# taz.de -- Krise bei der BVG: Zurückbleiben, bitte!
> In den U-Bahnen und Bussen drängen sich die Fahrgäste. Die BVG aber sieht
> „keine nennenswerten Unregelmäßigkeiten“ und die Politik schaut zu.
IMG Bild: Voll, voller, BVG
Berlin taz | Schon seit Wochen müssen sich die Fahrgäste der BVG in zu
selten fahrenden Bussen und Bahnen drängeln. Doch die vorerst schlimmsten
Tage kommen jetzt. Mit dem [1][Streik der Gewerkschaft der Lokführer], der
den S-Bahn-Verkehr Freitag lahmlegen und Auswirkungen bis in den Samstag
haben wird, wächst der Druck auf das Angebot der BVG. Dort aber ist der
[2][Ausnahmezustand in diesem Winter schon Normalität].
U-Bahnen, die zur Rushhour nur alle 10 Minuten fahren und dann aufgrund der
überfüllten Waggons einen Großteil der Fahrgäste auf dem Bahnsteig
zurücklassen. Busse, die trotz elektronischer Anzeige niemals an der
Haltestelle vorbeikommen und Menschen bei Minusgraden frieren lassen. Das
Angebot hinkt dem Bedarf fast flächendeckend hinterher, ausgerechnet in der
kalten und nassen Zeit, in der viele, die den Sommer über Rad gefahren
sind, auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen sind.
Verschärft wird die Situation etwa durch die einmonatige, bis Mitte
Dezember anhaltende Sperrung der U8 zwischen Alexanderplatz und Osloer
Straße, deren Ersatzbusse im Stau in Mitte ersticken. Hinzu kam zuletzt ein
Kabelklau, der den Verkehr der [3][U6] einschränkte.
Und es wird noch schlimmer: Mit dem Fahrplanwechsel am 10. Dezember wird
die BVG, anders als S-Bahn und Regionalverkehr, ihr Angebot einschränken.
Kürzungen sind auf 44 Buslinien vorgesehen, ausgedünnt werden Nebenstrecken
genauso wie stark genutzte Hauptstrecken, etwa die Linien M19, M27 oder
M29. Sie sollen außerhalb der Stoßzeiten nur noch alle 20 Minuten fahren.
Zusammen mit schon geltenden Anpassungen wird der vom Land bestellte
Busverkehr damit um 6 Prozent reduziert. Für die BVG ein Schritt, um mehr
„Verlässlichkeit“ zu schaffen.
## Krisengipfel gefordert
Für den Fahrgastverband IGEB und den BUND ist die Situation untragbar.
Zusammen forderten sie am Donnerstag „die Einberufung eines Krisengipfels
zum ÖPNV“. Igeb-Sprecher Jens Wieseke sagte der taz: „Busse und Bahnen sind
voll. Die Menschen wollen die Verkehrswende, aber die Politik hat das nicht
verstanden.“
Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) müsste dafür sorgen, „dass
sich die Leute ernst genommen fühlen“. Ein Programm, wie Busse und Trams
schneller vorankommen, etwa durch Vorrang-Ampelschaltungen, oder Hilfe für
die BVG bei der Suche nach neuen Fahrer:innen seien dringende
Sofortmaßnahmen, so Wieseke.
Von der Idee eines Krisengipfels zeigt sich die Mobilitäts-Senatsverwaltung
wenig begeistert. Auf taz-Anfrage kündigte eine Sprecherin lediglich an,
bei der nächsten Aufsichtsratssitzung die BVG darauf zu drängen,
„schnellstmöglich zu allen vertraglichen Pflichten zurückzukehren“. Auch
würden ein Ausbau von Busspuren und die Installation von Vorrangampeln
geprüft.
Auch die BVG gibt sich eher gelassen. Seit der Behebung der
Beeinträchtigungen auf der U6 gäbe es „keine nennenswerten
Unregelmäßigkeiten im U-Bahn-Verkehr“, sagt Pressesprecher Markus Falkner.
Doch in der Erkältungszeit seien vorübergehende Ausfälle nie ganz
auszuschließen.
Dabei verschärft die Erkältungswelle den ohnehin schon eklatanten
Personalmangel bei der BVG. Nachwuchs ist nur schwer zu finden, die
Arbeitsbedingungen im Schichtbetrieb und Berliner Verkehrschaos sind nur
wenig attraktiv.
## Streik für bessere Arbeitsbedingungen
„Wir brauchen Entlastung auf allen Ebenen“, forderte deshalb
Verdi-Gewerkschaftssekretär Jeremy Arndt am Mittwochabend auf einer
Veranstaltung zum Auftakt der [4][Tarifverhandlungen]. Zum Jahresende läuft
die Friedenspflicht zwischen Verdi und der BVG aus. Streiks drohen bereits
vor der ersten Verhandlungsrunde am 24. Januar.
Auf der Veranstaltung berichten BVG-Fahrer:innen von ihrem strapaziösen
Arbeitsalltag: Verspätungen seien durch Verkehr, Baustellen und
unvorteilhafte Ampelschaltungen die Regel. Die kurze Wendezeit von nur vier
Minuten am Ende einer Linie würde kaum noch ausreichen, um die Verspätung
der nächsten Fahrt zu verhindern oder dem Fahrer eine Pause zu gönnen.
Bei der U-Bahn sind die Probleme dagegen überwiegend technischer Natur. Der
Wagenfuhrpark ist veraltet und entsprechend störanfällig und
wartungsbedürftig. Die Lieferung neu bestellter Wagen ist seit einem Jahr
überfällig. Erst im Frühjahr soll es losgehen, zumindest für die
Kleinprofilbahnen U1 bis U4.
Fahrgast-Vertreter Wieseke spricht aber von einer „Krise, die über Jahre
gereift ist“. Die Politik habe zu spät neue Wagen bestellt, erst zwei
Drittel der 1.500 Neufahrzeuge seien finanziert. „Wir befinden uns mitten
in einer Krise des öffentlichen Nahverkehrs“, urteilt auch der
Gewerkschafter Arndt. Um diese noch abzuwenden, seien massive Investitionen
seitens der Politik nötig.
Vom Senat hört man derzeit dagegen vor allem von Leuchtturmprojekten. Dort
beschäftigt man sich mit Plänen für U-Bahn-Verlängerungen, die noch
Jahrzehnte brauchen dürften, oder mit der Idee einer
[5][Magnetschwebebahn]. Auch der Start eines berlinweiten 29-Euro-Tickets
für den AB-Bereich unter dem Namen Berlin-Abo, der noch einmal nach hinten
verschoben wurde und ab 1. Juli nächsten Jahres verfügbar sein soll, wird
am Angebot nichts ändern. 300 Millionen Euro jährlich sind dafür
vorgesehen.
Bei Fahrgastverband IGEB und BUND spricht man von „tollkühnen“ Projekten:
„Im Roten Rathaus und im Abgeordnetenhaus scheint man den konkreten und
massiven Problemen im Berliner Nahverkehr durch Flucht aus der Realität
entschweben zu wollen.“
7 Dec 2023
## LINKS
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DIR [5] /Sondervermoegen-Klimaschutz/!5971034
## AUTOREN
DIR Erik Peter
DIR Jonas Wahmkow
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