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       # taz.de -- Die Wahrheit: Berlin, ein schwebendes Verfahren
       
       > Die neue Regierung der Hauptstadt hat eine ganz neue Idee: Eine
       > Schwebebahn soll her. Endlich wird Berlin wie Wuppertal – jedenfalls in
       > 10.000 Jahren.
       
   IMG Bild: Voll, voller, BVG
       
       Es ist nicht schön, aber gelegentlich lässt es sich nicht verhindern, dass
       ich die U-Bahn nehme, wenn ich in Berlin unterwegs bin. Von meinem Zuhause
       aus muss ich dann zu etwas gehen, das wir im Kiez aus tief verwurzeltem
       Atavismus noch immer den „U-Bahnhof Seestraße“ nennen, dabei handelt es
       sich schon lange um ein als Baustelle getarntes Mahnmal.
       
       Wovor es mahnt, weiß niemand so genau, aber es zweifelt auch keiner daran,
       dass es uns völlig zu Recht mahnt. Der U-Bahnhof Seestraße ist eine
       ungerichtete Lektion in Demut. Damit wir geerdet bleiben. Damit wir nie
       vergessen, dass unser aller Leben auch nur ein großes Bauprojekt ist, das
       niemals fertig sein wird.
       
       Immer dann, wenn uns die Baustelle eingelullt hat und wir vermuten, dass
       sie ewig unverändert bleibt, passiert plötzlich etwas Unerwartetes: Der
       Bauzaun wird ein paar Meter weiter gerückt. Ein Eingang wird geöffnet,
       dafür ein anderer verschlossen. Neulich haben sie sogar ein neues Schild
       aufgehängt. Wir waren alle ganz aufgeregt, zur Vernissage war der halbe
       Kiez vor Ort. Aber seit inzwischen vollen acht Jahren steht da vor allem
       eines: eine hinter hohen Bretterwänden verborgene Baustelle, auf der man
       kaum mal jemanden arbeiten sieht.
       
       Als erste verkehrspolitische Maßnahme hatte die neue Berliner
       Stadtregierung aus CDU und SPD den Stopp des Ausbaus des ohnehin eher
       rudimentären Fahrradwegenetzes verhängt. Man müsse nach der jahrelangen
       Knechtung und Ausgrenzung der vom Aussterben bedrohten Autofahrer gemeinsam
       überlegen, wie man zu mehr Miteinander aller Verkehrsteilnehmer komme. Und
       jetzt hat die Große Koalition tatsächlich einen revolutionären Vorschlag
       vorgelegt: den Neubau einer Magnetschwebebahn.
       
       In Berlin lernt man eben nur von den Besten. Also nicht von Amsterdam,
       Kopenhagen oder Paris, die ihre ehemals schönen Städte komplett
       verschandelt haben mit all den Fahrradstraßen, die grüne Irre durch die
       Zentren gefräst haben. Sondern von Wuppertal. Von Wuppertal lernen heißt
       schweben lernen. Die dortige Schwebebahn gleitet seit Jahrzehnten durch die
       Stadt und macht die Metropole des Bergischen Landes zum global bewunderten
       Modell für die Metropolen der Zukunft.
       
       Wegen des offenkundigen Wahnsinns dieses Plans brach große Aufregung in der
       Stadt aus. Ich dagegen zucke nur mit den Achseln. Lasst sie doch machen.
       Wenn sie es nicht mal schaffen, in unter zehn Jahren einen einzelnen,
       popeligen U-Bahnhof zu sanieren, wird kein heute auf Erden lebender Mensch
       je die Eröffnung der Berliner Magnetschwebebahn erleben. Und die
       Verkehrssenatorin wird damit so beschäftigt sein, dass sie keine Zeit mehr
       hat, gegen den Fahrradverkehr zu kämpfen.
       
       Die BVG, das Berliner Nahverkehrsunternehmen, versichert übrigens stoisch,
       bei der Renovierung des U-Bahnhofes Seestraße läge alles voll im Plan. Wir
       glauben ihr sofort. Die Frage ist halt nur: Welcher Plan?
       
       10 Dec 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Heiko Werning
       
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