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       # taz.de -- Disney-Animationsfilm „Wish“ im Kino: Ein Wunsch frei
       
       > Disney macht sich mit dem Animationsfilm „Wish“ ein Geschenk zum 100.
       > Geburtstag. Darin gibt es viele Zitate aus den eigenen
       > Zeichentrickklassikern.
       
   IMG Bild: In „Wish“ singt die Hauptfigur Asha auch schon mal einen Stern an
       
       Ein Animationsfilm darf ein bisschen hanebüchen sein; der Wille zum Unsinn
       gehört sogar dazu. In der „Monster AG“ (2001) beschäftigten sich die zwei
       Hauptfiguren damit, Kinder im Schlaf zu erschrecken, damit aus ihren
       Schreien Energie gewonnen werden konnte. In [1][„Alles steht Kopf“ (2015)]
       wird menschliches Vergessen als Aufräumaktion einer staubsaugerbewehrten
       Putzkolonne illustriert.
       
       Und das Schöne an Märchenverfilmungen wie „Schneewittchen und die sieben
       Zwerge“ (1937) war immer schon, dass sie es mit der Vorlage nicht so genau
       nahmen, und stattdessen aus vormals bedrohlichen Zwergen ausdrucksstarke
       Charaktere machten, die Dopey und Sleepy heißen und die hinterher jedes
       Kind als Spielfigur haben wollte.
       
       Es ist also nicht das Moment des Unrealistischen, dass die Prämisse von
       „Wish“ so wenig überzeugend macht. Ein Zauberer gründet ein Königreich, in
       das er alle Wünschenden einlädt, mit dem Versprechen, ihnen ihre Wünsche
       abzunehmen und wegzusperren. Nur ein Mal im Monat will er einen davon
       erfüllen. Warum ist Asha, die zentrale Heldin dieses Films, davon
       überrascht, dass ihr eigener Großvater, der mit 18 Jahren ins Königreich
       kam, nun bereits seinen 100. Geburtstag feiert, ohne seinen Wunsch je
       wieder gesehen zu haben?
       
       Wie gesagt, es wäre zu viel verlangt, von einer Disney-Prinzessinnenfigur
       so was wie Wahrscheinlichkeitsrechnung zu erwarten. Grundzüge einer
       plausiblen Motivation und Figurenzeichnung aber schon.
       
       Immerhin ist sie sympathisch, diese Asha. Nach inzwischen etablierter
       Tradition ist ihr Äußeres am Vorbild ihrer Originalsprecherin angelehnt,
       dem Oscar-prämierten Broadway-Star Ariana DeBose. Sie strahlt mit
       Langhaar-Braids und coolen Sprüchen allerdings mehr urbane Modernität aus,
       als es die irgendwie an „1001-Nacht“-Exotismus anschließende Umgebung des
       „Wish“-Königreichs verträgt. Dennoch geht man erst mal bereitwillig mit ihr
       mit, wenn sie zum Vorstellungsgespräch beim König eilt, der als Zauberer
       jedes Jahr einen neuen Lehrling bei sich aufnimmt.
       
       ## Ein gutgelauntes Kugelwesen
       
       Auch Magnifico, der König hat ein paar markante Züge mit seinem Sprecher
       Chris Pine gemeinsam – die Augenbrauen! – und verspricht zuerst ein
       fesselnder Antagonist zu werden. Er kommt daher als geschickter Blender,
       dessen Fassade im Gespräch mit Asha aber allzu schnell Risse bekommt. Er
       gibt zu, dass er gar nicht vorhat, Wünsche wie den ihres Großvaters zu
       erfüllen, weil er ihn für gefährlich hält. Fortbestand des Reichs,
       Machtsicherung und so.
       
       Asha kann das nicht nachvollziehen, bekommt den Job als Zauberlehrling
       nicht und singt erst mal enttäuscht einen Stern an. Der bequemt sich in
       Form eines zwar stummen, aber gutgelaunten Kugelwesens prompt zu ihr herab
       und inspiriert mit allerlei Streichen zur Revolte gegen Magnifico. In
       mehreren Anläufen bringt Asha diese dann auf den Weg. Liegt es an den
       völlig uninspirierenden und monoton klingenden Songs, dass man so gut wie
       gar nicht mitfiebern will, mit ihr und ihren sträflich zu kurz kommenden
       Mitstreitern?
       
       Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Film „Wish“ noch eine ganz
       andere Funktion hat. Mit ihm soll der [2][100. Geburtstag der „Walt Disney
       Company“] begangen werden. Man hatte es sich so schön vorgestellt: ein
       Animationsfilm in der besten Tradition des Hauses, mit den erfolgreichsten
       Elementen von gestern und heute, der gleichzeitig den wechselnden
       Animationstechniken die Ehre erweist. Man findet dieses Konzept nur leider
       allzu deutlich in der Filmgestaltung wieder. Während die Hintergründe mit
       der alten „Watercolor“-Methode gemalt wurden, sind die Figuren im
       Vordergrund computeranimiert.
       
       ## Nostalgie nach den früheren Filmen
       
       Das Ergebnis aber sieht nicht nach Hommage, sondern wie schlecht recycelt
       aus. Der Eindruck der wenig nachhaltigen Wiederverwertung wird noch
       verstärkt dadurch, dass es von sogenannten Easter eggs, von direkten
       Anspielungen an frühere Disney-Filme, nur so wimmelt. Da tanzen und lächeln
       die Blümchen als Chor wie in „Alice im Wunderland“, bewegen sich Sterne als
       Wolken wie in „Bambi“ und erinnert der dunkle Wald an „Pocahontas“.
       
       Das alles könnte auch witzig sein, doch entgegen dem Willen der Macher
       weckt jedes dieser „Ostereier“ nur die Nostalgie nach den früheren Filmen,
       ohne deren Zauber wiederholen zu können.
       
       Umso bedauerlicher ist das Scheitern, weil „Wish“ neben dem selbstbewussten
       Mädchen im Zentrum auf wunderbar selbstverständliche Weise weitere „woke“
       Elemente enthält, wie sein ethnisch diverses Ensemble und einen Plot, der
       die Anlage enthält, sich auf positive und empathische Weise auf die
       Erfahrung von Flüchtenden zu beziehen. So kann man am Ende dem Wortspiel
       nicht widerstehen und sich nur wünschen, es wäre ein besserer Film.
       
       25 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Barbara Schweizerhof
       
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