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       # taz.de -- Streit um Migrationspolitik: Zugeständnisse der grünen Spitze
       
       > Auf dem Parteitag stritten die Grünen um Migrationspolitik. Die Einigung
       > soll den Spagat schaffen: Zwischen Menschenrechten und Verschärfungen.
       
   IMG Bild: 25.11.2023, Karlsruhe: Delegierte demonstrieren beim Bundesparteitag der Grünen für Asyl und Migration
       
       Karlsruhe taz | Bleich steht Erik Marquardt [1][am späten Samstagabend auf
       der Bühne in der Karlsruher Messehalle]. Tag und Nacht hat er über
       Formulierungen im Beschlusspapier verhandelt, noch bis kurz vor der Debatte
       zu Migrations- und Asylpolitik. Marquardt, Europaabgeordneter und
       Flüchtlingsexperte der Grünen, gehörte der Antragskommission des
       Bundesparteitags an, er war für den Antrag des Bundesvorstands zu Flucht
       und Migration zuständig. Ein großer Teil der Delegierten war damit nicht
       zufrieden, es gab 130 Änderungsanträge.
       
       Bis in letzter Minute wurde versucht, möglichst viele davon zu einen. Der
       Bundesvorstand sei den Kritiker*innen dabei mitunter deutlich
       entgegengekommen, hört man. Offenbar war die Sorge groß, die Abstimmungen
       zu verlieren. Marquardt spricht von „spannenden und sinnvollen
       Ergänzungen“. Was genau am Ende beschlossen wurde, ging in Karlsruhe
       allerdings unter, weil vor allem e[2][in Antrag der Grünen Jugend im Fokus
       stand], der am Ende deutlich scheiterte. Knapp unterlag der Vorstoß, den
       Titel zu verändern. Aus „Humanität und Ordnung“ sollte „Humanität und
       Menschenrechte“ werden.
       
       Zahlreiche andere Änderungsanträge der Kritiker*innen aber wurden ganz
       oder in veränderter Form übernommen, inzwischen liegt der Beschluss vor.
       Einige von ihnen hat Julian Pahlke, heute Bundestagsabgeordneter, früher
       Seenotretter, eingebracht. „Mit dem Beschluss bin ich jetzt sehr
       zufrieden“, sagte er der taz.
       
       ## Spagat zwischen harten Maßnahmen und Menschlichkeit
       
       Unter dem Titel [3][„Humanität und Ordnung:] für eine anpackende,
       pragmatische und menschenrechtsbasierte Asyl- und Migrationspolitik“
       versucht das Papier weiterhin einen Spagat: Es betont die Menschenrechte
       und das Streben nach einer humanitären Geflüchtetenpolitik – und bekennt
       sich auch zu restriktiven Maßnahmen. Rausgefallen aus dem Papier ist nun
       etwa ein Satz, der besagte, dass die Flüchtlingszahlen runter müssen, wenn
       die Kapazitäten erschöpft sind.
       
       Kritiker*innen waren der Ansicht, damit werde der rechte Diskurs
       bedient. Hinzugekommen sind ein klares Bekenntnis zur Seenotrettung, eine
       Ablehnung des Konzepts der sicheren Herkunftsstaaten und von Abschiebungen
       von Jesid*innen in den Irak. Ebenso die Forderung nach einer engen
       parlamentarischen Kontrolle der europäischen Grenzschutzagentur Frontex auf
       europäischer und nationaler Ebene.
       
       Thematisiert werden auch die Verhandlungen zur Reform des Gemeinsamen
       Europäischen Asylsystems, kurz GEAS. Dazu heißt es jetzt: „Grenzverfahren
       dürfen nicht dazu führen, dass weiter Haftlager wie Moria an den
       Außengrenzen entstehen, die die Würde und die Rechte von Schutzsuchenden
       verletzten.“ Viele befürchten genau das, wenn sich die Reform durchsetzt.
       
       Auch sagen die Grünen zu, auf allen Ebenen für Verbesserungen bei [4][der
       GEAS-Reform] kämpfen. Das Ergebnis soll gemeinsam bewertet werden. „Unsere
       jeweiligen Positionierungen zu den einzelnen Rechtsakten werden wir davon
       abhängig machen, ob unter dem Strich (…) Verbesserungen stehen.“
       
       Kritiker*innen meinen, damit könne am Ende auch ein Nein stehen, auch
       wenn das wohl eher unrealistisch ist. „Die Bundespartei hat sich dafür
       ausgesprochen, die Rechte von Geflüchteten zu unterstützen“, sagt Pahlke.
       „Das ist gerade jetzt wichtig, wenn Konservative das Grundrecht auf Asyl
       angreifen und mit völkerrechtswidrigen Ideen um sich werfen.“
       
       27 Nov 2023
       
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