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       # taz.de -- Serie „Boom Boom Bruno“: Vorstadtmacho mit Pimmelkrebs-Jokes
       
       > Gute Idee, aber viele Klischees: Ein homophober Vorstadt-Cop trifft in
       > der Serie „Boom Boom Bruno“ (Warner TV) auf einen schwulen
       > Jungpolizisten.
       
   IMG Bild: Bad Cop Bruno (Ben Becker), links, ermittelt nach einem Mord an einer Drag Queen
       
       Bruno Klöpel ([1][Ben Becker]) fühlt sich als Sheriff und der Berliner
       Stadtrand ist sein Wilder Westen. Speckige Weste über der blauen Uniform,
       Cowboyhut auf dem Kopf, Zahnstocher im Mund – so ist Boom Boom Bruno, wie
       mindestens er selbst sich gerne mal nennt, auf Streife unterwegs.
       
       Bei Licht betrachtet ist er allerdings doch nur [2][ganz normaler
       Ordnungshüter] in einer kleinen Polizeistation fernab der aufregenden Ecken
       der Hauptstadt. Nächtliche Ruhestörungen sind oft schon das Aufregendste,
       womit Bruno es zu tun bekommt. Sieht man einmal davon ab, dass er gerne
       Sexarbeiterinnen wegen möglichen Drogenbesitzes filzt, auch um ihnen dabei
       ungefragt an den Hintern grapschen zu können.
       
       Bruno selbst würde das Wort „[3][Sexarbeiterin]“ natürlich nie verwenden.
       „Hure“ ist dagegen fester Bestandteil seines Vokabulars und noch das
       harmloseste Wort, das er für die Frauen übrighat, deren Kunde er selbst
       häufiger mal ist. Schwule sind für ihn „Tunten“ (und schlimmer), die – so
       der O-Ton – mal ordentlich an einer Auster lutschen sollten, damit sie
       niemanden mehr durchs Hintertürchen reinlassen. Und Händewaschen nach dem
       Pinkeln ist eh für Weicheier.
       
       ## Ungehobelter Vorstadtmacho
       
       Die neue Serie „Boom Boom Bruno“ verlangt ihrem Publikum ziemlich viel ab.
       Wer verbringt schon gerne freiwillig Zeit mit einem ungehobelten
       Vorstadtmacho, dem es vor allem darum geht, dass das Bier billig und die
       Frauen willig sind? Sein neuer Partner, Mark Solowski (Vincent zur Linden),
       hat zumindest keine Wahl, und dass er so ziemlich das Gegenteil von Bruno
       ist, stellt die Basis dieser von Kerstin-Sofie Laudascher (Drehbuch) und
       Maurice Hübner (Regie) verantworteten Mischung aus Comedy und Krimi dar.
       Denn noch wichtiger als das Aufklären des Falles einer toten Dragqueen ist
       natürlich der Clash der Persönlichkeiten: Zwischen dem schnauzbärtigen
       Sexisten und dem ungeouteten Schwulen, der frisch von der Polizeischule
       kommt und hochsensibel ist.
       
       Dass es in „Boom Boom Bruno“ keinen Realismusanspruch gibt, ist schon an
       der artifiziellen Welt zu erkennen, in der die Geschichte spielt: Hier
       sehen die Stripclubs aus wie im US-Kino, gefrühstückt wird im Diner und
       beim Date trifft man sich zum Rollschuhlaufen. Ein aus der Zeit gefallener
       Mann wie Bruno, der das Gesetz auch gerne mal selbst in die Hand nimmt,
       passt in diese nostalgisch angehauchte Künstlichkeit natürlich bestens
       hinein. Deswegen besteht von Beginn an auch kein Zweifel daran, dass all
       sein fragwürdiges Verhalten und die mindestens unsensiblen Worte, die aus
       seinem Mund kommen, hier in letzter Konsequenz nicht beleidigend gemeint
       sind und seine Männlichkeit womöglich gar nicht so toxisch ist.
       
       Das ist zwar beruhigend, wird für die Serie aber zum Problem. Viel zu früh
       erwartet man von den Zuschauer*innen, dieses Arschloch trotz aller
       homophoben und misogynen Ausfälligkeiten doch bitte irgendwie drollig zu
       finden. Und viel zu schnell und durchschaubar läuft, während der Krimiplot
       kaum in die Gänge kommt, alles auf seine unausweichliche Läuterung hinaus.
       Weswegen Bruno nicht nur an Prostata-, oder wie er sagt: Pimmelkrebs
       erkrankt ist, sondern sich auch noch unsterblich in Alice (Sabrina Ceesay)
       verliebt, eine alleinerziehende Schwarze Tänzerin.
       
       Womöglich würde das Spiel mit den Machismostereotypen und immer gleichen
       „Schwuler Sex im Knast“-Scherzen besser funktionieren, wenn das oft alles
       ausbuchstabierende Drehbuch an anderer Stelle nicht ständig weitere
       Klischees ungebrochen reproduzieren würde. Angefangen vom Herzen, das unter
       Brunos rauer Schale eben doch am rechten Fleck schlägt, bis hin zu den von
       Mark zu tragenden Päckchen, dessen verstorbener Vater als Polizist ein
       wahrer Held war, während die Mutter, bei der er immer noch wohnt, all ihre
       Energie aufs Trinken und Männerbekanntschaften verwendet.
       
       Überhaupt Mark: Vincent zur Linden legt ihn als verhuschten Jungen an, der
       noch nie im Leben in einem Schwulenclub war oder mit jemandem über seine
       Homosexualität gesprochen hat, aber trotzdem schon den Schrank voller
       Dragoutfits hat. Als starker Gegenpol zum von Ben Becker mit Verve
       gespielten Titelhelden bleibt das meistens zu wenig.
       
       7 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Patrick Heidmann
       
       ## TAGS
       
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