URI: 
       # taz.de -- Kinotipp der Woche: Manchmal braucht es Abwehrzauber
       
       > Festival von planetarischem Ausmaß: Bei „Around the World in 14 Films“
       > trifft Genre-Mix auf Coming-of-age. Postkoloniale Stimmen stehen im
       > Zentrum.
       
   IMG Bild: Szene aus Amanda Nell Eus Film „Tigers Stripes“
       
       Geisterbeschwörungen, Schamanismus, Rituale, so einige der Filme, die
       gerade bei der 18. Ausgabe des Festivals „Around the World in 14 Films“
       gezeigt werden, behandeln Bereiche der Paraphysik. Ze etwa, die Hauptfigur
       in dem mongolischen Film „City of Wind“ von Lkhagvadulam Purev-Ochir,
       scheint eigentlich ein ganz normaler 17-jähriger Schüler zu sein. In seiner
       Freizeit aber kommuniziert er als Schamane mit den Geistern seiner
       Vorfahren und vollführt magische Rituale. Als er eines davon an einer
       seiner Mitschülerinnen vollführt, hat das ungeahnte Auswirkungen.
       
       In „Augure“, dem Debütfilm des belgischen [1][Rappers Baloji], geht es noch
       wilder zu. Koffi lebt mit seiner weißen Frau seit Jahren in Belgien und
       reist mit dieser in seine alte Heimat Kongo. Seine Familie empfängt ihn und
       seine schwangere Frau aber weniger freudig, als der sich das gewünscht
       hätte. Ganz im Gegenteil, die Familie glaubt, er sei vom Teufel besessen.
       Ein Tropfen seines Blutes würde ausreichen, auch andere in den Bann des
       Bösen zu ziehen. Und so unterzieht ihn seine Familie, kaum dass er in der
       Heimat angekommen ist, einem Exorzismus. An dessen Ende ist er ohnmächtig
       und findet seinen Kopf von einer Maske umschlossen.
       
       Auch in dem malaysischen Film „Tiger Stripes“ von Amanda Nell Eu beobachtet
       das direkte Umfeld – in ihrer Mädchenschule und ihrem Dorf – Veränderungen
       am Körper der Teenagerin Zaffan, die Unruhe bei ihm auslöst. Ein
       pubertierendes Mädchen wird als Monster wahrgenommen und dieses glaubt bald
       selbst, dass sie anders ist als die anderen. Auch hier kommen Leute aus dem
       Dorf zu der Überzeugung, sich nicht mehr anders gegen die bösen Kräfte
       wehren zu können als mit einem Abwehrzauber.
       
       Das Filmfestival „Around the World in 14 Films“, das noch bis zum 9.
       Dezember läuft und in den drei Berliner Kinos [2][Kulturbrauerei],
       [3][delphi Lux] und [4][Neues Off] statt findet, hat wieder Filme weit
       jenseits von Hollywood zusammengetragen. Geografisch, aber auch in einem
       inhaltlichen Sinne. Sie kommen aus Ländern wie Vietnam, Georgien oder
       Tunesien, deren Filmindustrien aus deutscher Perspektive nicht unter
       Dauerbeobachtung stehen, und sind schöne Beispiele für gutes Autorenkino
       aus diesen Ländern.
       
       Auf dem Festival werden einige Filme wie die bereits vorgestellten gezeigt,
       die Einblicke in Gesellschaften bieten, die dem „Globalen Süden“ zugezählt
       werden und die oftmals exotisiert werden. Diese Filme zeigen das Ringen von
       Individuen, sich zwischen Tradition und Moderne zurechtfinden zu müssen,
       aus deren Perspektiven. Rituale und Magie spielen hier eine Rolle, auch als
       Versuch, die eigene Kultur in der globalisierten Welt zu verteidigen. Die
       Protagonisten in diesen Filmen müssen versuchen, sich irgendwie in ihren
       postkolonialen Räumen zurechtzufinden.
       
       Das ergibt politische Filme. Aber „Tiger Stripes“ etwa ist trotzdem keine
       schwere Kost, sondern vor allem ein cooler Coming-of-age-Film mit Elementen
       des Boddy Horrors. Und „Augure“ ist eine wilder Genre-Mix, dem man
       anzumerken glaubt, dass es das Debüt eines Regisseurs ist, der sich bisher
       vor allem einen Namen als Rapper gemacht hat. Und das ist positiv gemeint.
       
       6 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Der-Zauberer-der-Stile/!5494027/
   DIR [2] https://www.kulturbrauerei.de/angebote/kino-in-der-kulturbrauerei/
   DIR [3] https://www.yorck.de/kinos/delphi-lux?sort=Popularity&date=2023-12-05&tab=daily&sessionsExpanded=false&film=
   DIR [4] https://www.yorck.de/kinos/neues-off
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Andreas Hartmann
       
       ## TAGS
       
   DIR Mongolei
   DIR Kino Berlin
   DIR taz Plan
   DIR Malaysia
   DIR Kongo
   DIR Filmfestival
   DIR Postkolonialismus
   DIR taz Plan
   DIR Kino Berlin
   DIR taz Plan
   DIR taz Plan
   DIR taz Plan
   DIR Clubkultur
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Kinotipps für Berlin: Enden im Delirium
       
       Im Zeughauskino jagt Berlin einen Detektiv, das Arsenal zeigt das
       Familiendrama „Pingpong“, das Lichtblick lässt den Schwertkampf der 70er
       aufleben.
       
   DIR Adventskalender (12): Mal ganz woanders im Kino
       
       Wo es in Berlin keine Kinos gibt, verwandelt Filmwissenschaftlerin Irina
       Vogt einmal im Monat Kulturhäuser in ein Kino und zeigt alte Klassiker.
       
   DIR Kinoempfehlungen für Berlin: Die Schatten großer Vorbilder
       
       In Klick Kino geht es um Biene, das Filmmuseum Potsdam würdigt Asta
       Nielsen, und in „The First Slam Dunk“ wird wirklich sehr viel Basketball
       gespielt.
       
   DIR Kinotipp der Woche: Superheldin jagt Hirnchirurg
       
       „Espectáculo a diario“ zeigt die spektakuläre Bandbreite des mexikanischen
       Films der 1940er bis 1970er. Ein echter Geheimtipp unter den Filmreihen.
       
   DIR Kinotipp der Woche: Der süße Weg zu sich selbst
       
       Ein aufsteigender Patissier, ein absteigender Unternehmer und ein Trip zu
       Fuß in die Normandie, das alles gibt es zur 23. Französischen Filmwoche.
       
   DIR Berliner Clubkrise: Panik auf dem Dancefloor
       
       Gestiegene Kosten, Besucherrückgang, Gentrifizierung: Drei Tage lang
       diskutieren Clubs über ihre Probleme. Positive Botschaften sind die
       Ausnahme.