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       # taz.de -- Steinmeier und Bas in Israel: Feuerpause und Kriegsziele
       
       > Die internationale Unterstützung für Israel schwindet. Bundespräsident
       > Steinmeier sicherte dem Land bei seinem Besuch die deutsche Solidarität
       > zu.
       
   IMG Bild: Was vom Angriff übrig blieb: Steinmeier und Amtskollege Herzog im Kibbuz Beeri
       
       Es waren angespannte Stunden, in denen Bundespräsident Frank-Walter
       Steinmeier und Bundestagspräsidentin Bärbel Bas am Montag die Anfang
       Oktober überfallenen Kibbuz-Siedlungen an der Grenze zum Gazastreifen
       besuchten. Solange rund 180 Geiseln noch nicht befreit seien, „kann Israel
       nicht aufhören, sich zu wehren“, sagte Bas am Montag in Kfar Asa angesichts
       der laufenden Verhandlungen über eine Ausdehnung der Waffenruhe.
       
       Doch die zunehmende Kritik großer Teile der internationalen Gemeinschaft
       und der Wunsch vieler Israelis nach weiteren Freilassungen von Geiseln
       stellen Israel vor eine schwierige Entscheidung. Sein Kriegsziel, die Hamas
       zu zerstören, hat das Land noch lange nicht erreicht.
       
       Steinmeier erklärte mit Blick auf eine mögliche Fortsetzung des Krieges bei
       einem Treffen mit seinem Amtskollegen Jizchak Herzog am Sonntag: Die
       Solidarität Deutschlands gelte „nicht nur mit dem Israel als Opfer des
       Terrors“, sondern auch „mit dem Israel, das sich wehrt“. Herzog selbst
       betonte erneut: „Wir haben den Krieg nicht begonnen und nicht gewollt, aber
       wir werden ihn gewinnen. Von der Hamas darf keine Bedrohung für Israelis
       und Juden mehr ausgehen.“
       
       Etwa 250.000 Israels mussten wegen des Krieges ihre Wohnorte entlang der
       Grenzen zu Gaza und zum Libanon verlassen. Viele wollen erst zurückkehren,
       wenn sichergestellt ist, dass sich ein Angriff wie der der Hamas am 7.
       Oktober nicht wiederholen kann. Nicht wenige Israelis hegen nun ähnliche
       Ängste mit Blick auf die libanesische Hisbollah im Norden. Die vom Iran
       unterstützte Miliz steht der Hamas ideologisch nahe, ist ihr jedoch
       zahlenmäßig und was ihre Ausrüstung angeht weit überlegen.
       
       ## Selbst Geisel-Angehörige für Krieg
       
       Ein Waffenstillstand käme für Israel zum jetzigen Zeitpunkt einer
       Niederlage gleich. Selbst die Angehörigen der Geiseln betonten in einer
       Pressemitteilung: Die Regierung müsse ihre Kriegsziele einhalten, alle
       Entführten nach Hause bringen und „die Bedrohung durch die Hamas
       neutralisieren“.
       
       Den Krieg fortzusetzen wie vor der Feuerpause, dürfte Israel international
       jedoch viel kosten. Zwar könnte ein Vorgehen mit Bodentruppen bei künftigen
       Offensiven zu weniger zivilen Opfern führen als die massiven Luftangriffe
       zuvor. Dafür ist jedoch die Ausgangslage heute eher noch schwieriger
       geworden.
       
       Seit Beginn der Feuerpause gelangen nun Hunderte Lastwagen mit
       Lebensmitteln, Decken, Zelten, Trinkwasser und Medikamenten in den
       Gazastreifen. Die Lieferungen decken laut der UN-Nothilfeorganisation OCHA
       aber nur einen minimalen Bedarf. Nach UN-Berichten sollen Menschen
       inzwischen Türen und Fensterrahmen anzünden, damit sie kochen können.
       
       Steinmeier betonte vor diesem Hintergrund: Es sei notwendig, die Zivilisten
       in Gaza zu schonen und sie mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. „Das
       verlangt das humanitäre Völkerrecht.“ Staatspräsident Herzog weiß um die
       schwindende internationale Unterstützung für eine Fortsetzung des Krieges
       und dankte Steinmeier und der Bundesregierung für die „klare Haltung“ zum
       Recht Israels, sich zu verteidigen. Er kritisierte andere EU-Länder, die
       gegenüber Israel eine „doppelte Moral“ und „Heuchelei“ zeigten.
       
       ## Alle wollen die Kampfpause
       
       Gemeint sein dürften vor allem die Regierungschefs von Spanien und Belgien.
       Pedro Sánchez und Alexander De Croo hatten am Freitag, als Millionen
       Israelis vor den Fernsehbildschirmen auf den Grenzübergang Rafah blickten
       und auf die Rückkehr der ersten Geiseln nach 49 Tagen Gefangenschaft
       warteten, eine Pressekonferenz dort gegeben und Israel Kriegsverbrechen
       vorgeworfen.
       
       In Barcelona trafen sich am Montag 27 Außenminister von 43 Mitgliedstaaten
       der Mittelmeerunion. Israel hatte seine Teilnahme abgesagt.
       
       Zumindest mit Blick auf die kommenden Tage herrscht international
       Einigkeit: Die Kampfpause soll verlängert werden. Auch Israel hat dafür
       Bereitschaft signalisiert. Am Montag Abend meldeten katarische Quellen,
       dass die Waffenruhe um zwei Tage verlängert werden solle.
       
       Neue Forderungen der Hamas nach einem Ende israelischer Razzien im
       Westjordanland sowie Streitigkeiten über die Listen der Freizulassenden
       hatten die Gespräche zwischenzeitlich erschwert. Doch solange die Hamas
       weiterhin Bereitschaft signalisiert, weitere Geiseln freizulassen, dürfte
       eine Wiederaufnahme der Kämpfe auch in der israelischen Gesellschaft auf
       Widerstand stoßen.
       
       27 Nov 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Felix Wellisch
       
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