# taz.de -- Podcast „Häuserkampf“: Kampf um die Platte
> Der neue Podcast „Häuserkampf“ erklärt die deutsche Wohnraumkrise anhand
> einer Hausbesetzung in Berlin. Es ist ein wohnungspolitischer Krimi.
IMG Bild: Aktivist:innen der Initiative „Leerstand Hab-Ich-Saath“ vor der Habersaathstraße
Wären Sie bereit, ohne Warmwasser und Heizung auszuharren, um einen
Plattenbau aus dem Jahr 1984 zu retten? Im neuen Doku-Podcast „Häuserkampf
– eine Platte will bleiben“ kommen Menschen zu Wort, die diese Fragen klar
bejahen.
Es ist eine unscheinbare, blassgelbe DDR-Platte, für die unterschiedliche
Akteur:innen diese Aktion auf sich nehmen: [1][Die Habersaathstraße in
Berlin-Mitte]. Der Straßenname steht für den Plattenbau mit der Hausnummer
40–48 – und den Kampf um bezahlbaren Wohnraum, der hier seit Jahren
ausgefochten wird. Dieser wird [2][mit einer bemerkenswert breiten Front
geführt]. Eine Initiative aus Obdachlosen und Aktivist:innen besetzte
die Platte bereits zweimal, Mieter:innen blieben, und auch der Bezirk
Berlin Mitte setzte sich für den Erhalt ein.
Warum Menschen für dieses Haus solche Strapazen in Kauf nehmen, erfahren
Hörer:innen in „Häuserkampf“. Produziert wurde der Podcast von
Audiokombinat, einem Kollektiv aus sieben Journalist:innen. Zwei von ihnen,
Johanna Tirnthal und Jürg Meister, haben mit der taz über ihr Projekt
gesprochen. In der Habersaathstraße gibt es 105 Wohnungen, für die die
Kaltmiete 6 Euro pro Quadratmeter beträgt. Doch das Haus steht fast
leer, [3][der Eigentümer Arcardia Estates GmbH möchte abreißen] und neu
bauen. Sieben Mieter:innen stellen sich dagegen, woraus sich ein wahrer
Krimi der Wohnungspolitik entspinnt.
Längst geht es beim Kampf um die Habersaathstraße nicht mehr nur um die 105
Wohnungen. Denn am Streit darum, ob die DDR-Platte schützenswerter Wohnraum
ist, entscheiden sich Maßstäbe, die berlinweit gelten. Sind die Standards
aus den 80ern nicht mehr ausreichend, dürfte massig abgerissen werden. „Das
betrifft Platten, aber auch den beliebten Altbau“, erklärt Jürg Meister. Im
Podcast heißt es, eine solche Entscheidung könne fast die halbe Stadt
betreffen.
## Auch Baukrise beleuchtet
Trotz der lokalen Brisanz ist „Häuserkampf“ kein Podcast ausschließlich für
Berliner:innen. „Diese Dynamiken gibt es in fast allen deutschen
Großstädten“, erklärt Meister. Seine Kollegin Johanna Tirnthal ergänzt:
„Wir beleuchten auch die Baukrise. Das ist ein deutschlandweites Thema.
Genauso wie die Folgen von Abriss und Neubau für das Klima.“ Der Podcast
thematisiert auch das Recht auf Eigentum und Vergesellschaftung und zeigt
den rechtlichen wie wirtschaftlichen Rahmen auf, in dem Spekulation mit
Immobilien erfolgt. Kurzum: Es geht um die Hintergründe der Wohnungsnot.
Wie aktuell das ist, zeigten erst neulich Hochrechnungen der
Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe. Die Zahl der wohnungslosen
Menschen in Deutschland ist 2022 deutlich gestiegen, auf 607.000 gegenüber
383.000 im Jahr 2021. Warum [4][bezahlbarer Wohnraum so selten ist], wird
in „Häuserkampf“ in präzisen Einordnungen gut greifbar. Expert:innen
zeigen unterschiedliche Perspektiven – zum Beispiel aus Architektur oder
Recht – auf die Wohnungskrise auf. Und auch die Eigentümer der
Habersaathstraße kommen zu Wort.
## Weitere Podcasts zur Wohnungsfrage
Gleichzeitig wird deutlich, welche Gesetze Mieter:innen beim Kampf um
bezahlbaren Wohnraum schützen. Für Meister und Tirnthal ist die
Habersaathstraße deshalb auch Hoffnungssymbol. An diesem Beispiel
schlüsselt der Podcast die Komplexität der Wohnungskrise ein Stück weit
auf. In den ersten drei Folgen, die die taz vorab bekommen hat, gelingt und
unterhält das gut – auch weil unterschiedliche Stimmen und musikalische
Einspieler zu einem kurzweiligen Hörerlebnis beitragen.
Wer ins [5][komplexe Thema der Wohnungspolitik] tiefer einsteigen möchte,
kann noch auf andere Podcasts zurückgreifen. „Schöner Wohnen – Zur
Wohnungsfrage“ zum Beispiel erklärt unterschiedliche Facetten der
Wohnungspolitik aus einer linken Perspektive und bemüht sich stellenweise,
über Berlin hinauszublicken. Auch „Teurer Wohnen“ ist ein preisgekröntes
Podcast-Format, das im Reportagestil die Funktionsweisen des
Immobilienmarkts beleuchtet, mit Fokus auf Wertsteigerung und die Rolle von
Steueroasen. Auch hier steht – abgesehen von Exkursen nach Ulm und Zypern –
die Hauptstadt im Zentrum des Storytellings.
Zur Habersaathstraße werden in Berlin übrigens gerade Räumungsprozesse
geführt. „Wir verfolgen das mit“, erzählt Johanna Tirnthal. Wenn Mitte
Dezember die letzten beiden Folgen erscheinen, soll ein Teil der Urteile
bereits feststehen. Die Macher:innen wollen ihre Podcast-Hörer:innen
dann auf den neusten Stand bringen.
27 Nov 2023
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## AUTOREN
DIR Elisa Pfleger
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