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       # taz.de -- Wohnungslosigkeit in Deutschland: Eine halbe Million ohne Unterkunft
       
       > Einer Erhebung zufolge ist die Zahl der Menschen, die ohne Wohnung sind,
       > stark gestiegen. Besonders betroffen: Geflüchtete oder kinderreiche
       > Familien.
       
   IMG Bild: Keine Wohnung: Mehr Menschen landen auf der Straße
       
       Berlin taz/epd | Die Zahl der [1][wohnungslosen Menschen] in Deutschland
       ist 2022 deutlich gestiegen. Nach den jüngsten Hochrechnungen der
       Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW) lag sie im vorigen Jahr
       bei 607.000 gegenüber 383.000 im Jahr 2021. Rund 50.000 Menschen lebten
       danach ganz ohne Unterkunft als Obdachlose auf der Straße.
       
       Die starke Zunahme ist vor allem auf den Zuzug von Kriegsflüchtlingen aus
       der Ukraine zurückzuführen sowie auf die insgesamt steigende Zahl
       Geflüchteter im Land. Den Angaben der BAG W zufolge stieg die Zahl der
       Wohnungslosen unter den Deutschen um fünf Prozent und unter den
       Ausländerinnen und Ausländern um 118 Prozent. Der Hochrechnung für 2022
       zufolge hatten 196.000 Wohnungslose einen deutschen Pass, 411.000 waren
       Ausländerinnen und Ausländer.
       
       In den Jahren 2017 und 2018, nach der großen Zuwanderungsbewegung von 2015,
       waren die Zahlen noch höher. Der Anteil der Geflüchteten lag in diesen
       Jahren bei 417.000 von 651.000 Menschen beziehungsweise 441.000 von
       insgesamt 678.000 Menschen.
       
       BAGW-Geschäftsführerin Werena Rosenke sagte, zwar seien die meisten der
       rund eine Million Ukrainerinnen und Ukrainer – vorwiegend kamen Frauen und
       Kinder – [2][in Wohnungen untergekommen]. Doch befänden sich rund 130.000
       Ukrainer weiterhin in Gemeinschaftsunterkünften. Rund sechs Prozent der
       Wohnungslosen sind EU-Bürger, vorwiegend aus osteuropäischen Ländern.
       
       ## Hoher Anteil an Männern auf der Straße
       
       Wohnungslose mit deutschem Pass sind zu fast drei Vierteln alleinstehende
       Männer. Miet- und Energieschulden, Konflikte im Wohnumfeld oder eine
       Scheidung sind Hauptgründe für den Wohnungsverlust. Rosenke betonte, neben
       Alleinstehenden seien vor allem Alleinerziehende und kinderreiche Paare
       gefährdet.
       
       [3][Steigende Mieten und die Inflation belasteten arme Haushalte
       zusätzlich]: „Fehlender bezahlbarer Wohnraum bleibt der Hauptgrund für die
       Wohnungsnot in Deutschland“, sagte Rosenke und kritisierte falsche
       Schuldzuweisungen: „Zu sagen, wenn es die Zuwanderung nicht gäbe, gäbe es
       auch keine Obdachlosigkeit, treibt einen weiteren Keil in die
       Gesellschaft.“
       
       Rosenke wies auch auf die anhaltende Gewalt gegen Obdachlose hin. Die
       Fallzahlen schwankten zwar von Jahr zu Jahr, gingen aber nicht zurück,
       erklärte sie. Seit 1989 hat die BAGW 626 Fälle dokumentiert, in denen
       Wohnungslose gewaltvoll zu Tode kamen. Im gleichen Zeitraum habe es zudem
       mindestens 2.350 Fälle schwerer Körperverletzung gegeben. Die Dunkelziffer
       sei aber vermutlich viel höher, sagte Rosenke. Die BAG W erfasse die
       Gewalttaten allein durch Medienbeobachtung, etwa aus Berichten in den
       Lokalzeitungen.
       
       Die Hochrechnungen der BAG W weichen von den Zahlen des Statistischen
       Bundesamts ab. Die Unterschiede zu den seit 2022 erfolgenden jährlichen
       Erhebungen des Bundesamts ergeben sich daraus, dass es statistisch nur die
       staatlich untergebrachten Wohnungslosen ermittelt. Die BAG W bezieht nach
       eigenen Angaben auch Menschen ohne Wohnung ein, die vorübergehend bei
       Freunden oder Bekannten unterkommen und jene, die auf der Straße leben.
       
       Die Hochrechnungen erfolgen auf Basis der schon seit Jahren erhobenen
       Wohnungslosen-Zahlen in Nordrhein-Westfalen und beziehen sich auf das
       gesamte jeweilige Jahr. Zusätzlich gibt die BAG W auch Wohnungslosen-Zahlen
       zu einem Stichtag Mitte des Jahres an. Demgegenüber misst das Statistische
       Bundesamt die Wohnungslosigkeit seit 2022 zum Stichtag 31. Januar. Es gab
       die Zahl der Wohnungslosen zum Stichtag 31. Januar 2023 mit 372.000 an.
       
       8 Nov 2023
       
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