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       # taz.de -- Ressourcenexperte über Plastikabkommen: „Die Fronten sind klar geworden“
       
       > Henning Wilts vom Wuppertal Institut sieht noch Chancen für ein
       > UN-Abkommen. Für Europa sei sowieso wichtiger, was Brüssel zu
       > Verpackungen entscheide.
       
   IMG Bild: Wichtiges Recycling: Plastikchips aus einer Zerkleinerungsmaschine in Nairobi, Kenia
       
       taz: Herr Wilts, sind die Verhandlungen in Nairobi gescheitert? 
       
       Henning Wilts: Nein, das kann man noch nicht sagen. [1][In Nairobi] ist
       über den Entwurf für einen Vertrag, den sogenannten Zero Draft, diskutiert
       worden. Das war so eine Art Wunschliste, auf der alles stand, was die ganz
       unterschiedlichen Akteure sich so zum Thema Plastik vorgestellt haben. Es
       fehlte eine Idee, wohin man mit diesem Abkommen möchte. Daher war klar,
       dass sich die Staaten nicht auf konkrete Maßnahmen einigen konnten.
       
       Sondern? 
       
       Immerhin sind die Fronten klar geworden: Es gibt Staaten wie Saudi-Arabien,
       Russland, Iran oder Indien, die sehen das [2][Müllproblem] als Thema für
       Abfallmanagement. Andere, darunter die EU, wollen den ganzen Lebenszyklus
       von Kunststoffprodukten angehen, das schließt Verbote und Beschränkungen
       für Produktionsmengen ein.
       
       Wieso schaffen es einzelne Staaten, diesen Prozess aufzuhalten? 
       
       Das Thema Plastikmüll wurde ja erstmals auf UN-Ebene diskutiert. Man steht
       da in Bezug auf die Verfahren etwa da, wo man in den Klimaverhandlungen vor
       Paris war, es herrscht noch das Einstimmigkeitsprinzip. Da kann eben ein
       Staat oder eine kleine Gruppe von Staaten den ganzen Prozess behindern. Die
       Verhandlungen werden im nächsten halben Jahr hinter den Kulissen
       weitergehen, da kann noch viel passieren. Ich glaube nicht, dass man den
       Zeitplan jetzt schon aufgeben muss, bis Mitte 2025 ein UN-Abkommen
       fertigzubekommen.
       
       Wenn es nicht wie erhofft, so schnell ein gutes globales Abkommen gibt –
       was gibt es für politische Alternativen? 
       
       Für uns in Europa ist es sowieso viel wichtiger, was am Dienstag in Brüssel
       zur neuen Verpackungsverordnung beschlossen wird. Natürlich setzt ein
       UN-Abkommen wichtige Signale, es gestaltet einen globalen Rahmen. Aber
       [3][die Verpackungsverordnung] macht konkrete Vorgaben zur
       Recyclingfähigkeit von Kunststoffen, zum Anteil von Mehrweglösungen, die
       Supermärkte anbieten müssen – das führt viel weiter als das, was man
       international festlegen wollte.
       
       Das Parlament stimmt am Dienstag über seine Position zur
       Verpackungsverordnung ab. Ist sie ambitioniert? 
       
       Es gab einen sehr ambitionierten Entwurf, der Mengenvorgaben für die
       Plastikvermeidung vorsah, Quoten für Mehrweg und so weiter. Doch dann hat
       das Lobbying von allen Seiten auf die Politik eingedroschen. Jetzt sind
       wieder viele Fragen offen, etwa, welche Rolle chemisches Recycling spielen
       soll, bei dem Kunststoffe eingeschmolzen, mit Chemikalien versetzt und
       damit wieder in eine Art Ausgangsstoff für Kunststoff verwandelt werden.
       Die Industrie protegiert das heftig. Das Verfahren ist energieaufwändig und
       ersetzt nicht Lösungen, die auf Vermeidung abzielen. Auch scheinbar
       nachhaltige Ersatzlösungen, die etwa halb aus Papier, halb aus Plastik
       bestehen, sind nicht wirklich besser. Häufig haben Papierverpackungen
       genauso große Umweltauswirkungen wie solche aus Plastik, erst recht, wenn
       sie beschichtet sind. Ein anderes Beispiel sind Einwegverpackungen aus Alu.
       Sie sind nicht umweltfreundlich, auch wenn man sie recyceln kann. Da läuft
       gerade viel in die falsche Richtung.
       
       Klingt nicht gerade hoffnungsvoll … 
       
       Es gibt auch vielversprechende Ansätze, wie die [4][„Green Claims
       Directive“] der EU-Kommission. Sie soll im nächsten Frühjahr verabschiedet
       werden und Greenwashing vorbeugen. Dazu soll umweltbezogene Werbung
       reguliert werden. Das ist wichtig, denn viele Verbraucher wollen nachhaltig
       einkaufen, wissen aber nicht, wie.
       
       Was können Verbraucher:innen denn selbst gegen Plastikmüll machen? 
       
       Lebensmittel in Mehrwegbehältern kaufen, das ist das Beste. Auf den Blauen
       Engel des Umweltbundesamtes achten, solche Produkte enthalten viel
       Recyclingmaterial. Vor Ort einkaufen anstatt online, da sind viel weniger
       Verpackungen nötig.
       
       21 Nov 2023
       
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   DIR [3] /Verpackungsverordnung-der-Kommission/!5949185
   DIR [4] https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2023/753958/EPRS_BRI(2023)753958_EN.pdf
       
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