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       # taz.de -- Sexarbeit in Berlin: Bespuckt, besprayt und angegriffen
       
       > Für viele Sexarbeiter:innen ist Gewalt durch Passant:innen ein
       > alltägliches Problem. Die Polizei soll Notrufe teils nicht ernst nehmen.
       
   IMG Bild: Der Straßenstrich in der Kurfürstenstraße in Berlin
       
       BERLIN taz | Gewalt gegen Prostituierte – aber nicht durch Freier, sondern
       durch Anwohner:innen und Passant:innen, wird laut Sexarbeiter:innen,
       Sozialarbeiter:innen und Unterstützungsvereinen zu einem immer
       größeren Problem. „2020 erlebten wir einen starken Anstieg von Gewalt gegen
       Sexarbeiter:innen“, erklärte Casper Tate, Mitglied von Trans*Sexworks,
       einer Unterstützungsgruppe für transgender, inter- oder non-binary
       Prostituierte.
       
       Anfang November hat die Organisation [1][mit „Respekt im Kiez!“] in der
       Lützow-Villa in Mitte die erste von drei Veranstaltungen abgehalten, mit
       denen sie auf [2][Gewalt gegen Prostituierte durch Passant:innen]
       aufmerksam machen wollen. Verschiedene Sozialarbeiter:innen
       bestätigten die Relevanz dieses Problems: „Ich kenne viele, die sich gar
       nicht mehr trauen, arbeiten zu gehen“, erklärt eine Vertreterin von Subway,
       einem Hilfsprojekt für männliche Prostituierte.
       
       Grund für den Anstieg von Gewalt, so Tate gegenüber der taz, seien wohl die
       [3][Folgen der Pandemie] gewesen: „Wir haben das Gefühl, viele Leute haben
       ihre Frustration an den Menschen am Straßenstrich ausgelassen.“
       Sexarbeiter:innen würden bespuckt und mit Pfefferspray angegriffen
       werden, es käme zu Wurfattacken mit rohen Eiern und Glasflaschen. Manchmal
       würden Autos so knapp an Sexarbeiter:innen vorbeifahren, dass diese
       zur Seite springen müssten, um nicht verletzt zu werden.
       
       „Zwei-, dreimal habe ich die Polizei gerufen, aber die macht nichts“, sagt
       Asiye, die ihren Nachnamen nicht nennen will. Sie arbeitet seit 17 Jahren
       auf dem Berliner Straßenstrich. Während der Veranstaltung in der Villa
       Lützow spricht sie über ihre Erfahrungen mit Anfeindungen und die Reaktion
       der Polizei.
       
       Einmal, erzählt sie, hätten Beamte nach einem Notruf wegen eines
       gewalttätigen Vorfalls zwar angekündigt zu kommen – eingetroffen seien sie
       aber nicht. Ayse, ebenfalls als Berliner Sexarbeiterin zu Gast bei „Respekt
       im Kiez!“, fügt hinzu: „Viele Polizist:innen denken, es wäre bei uns
       nicht nötig herzukommen. Sie machen sich lustig über uns.“
       
       ## Beamt:innen aus anderen Bezirken
       
       Solche Vorfälle sind auch Tate bekannt. Konfrontiert mit den Vorwürfen der
       Sexarbeiter:innen, hätte die Berliner Polizei Tate zufolge mit einem
       fehlenden Bewusstsein der eingesetzten Beamt:innen argumentiert. Häufig
       würden diese aus Bezirken hinzugezogen werden, in denen Prostitution
       weniger verbreitet sei, eine Sensibilisierung gegenüber
       Sexarbeiter:innen also fehlte. Auf Nachfragen konnte die Polizei
       Berlin der taz keine Antworten geben.
       
       Die Stadtteile Mitte und Schöneberg gelten als [4][Schwerpunkte der
       Prostitution]. Insbesondere entlang der Kurfürstenstraße, die die Grenze
       zwischen beiden Bezirken markiert, prägen Sexarbeiter:innen das
       nächtliche Straßenbild. Dabei würden sich laut der Bezirksbürgermeisterin
       von Mitte, Stefanie Remlinger (Grüne), die Verhältnisse in den Bezirken
       derzeit verändern: „Die Prostitution hat sich mehr nach Schöneberg
       verlagert“, sagt sie der taz.
       
       Diese Einschätzung teilt auch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg, die in
       der Bülow-, Kurfürsten- und der Frobenstraße eine Zunahme an Sexarbeit
       beobachten konnte. „Um den verschärften Problemlagen zu begegnen“, so das
       Bezirksamt, wolle es die sozialen Angebote vor Ort ausbauen – etwa die
       Straßensozialarbeit, die Kältehilfe oder den [5][Frauentreff Olga]. Auch
       die Einrichtung von Notrufsäulen befürworte der Bezirk Tempelhof-Schöneberg
       – eine Maßnahme, die auch Trans*Sexworks fordert.
       
       „Es gibt den Wunsch nach mehr zivilen Polizist:innen und
       Milieubeauftragten, die bei Gewalt einschreiten“, berichtet Tate außerdem.
       Wichtigste Forderungen seien neben der Stärkung von Gewaltprävention die
       Einrichtung sauberer und [6][sicherer Arbeitsorte, etwa in Form sogenannter
       Verrichtungsboxen]. Von diesen kleinen Holzkabinen mit Plumpsklo-Flair
       stehen bereits erste Exemplare an der Kurfürstenstraße.
       
       Aufgestellt und gereinigt werden sie vom Bezirksamt Mitte, dennoch erklärt
       Bürgermeisterin Remlinger gegenüber der taz: „Verrichtungsboxen zur
       Verfügung zu stellen ist keine staatliche Aufgabe, und uns als Bezirk
       fehlen dafür auch die Mittel.“ Auch das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg
       hält die Aufstellung von Verrichtungsboxen nicht für umsetzbar.
       
       26 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.instagram.com/p/CzJ6RSPsE2c/?img_index=1
   DIR [2] /Diskriminierung-von-Sexarbeiterinnen/!5899377
   DIR [3] /Sexarbeit-und-Coronakrise/!5693491
   DIR [4] /Strassenprostitution-in-Berlin/!5786219
   DIR [5] https://drogennotdienst.de/nur-fuer-frauen/frauentreff-olga/
   DIR [6] /Strassenprostitution-in-Berlin/!5634823
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Clara Heuermann
       
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