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       # taz.de -- Ein Femizid beschäftigt ganz Italien: Eine von über 100 in diesem Jahr
       
       > Ein Mann tötet seine Freundin in Norditalien. Ungewöhnlich viele Menschen
       > protestieren gegen Femizide und prangern die Rolle des Staates mit an.
       
   IMG Bild: Eine Demonstration zum Gedenken an Giulia Cecchetin, das 105. Femizid-Opfer in Italien
       
       Am Abend des 11. November ging Giulia Cecchettin aus, mit ihrem früheren
       Freund Filippo Turetta, mit dem sie trotz der Trennung im August weiter
       engen Kontakt hielt. Wenige Stunden später war die 22-Jährige tot,
       erstochen von Turetta.
       
       Es ist ein weiterer [1][Femizid], einer von bereits über 100 im Jahr 2023
       in Italien. Doch er erschütterte das Land in bisher unbekanntem Ausmaß.
       Eine Woche lang waren die beiden spurlos verschwunden, dann wurde die
       Leiche der jungen Frau in einem Alpental gefunden. Der Täter, der mit
       seinem Fiat Punto auf der Autobahn liegengeblieben war, wurde am Sonntag in
       Sachsen-Anhalt verhaftet.
       
       Schockierend für viele Italienerinnen und Italiener war wohl vor allem die
       augenscheinliche Normalität des Täters. Er und Giulia lebten nahe dem
       norditalienischen Padova, lernten sich dort an der Universität kennen,
       wurden schnell ein Paar. Doch im Februar trennte sich Giulia von Filippo,
       wegen dessen eifersuchtsbedingten Kontrollwahns. Die Hand gegen sie erhoben
       hatte er aber wohl nie.
       
       Auf den Femizid reagierte Italien wie nie zuvor: Am Montagabend
       versammelten sich Tausende in Giulias Heimatort zu einem Fackelzug, am
       gleichen Tag kamen etwa 2.000 Studierende in der Uni Padova zusammen, um
       nicht mit einer Schweige-, sondern mit einer „Lärmminute“ diesen und all
       die anderen Femizide anzuprangern.
       
       ## Männer im Allgemeinen im Zentrum der Debatte
       
       Zugleich gibt es eine breite öffentliche Diskussion über die Ursachen der
       Tat. Eine der wichtigsten Stimmen ist dabei die Schwester des Opfers. „Kein
       Monster“ sei der Täter, sagt sie. Sondern es gehe um Verhaltensmuster, die
       allzu selbstverständlich akzeptiert würden, um eine patriarchalische
       „Kultur der Vergewaltigung“. Und der Staat trage Mitschuld, weil er nichts
       dagegen unternehme.
       
       Damit hat sie eine Debatte losgetreten, in deren Fokus Männer insgesamt
       stehen. Die Linksopposition sieht die Schulen in der Pflicht, die endlich
       nicht nur [2][Sexual]-, sondern auch „Gefühlserziehung“ in den Lehrplan
       aufnehmen müssten. Als erste Reaktion verordnete das Unterrichtsministerium
       für den Dienstag eine Schweigeminute in allen Schulen des Landes.
       
       Ignazio La Russa, Präsident des Senats aus den Reihen der
       postfaschistischen Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin [3][Giorgia
       Meloni,] will jetzt eine Demonstration „nur von Männern“ gegen Femizide. Ob
       auch sein Sohn Leonardo mitläuft, gab er nicht bekannt – gegen den läuft in
       Mailand ein Ermittlungsverfahren wegen Vergewaltigung.
       
       22 Nov 2023
       
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