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       # taz.de -- Deutscher Diskurs für und gegen Israel: Man wird ja wohl noch warnen dürfen
       
       > Die Hamas ist kein Meinungsbeitrag, sondern eine Mörderbande. Der Rest
       > muss in der demokratischen Öffentlichkeit verhandelbar sein. Sonst wird
       > es eng.
       
   IMG Bild: Szene am Rande einer Pro-Palästina-Demo am 04.11. in Berlin
       
       Aus dem beklagten „dröhnenden Schweigen“ ist mittlerweile „dröhnendes Erz
       und eine lärmende Pauke“ (Bibel, 1 Kor, 13) geworden.
       
       Von deutschen Kultureinrichtungen und Aktivisten aller Couleur war nach dem
       Pogrom der Hamas am 7. Oktober anfänglich wenig zu hören. Mittlerweile wird
       gebrüllt. Der Maileingang ist zugeballert mit Aufforderungen, für oder
       gegen Israel zu unterschreiben. Mal eine Aufforderung an irgendeinen Laden,
       sich zu Israel zu bekennen, mal Sorge über Rassismus, Abschiebe- und
       Sippenhaftstimmung teilen.
       
       Es kursieren Listen, auf denen Menschen und Institutionen stehen, deren
       Haltung zu Israel als zu unkritisch gesehen wird. Es werden
       Veranstaltungen, Ausstellungen, Preisverleihungen mit Teilnehmer*innen
       abgesagt, deren Haltung zu Israel a[1][ls zu kritisch gesehen wird.]
       Vereinsmitglieder [2][treten aus Vereinen aus,] weil ihnen andere
       Vereinsmitglieder zu kritisch über Israel reden. Vereinsmitglieder treten
       aus Vereinen aus, weil ihnen andere Vereinsmitglieder zu kritisch über den
       Islam reden. Die einen meinen, dass man schon nicht mal mehr fragen dürfe,
       was an diesem oder jenem antisemitisch sei. Die anderen meinen, dass man
       schon nicht mal mehr sagen dürfe, dass man Mitleid mit den Menschen in Gaza
       habe. Die einen bemängeln Empathie mit den Opfern der Hamas, die anderen
       die Empathie mit den Zivilisten in Gaza. Die einen leiten [3][aus
       Nichtgesagtem Komplizenschaft mit der Hamas ab], die anderen mit durch
       Israel begangenem Unrecht.
       
       Die einen suchen in der Volkspsychologie der Deutschen nach Schuldgefühlen,
       um zu erklären, warum israelische Verbrechen kontextualisiert würden,
       palästinensische aber nicht. Die anderen suchen in der Volkspsychologie der
       Deutschen nach Schuldgefühlen, um zu erklären, warum palästinensische
       Verbrechen kontextualisiert würden, israelische aber nicht.
       
       ## Reinheitsgebot im diskursiven Komplex
       
       Die einen wittern McCarthyismus, weil der Verdacht, antisemitisch zu sein,
       schon mitschwinge, wenn jemand Waffenstillstand fordere. Die anderen
       wittern die Regierungsübernahme der Hamas, weil in der U6 Palischal
       getragen wird.
       
       Die Hamas ist kein Meinungsbeitrag, sondern eine Mörderbande. Sie will
       Israel und die Juden auslöschen und gehört deswegen – Netanjahu hat Recht –
       ausgelöscht. Hinsichtlich der Hamas gibt es nichts zu relativieren. In dem
       Punkt sollte Reinheitsgebot herrschen. Das Reinheitsgebot aber, das den
       diskursiven Komplex Israel/Palästina prägt, bringt außer Verdachtsförderung
       wenig Erhellendes. Die NRW-Antisemitismusbeauftragte Sabine
       Leutheusser-Schnarrenberger fordert nun allen Ernstes, bei
       Kulturschaffenden das „Bekenntnis zum Existenzrecht Israels abzufragen“.
       Super Idee! Würde das ganze dann gleich noch mit der Abfrage verknüpfen,
       wie man es mit dem Existenzrecht der Ukraine und Armeniens hält und wenn
       man schon dabei ist, auch gleich noch mit dem Bundestagsbeschluss zur
       verschärften Einwanderungspolitik.
       
       Ich hielt den BDS-Beschluss des Bundestages damals für nachvollziehbar.
       Mittlerweile muss ich zugeben, dass er ein Riesenfehler war. Nicht, weil
       ich den BDS nicht für antisemitisch hielte. Sondern, weil dieser Beschluss
       dafür sorgt, dass der Verdacht staatlich subventioniert wird. Hinter all
       den seltsam kryptischen Begründungen für die Absagen von Veranstaltungen
       steht die Angst, zukünftig keine staatliche Förderung mehr zu erhalten.
       
       Stellen wir uns vor, die Parteien bewegen sich weiter auf die AfD zu und
       der Bundestag kommt auf die Idee, andere politische Bewegungen wie „die
       Antifa“ oder „die Linke“ politisch zu verurteilen, weil es da ja auch
       Probleme mit dem Bekenntnis zu Israel gibt. Man möge mir entgegenhalten,
       dass wir hier nicht in Russland leben, [4][wo seit einigen Tagen die
       „LGBTQ-Bewegung“ verboten wurde.] Ja, aber man wird ja wohl noch warnen
       dürfen.
       
       3 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Kulturfoerderung-in-Berlin/!5973733
   DIR [2] https://www.boersenblatt.net/news/ernst-piper-verlaesst-pen-berlin-311245
   DIR [3] /Palaestinenserinnen-in-Deutschland/!5972938
   DIR [4] /Russland-verbietet-LGBT-Bewegung/!5973323
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Doris Akrap
       
       ## TAGS
       
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