# taz.de -- Erdoğan in Athen: Nachbarn auf Versöhnungskurs
> In den letzten Jahren verschlechterten sich die Beziehungen zwischen
> Türkei und Griechenland. Ein Besuch Erdoğans soll jetzt die Wende
> bringen.
IMG Bild: Annäherung zwischen Mitsotakis und Erdogan am Rande der UN-Vollversammlung im September
Istanbul taz | An diesem Donnerstag reist der türkische Präsident Recep
Tayyip Erdoğan zusammen mit acht Ministern zu einem sorgfältig
vorbereiteten Gipfeltreffen mit dem griechischen Regierungschef
[1][Kyriakos Mitsotakis] nach Athen. Es soll ein Neuanfang zwischen den
verfeindeten Nachbarn werden.
Nachdem es im Sommer 2022 noch zu einem schweren Zerwürfnis zwischen
Erdoğan und Mitsotakis gekommen war, weil dieser in Washington offensiv
dafür lobbyiert hatte, dass die USA keine Kampfflugzeuge an die Türkei
verkaufen, sendet Erdoğan seit Wochen positive Signale nach Athen. „Wir
sollten eine neue Seite in unseren Beziehungen aufschlagen und unsere
Konflikte im Dialog lösen“, sagte er Ende November vor der Fraktion seiner
Partei.
Mit diesem Vorsatz kommt [2][Erdoğan] nun in Begleitung seines halben
Kabinetts nach Athen, wo ihn neben Mitsotakis zehn griechische Minister
erwarten. Laut griechischer Medien sind für das Treffen 20
zwischenstaatliche Vereinbarungen vorbereitet worden, die nun
unterschrieben werden sollen.
Tatsächlich sind dem Treffen erhebliche diplomatische Anstrengungen
vorausgegangen. Erdoğan hatte sich im Juli am Rande des Nato-Gipfels in
Vilnius erstmals seit dem Zerwürfnis ein Jahr zuvor wieder persönlich mit
Mitsotakis getroffen und den Austausch am Rande der UN-Vollversammlung im
September vertieft.
Zusätzlich trafen sich die beiden Außenminister und im November auch
Vertreter der beiden Verteidigungsministerien, um vertrauensbildende
Maßnahmen zu beraten. Man ist offenbar bereit, die Direktverbindung
zwischen den Hauptquartieren wiederherzustellen, die seit den militärischen
Beinahezusammenstößen im Mittelmeer im Sommer 2020 abgebrochen worden
waren.
## Restaurierung von Moscheen und Kirchen geplant
Das soll nun alles der Vergangenheit angehören. Griechenland bietet
Visa-Erleichterungen für türkische Touristen an, wenn die Türkei im
Gegenzug einer stärkeren Zusammenarbeit bei der „Abwehr illegaler
Migranten“ zustimmt. Vereinbarungen zum Nutzen der jeweiligen Minderheiten
im anderen Land sollen getroffen werden, griechische [3][Kirchen in der
Türkei] und Moscheen in Griechenland restauriert werden. Später sollen dann
auch die wirklich schwierigen Themen angegangen werden können. Dazu gehören
die jahrzehntealten Dispute um den Festlandssockel in der Ägäis, die
Hoheitsgebiete in der Luft und die jeweiligen Wirtschaftszonen in der Ägäis
und im Mittelmeer.
Nach griechischen Angaben hat die Türkei hier bereits Vorleistungen
erbracht. Seit dem Sommer sei die Luftraumverletzung durch türkische
Kampfflugzeuge in der Ägäis von angeblich über 1.000 in den ersten drei
Monaten des Jahres auf lediglich acht in den letzten drei Monaten
zurückgegangen. Auch die Anzahl der Flüchtlinge, die von der Türkei aus die
griechischen Inseln ansteuern, sei um 60 Prozent gesunken.
Das Gipfeltreffen in Athen findet statt angesichts des Krieges in Gaza und
dem andauernden Krieg Russlands gegen die Ukraine. Mitsotakis verurteilte
zwar erst kürzlich Erdoğans Unterstützung der Hamas, sah aber darin keinen
Grund, sich nicht zu treffen. Eher im Gegenteil: Angesichts der Spannungen
im östlichen Mittelmeer haben beide Seiten ein Interesse daran, wenigstens
die Konflikte miteinander klein zu halten.
Erdoğan braucht Investoren aus der EU und weiß, dass ein gutes Verhältnis
zu Griechenland sein Standing in der EU erheblich verbessern würde.
Vielleicht wäre die Bundesregierung ja dann auch bereit, einer Lieferung
von Eurofightern an die Türkei zuzustimmen.
6 Dec 2023
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## AUTOREN
DIR Jürgen Gottschlich
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