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       # taz.de -- Energieunternehmen steigen aus: Kein Interesse an Mini-AKWs
       
       > Ein Konsortium aus Energiefirmen wollte in den USA den ersten modularen
       > Mini-Atomreaktor bauen. Jetzt steigen diese aus – die Perspektive sei
       > unklar.
       
   IMG Bild: Hat Atomkraft eine Zukunft? Für Energieunternehmen nur, wenn der Staat die Risiken deckt
       
       Washington taz | Die in atomkraftfreundlichen Kreisen beschworene
       Renaissance von Atomenergie in den USA hat einen herben Dämpfer erlitten.
       Die Firma NuScale und das Konsortium Utah Associated Municipal Power
       Systems erklärten, dass sie [1][das Projekt eines ersten
       Mini-Atomkraftwerks mit sogenannten Small Modular Reactors (SMR)] in Idaho
       aufgegeben haben. Grund waren die wachsenden Kosten und das schwindende
       Interesse von Energieunternehmen, sich langfristig an die Technologie zu
       binden.
       
       Die kleinen modularen Reaktoren [2][gelten in einigen Ländern als sicherere
       Alternative zu großen Atomkraftwerken,] weil sie mit weniger radioaktivem
       Inventar auskommen. Außer in den USA arbeiten auch Unternehmen in Kanada
       und Großbritannien an der Entwicklung dieser Mini-AKWs. Frankreich und
       Polen haben ebenfalls angekündigt, auf diese Technologie setzen zu wollen.
       
       NuScale arbeitet an vielen dieser Projekte mit. Es ist aktuell das einzige
       US-Unternehmen, dessen Design für diesen Reaktortyp von der US-Atombehörde
       NRC genehmigt wurde.
       
       Das Pilotprojekt, das im US-Bundesstaat Idaho entstehen sollte, sah den Bau
       von sechs Reaktoren vor, die jeweils 77 Megawatt an Strom erzeugen sollten.
       Das Mini-AKW sollte im Jahr 2029 ans Netz gehen. Verzögerungen und
       Kostenexplosionen sorgten jedoch für Bedenken unter den Energiekonzernen
       innerhalb des beteiligten Konsortiums. Einige entschlossen sich
       schließlich, von dem 2019 geschlossenen Vertrag, der das Konsortium zum
       Kauf von 200 Megawatt verpflichtet, zurückzutreten.
       
       ## Atomlobby gibt sich gelassen
       
       Trotz des Rückschlags ist John Hopkins, der Geschäftsführer von NuScale,
       weiterhin davon überzeugt, dass das Unternehmen bald ein erstes
       Mini-AKW-Projekt verwirklichen kann. „Unsere Arbeit an diesem Projekt über
       die vergangenen zehn Jahre hat dazu beigetragen, dass die
       NuScale-Technologie für kommerziellen Einsatz bereit ist. Das Erreichen
       dieses Meilensteins ist ein riesiger Erfolg, auf dem wir mit unseren Kunden
       in Zukunft aufbauen wollen“, sagte Hopkins in einer Stellungnahme.
       
       Anzeichen, dass das Projekt in Schwierigkeiten steckt, gab es bereits im
       vergangenen Jahr, nachdem die Kosten auf 9 Milliarden Dollar angeschwollen
       waren.
       
       Aditi Verma, Dozentin für Kerntechnik an der University of Michigan, findet
       jedoch, dass der Projektabbruch ein durchaus zu erwartender Ausgang gewesen
       sei. „Dies ist eine neue Technologie, in der gut ein Dutzend Unternehmen
       versuchen, ihre Projekte kommerziell zu verwirklichen“, sagte sie der taz.
       „Dass es dabei zu Rückschlägen kommen kann, an denen manche Firmen auch
       zugrunde gehen, sollte nicht verwundern“.
       
       ## Keine Alternative zu Erneuerbaren
       
       Auch die Atomlobby will noch kein generelles Scheitern der „nächsten
       Generation von Kernreaktoren“ erkennen: „Das Scheitern des Projekts ist das
       Resultat des freien Marktes und des Unbehagens mancher Kunden, Vorreiter
       bei der Markteinführung von neuen Technologien zu sein“, erklärte ein
       Pressesprecher des Nuclear Energy Institute.
       
       Für Kritiker ist das Aus in Idaho und der Ausstieg der Energieunternehmen
       dagegen ein weiterer Beleg dafür, dass die Kernenergie keine Zukunft hat
       und auch [3][im Hinblick auf die Klimakrise keine echte Alternative zu den
       erneuerbaren Energien] darstellt.
       
       Die atomkritische Organisation Environmental Working Group sagte, es sei an
       der Zeit, den Stecker zu ziehen. „Die [4][hunderte Millionen an
       Steuergeldern, die hier in den Sand gesetzt wurden], hätte man lieber in
       existierende und sichere erneuerbare Energien wie Solar und Wind
       investieren sollen“, so Environmental Working Group-Präsident Ken Cook.
       
       Mit Microsoft-Gründer Bill Gates und dessen Firma TerraPower sowie
       mindestens einem halben Dutzend anderer Unternehmen, die in diese neue
       Technologie investierten, scheint es trotzdem nur eine Frage der Zeit, bis
       das erste Mini-AKW in den USA an den Start gehen wird. Allerdings dürfte
       das kaum vor dem Ende des laufenden Jahrzehnts geschehen. Das Interesse an
       zuverlässiger und kostengünstiger Energie wächst in der ganzen Welt. Ob es
       Mini-AKWs jedoch gelingen wird, [5][preislich mit erneuerbaren Energien
       mitzuhalten], ist fraglich.
       
       16 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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