsgerichts], wonach die Bundesregierung 2021 Gelder aus dem
       Corona-Sondervermögen nicht hätte umschichten dürfen für Klimazwecke,
       Auswirkungen auf den sondervermögenden Berliner Milliardentraum haben
       könnte, hält Stettner für unwahrscheinlich. Er nehme das locker: „Wir sehen
       hier keine Beeinflussung unseres Sondervermögens.“ Womit auch der Weg frei
       wäre für die Magnetschwebebahn.
       
       Dabei wären die von Stettner genannten 85 Millionen Euro für bis zu sieben
       Kilometer ein Schnäppchen. Der Magnetschwebetechnologie-Anbieter Max Bögl
       hat für sein „zukunftsweisendes Nahverkehrssystem“ Anfang 2021 immerhin 30
       bis 50 Millionen Euro pro Kilometer aufgerufen.
       
       Beim Umweltverband BUND ist man auf Nachfrage konsterniert. „Ich dachte
       zuerst, das ist Satire“, sagt Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser zur taz.
       Er könne sich kaum vorstellen, dass dieser „Irrsinn“ von den Umwelt- und
       Verkehrspolitiker:innen der Union mitgetragen werde. „Wenn doch,
       dann sollte die CDU sofort aufhören, das Wort Klimaschutz in den Mund zu
       nehmen.“
       
       Die vorgeschlagene Finanzierung der Bahn über das Sondervermögen sei „eine
       Verhöhnung aller Berlinerinnen und Berliner, die sich für den Klimaschutz
       engagieren“. Die Mittel aus dem Sondervermögen Klimaschutz müssten auch für
       Klimaschutz eingesetzt werden, für die Wärmewende, für die energetische
       Sanierungen von Gebäuden, für das Einsparen von CO2.
       
       Für Heuser steht fest: „Auf keinen Fall darf dieses Geld verwendet werden
       für irgendwelche Großprojekte aus Beton, die gar keinen Beitrag zum
       Erreichen der Klimaschutzziele leisten.“
       
       ## Kritik auch von den Grünen
       
       Ähnlich sehen das die Grünen. Das innerstädtische „Transport System Bögl“
       sei noch in der Zulassungsphase, es gebe keine Referenzbauten „und auch
       keine validen Aussagen zu Kosten“, sagt Oda Hassepaß, die
       verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, zur taz. „Zum jetzigen
       Zeitpunkt auf dieses bisher nicht erprobte System setzen zu wollen und
       dafür auch noch Mittel aus dem Klima-Sondervermögen einzusetzen, wäre
       geradezu fahrlässig.“
       
       Aus Sicht von Hassepaß hebe die CDU mit dem „neuen windigen Vorschlag“
       jetzt endgültig ab. Stettner zeige „auf ferne Luftschlösser, um
       naheliegende Lösungen wie [4][den Ausbau der Tram oder der Radwege] zu
       verhindern“. Das, sagt Hassepaß, sei nur „damit zu erklären, dass stur auf
       Politik für Autos gesetzt wird, statt wie in anderen Metropolen, auf
       Hitzeschutz, Lebensqualität und Sicherheit“.
       
       Nun macht die CDU in regelmäßigen Abständen wilde Mobilitätsvorschläge, die
       meist darauf hinauslaufen, dass entweder unter der Straße oder weit über
       der Straße gebaut werden soll, der motorisierte Individualverkehr also
       idealerweise nicht tangiert wird.
       
       So hatte die CDU Spandau 2020 eine Seilbahn von Kladow quer über den
       Wannsee und damit mitten durch das Weltkulturerbe der preußischen
       Schlösserlandschaft gefordert. Von der Idee hat man seither nichts mehr
       gehört. Gleichwohl findet sich im Koalitionsvertrag mit der SPD das
       Vorhaben, die Erschließung von Quartieren mit Seilbahnen zu „prüfen“.
       
       ## Das vergessene Leuchtturmprojekt zum BER
       
       Auch die Vision einer Magnetschwebebahn ist schon etwas angegraut.
       Ebenfalls 2020 hatte die Landes-CDU in einem Verkehrskonzept erklärt, dafür
       sorgen zu wollen, „dass das umweltfreundliche und leise Verkehrssystem
       [5][bei Erweiterungen des ÖPNV-Netzes] zum Zuge kommt – beispielsweise bei
       der weiteren Erschließung des BER“. Von einem „Leuchtturm für Berlin“,
       hatte damals CDU-Chef Kai Wegner gesprochen.
       
       Tatsächlich war das Interesse an dem Leuchtturm gering. Zuletzt hatte
       selbst CDU-Verkehrssenatorin Manja Schreiner wiederbelebten Überlegungen
       für eine Schwebebahn zum Hauptstadtflughafen eine deutliche Absage erteilt.
       
       BUND-Geschäftsführer Tilmann Heuser geht davon aus, dass auch Stettners
       innenstädtische Magnetschwebebahnpläne alsbald in der Schublade
       verschwinden. Heuser sagt: „Das ist ja pure Zeitverschwendung, sich
       überhaupt damit zu beschäftigen.“
       
       20 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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   DIR [4] /Radwegeausbau-in-Berlin/!5967135
   DIR [5] /Berliner-Mobilitaet-ohne-Auto/!5694552
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Rainer Rutz
       
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