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       # taz.de -- Muslimisch-jüdische Unterrichtsbesuche: „Immer geht es auch um den Respekt“
       
       > Wie umgehen mit dem Nahost-Konflikt im Unterricht? Ein Rabbi und ein Imam
       > werben in Berliner Klassenzimmern für mehr Verständnis füreinander.
       
   IMG Bild: Imam Ender Cetin (2.v.r.) und Rabbiner Igor Itkin (r) im Gespräch mit Schüler*innen in Neukölln
       
       taz: Herr Dray, seit 2013 besuchen Sie als Rabbi im Rahmen des Projekts
       meet2respect zusammen mit einem Imam Schulklassen in Berlin, um über die
       verschiedenen Religionen und ihr Miteinander aufzuklären. Wie kann man sich
       so einen Besuch vorstellen? 
       
       Elias Dray: Zuerst fragen wir die Schüler, ob sie wissen, wer von uns zu
       welcher Religion gehört. Später spielen wir in den jüngeren Klassen ein
       Spiel: Jeder bekommt eine Karte mit religiösen Gegenständen drauf, dann
       soll eingeordnet werden, ob das Symbol zum Judentum, zum Islam oder zu
       beiden Religionen gehört. Bei älteren Schülern werden häufig
       gesellschaftliche Fragen diskutiert, zu denen sie Stellung nehmen sollen.
       Unsere Unterrichtsbesuche drehen sich natürlich um die Religionen und um
       ein Verständnis von ihren Werten. Aber immer geht es auch um den Respekt
       gegenüber verschiedenen Religionen, gegenüber Andersgläubigen und
       Andersdenkenden. Und darum, Themen aus verschiedenen Perspektiven zu
       betrachten, wie es eben ständig im Leben wichtig ist.
       
       Wie groß ist die Bereitschaft unter den Schüler*innen, sich solchen
       Unterrichtsbesuchen zu öffnen? 
       
       Teilweise kommt es vor, dass Schulen im Vorhinein nicht ankündigen, wer
       genau zu Besuch kommt – weil man befürchtet, manche Schüler würden dann
       nicht im Unterricht erscheinen. Aber am Ende freuen sich viele der Schüler,
       wenn auch der Islam mal Thema im Klassenzimmer ist.
       
       Wie gehen Sie dabei mit dem aktuellen Krieg zwischen Israel und der Hamas
       um? 
       
       Natürlich ist jetzt eine sehr [1][angespannte Situation], das muss man
       irgendwo auffangen. Die Schüler sollen lernen, dass der Angriff der Hamas
       auf Israel etwas absolut Unmenschliches, etwas ganz Schlimmes ist. Und dass
       es nicht einfach akzeptiert werden darf, sondern wir es verurteilen müssen.
       
       Wie wird auf etwaige Vorurteile reagiert? 
       
       Sagt ein Schüler zum Beispiel, er fände Juden unsympathisch, führt man ein
       Gespräch darüber. Der Imam erklärt dann etwa, dass er sehr viele jüdische
       Freunde hätte und der Islam ja selber vom Judentum abstammen würde, dass
       man respektvoll miteinander umgehen müsse und nie irgendwas verallgemeinern
       könne.
       
       Haben Sie das Gefühl, dass die Besuche etwas bei den Kindern und
       Jugendlichen bewirken? 
       
       Wir merken schon, dass es den Schülern gut tut, von anderen Perspektiven zu
       erfahren und selber angehört zu werden. Viele haben sonst keinen Raum
       dafür, über solche Themen zu sprechen. Aber auch für die Lehrer ist der
       [2][Umgang mit dem Krieg im Nahen Osten natürlich sehr schwierig]. Von
       einem Imam oder Rabbi eine Rückmeldung zu bekommen, wie man so ein Thema
       einordnen muss oder einordnen kann, hilft ihnen ebenfalls.
       
       Dann gibt es von den Schulen gerade eine hohe Nachfrage nach Ihren
       Besuchen? 
       
       Alle zehn Minuten, würde ich sagen, schreibt uns eine Schule an. Auch
       vorher waren wir ständig ausgebucht und konnten den Bedarf nicht decken,
       aber jetzt ist es noch schwieriger. Wir haben oft nur noch die Möglichkeit,
       auf [3][andere Träger] zu verweisen, aber auch die sind alle überlastet.
       
       In Berlin wird Ihr Projekt von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und
       Familie finanziert, in Brandenburg vom Ministerium für Bildung, Jugend und
       Sport. Ist geplant, angesichts der hohen Nachfrage das Budget auszuweiten? 
       
       Nein. Eigentlich wäre dringend nötig, dass unsere Gelder im neuen Berliner
       Haushalt erhöht werden. Wir haben mal selber nachgerechnet: Sieben Prozent
       der Schüler erreichen wir zur Zeit, das müssen viel mehr werden. Leute, die
       wir dafür einsetzen können, haben wir, aber im Moment gibt es keine
       Finanzzusagen seitens der Politik – das ist erschreckend. Dazu würden wir
       meet2respect gerne auch in anderen Bundesländern fortsetzen. Bisher war es
       aber nicht leicht, in den Ländern selber politische Unterstützung zu
       finden.
       
       meet2respect
       
       10 Nov 2023
       
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