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       # taz.de -- Baustoffexperte über Pelletheizungen: „Wir müssen das Holz klüger nutzen“
       
       > Die Bundesregierung fördert Pelletheizungen und möchte zeitgleich den
       > Holzbau ankurbeln. Das ist ein Widerspruch, sagt Baustoffexperte Frank
       > Herrmann.
       
   IMG Bild: Frisches Holz soll erst werkstofflich genutzt werden. Danach kann es als Altholz wiederverwendet werden
       
       taz: Herr Herrmann, das Wärmeplanungsgesetz der Bundesregierung sieht vor,
       dass Kommunen Holzkraftwerke nutzen können, um ihre Bürger mit
       klimafreundlicher Energie zu versorgen. Ist das eine gute Idee? 
       
       Frank Herrmann: Nein, ist es nicht. Die Bundesregierung rückt die
       großflächige Holzverbrennung in den Fokus, sie soll bei der Reduktion von
       Treibhausgasen eine große Rolle spielen. Damit springt sie zu kurz. Die
       Verbrennung ist der letzte Verwertungsschritt von Holz, danach ist es ein
       für alle Mal weg. Das spricht gegen alle Konzepte, Bauen mit Holz zu
       fördern und so schwere mineralische Baumaterialien wie Beton oder Stahl zu
       ersetzen. [1][Initiativen für mehr Holzbau hier], Förderung von
       Holzpelletheizungen da – das ist ein Widerspruch in sich.
       
       Die Bioenergie-Branche wirbt damit, die Verbrennung von Holz sei
       klimaneutral … 
       
       … das stimmt aber so pauschal nicht, dazu gibt es zahlreiche Studien. Es
       lässt sich auch einfach erklären: Wenn Sie Frischholz aus dem Wald
       verbrennen, setzen Sie das im Baum gespeicherte CO2 frei, plus der Mengen,
       die durch die Ernte, den Transport und die Weiterverarbeitung freigesetzt
       werden. Außerdem speichert auch der Waldboden CO2 – solange Sie ihn nicht
       roden. Darum schreibt die EU ja richtigerweise auch eine Kaskadennutzung
       vor: Frisches Holz aus dem Wald soll erst werkstofflich genutzt werden, für
       Möbel oder den Bau. Danach kann es als Altholz meistens wiederverwendet
       werden – aus Sperrholz machen wir als Beispiel dann wieder Spanplatten für
       neue Küchen. Und erst dann, am Ende seiner Lebensdauer, sollte das
       Holzprodukt verbrannt werden. Wir müssen das Holz besser, effektiver und
       klüger nutzen, das wir haben.
       
       Weil es uns langfristig ausgehen könnte, angesichts von Klima- und
       Artenkrise? 
       
       [2][Der deutsche Wald ist zum einen stark angegriffen], durch Hitze,
       Trockenheit und Insektenfraß. Zum anderen ist da der Green Deal der
       Europäischen Union: Sie sagt, der Wald soll auch als CO2-Senke dienen und
       die Artenvielfalt schützen. Das Mittel dazu sind Flächenstilllegungen und
       Nutzungseinschränkungen. So gehen immense Waldwirtschaftsflächen verloren.
       Wir sehen das mit großer Sorge. Denn unter dem Strich heißt das: Die
       Versorgung unserer Werke ist mittelfristig nicht sichergestellt.
       
       Sie fertigen Span- und Faserplatten für den Bau, für Möbel oder den
       Innenausbau. Setzen Sie dafür Recyclingholz ein? 
       
       Unsere Produkte bestehen insgesamt zur Hälfte aus Recyclingholz – einige zu
       100 Prozent, andere haben geringere Anteile. Das Frischholz stammt zu 35
       Prozent aus Resten, die im Sägewerk entstehen, 15 Prozent sind sogenanntes
       Durchforstungsholz, also Bäume im Wald, die sich gegenseitig beim Wachstum
       behindern und noch zu klein für hochwertige Bretter sind, beschädigtes
       Käferholz und so weiter. Dieses Holz, das nicht mehr hochwertig genutzt
       werden kann, wird zu Chips verarbeitet und kommt als wertvoller Rohstoff
       dann zu uns.
       
       Kann man aus lackiertem oder behandeltem Holz Möbel bauen? Was machen Sie
       mit Schadstoffen? 
       
       Sperrmüll wird in Wertstoffhöfen nach Klassen sortiert, ganz grob von A1
       bis A4. Altholz der Klasse A1 sind zum Beispiel Verpackungspaletten. Die
       können Sie sofort bedenkenlos weiterverarbeiten. Alte Küchen gehören in der
       Regel zur Klasse A2. Sie finden wir auch toll, denn sie bestehen zu 95
       Prozent aus Spanplatten. Die mahlen wir, sortieren die Partikel, zum
       Beispiel mit Infrarot und Röntgenstrahlen, und können so die Lackpartikel
       oder Beschichtungen rausfiltern. Altholz der Klasse A4 hingegen sind etwa
       alte Bahnschwellen, typischerweise mit Schweröl imprägniert, die können
       nur in bestimmten Anlagen verbrannt werden. Für Sperrmüll gibt es einen
       funktionierenden Markt.
       
       Und den bringt die Klimagesetzgebung jetzt durcheinander? 
       
       [3][Wir stehen schon immer im Wettbewerb mit anderen Holzverarbeitern, das
       ist normal]. Aber inzwischen konkurrieren wir auch mit Unternehmen und
       Energieversorgern, die politisch gefördert ihre Kraftwerke auf
       Holzverbrennung umstellen. Dadurch können sie viel mehr bezahlen. Wenn
       diese Akteure großflächig Holz aus dem Wald und aus den Wertstoffhöfen
       aufkaufen, wird es am Ende für alle teurer werden. Letztlich kann es dazu
       führen, dass die Industrie abwandert – und unsere Klimaziele erreichen wir
       so auch nicht.
       
       16 Nov 2023
       
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