# taz.de -- Nato-Generalsekretär auf dem Balkan: Politischen Einfluss zurückgewinnen
> Auf dem Westbalkan zieht die Nato in Betracht, dauerhaft die Truppen zu
> verstärken. Das soll nicht nur weitere Eskalation vermeiden.
IMG Bild: Nato-Generalsekretär Stoltenberg bei der Vorsitzenden des Ministerrats von Bosnien und Herzegowina Krišto
Sarajevo taz | Dass der Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg doch noch zu
der lange erwarteten Reise zu den Konfliktfeldern auf dem Balkan
aufgebrochen ist, hat bei Kroaten und Bosniaken in Bosnien, und vor allem
bei den Albanern des Kosovo, Hoffnungen geweckt. Die Nato möge klar und
deutlich auf die Bedrohungen aus Moskau reagieren, wünschten sich die
lokalen Medien.
Ganz enttäuscht wurden die Hoffnungen nicht, denn Stoltenberg erklärte am
Montag auf seiner ersten Station in Sarajevo, er sei besorgt über einen
möglichen russischen Einfluss auf die bosnisch-serbische Führung des
Teilstaates Republika Srpska unter dem „Präsidenten“ [1][Milorad Dodik].
Gerichtet an die Führung dieser „Entität“, wie dieses serbisch dominierte
Gebiet in Bosnien und Herzegowina seit dem Friedensabkommen von Dayton 1995
von den Vereinten Nationen (UN) bezeichnet wird, erklärte er: „Wir sind
besorgt wegen sezessionistischer und abspalterischer Rhetorik und wegen der
bösartigen ausländischen Einmischung, darunter jener Russlands.“
Der mit Wladimir Putin eng verbundene Dodik will diesen Teilstaat, der 48
Prozent des Gesamtstaates ausmacht, zum unabhängigen Staat ausbauen und
[2][mit Serbien vereinigen]. Schon längst haben der Westen und die Nato an
Einfluss verloren. Wie zum Hohn ließ er am letzten Wochenende kurz vor dem
Besuch Stoltenbergs seine Anhänger an der Grenze zwischen der serbischen
Teilrepublik und der kroatisch-bosniakischen Föderation, der zweiten
Teilrepublik, aufmarschieren und diese Grenze als Staatsgrenze definieren.
Vor einem Jahrzehnt wurden solche Aktionen durch die internationalen
Truppen unterbunden, in den letzten Jahren konnte Dodik sicher sein, dass
nichts geschieht.
## Russlands Unterstützung für Republika Srpska und Serbien
Er kann sich nämlich auf Putin verlassen. Der gibt ihm Rückendeckung nicht
nur im Weltsicherheitsrat der UN, sondere ist auch mit Militärberatern und
Waffenhilfen in der serbischen Teilrepublik aktiv. [3][So wie in Serbien]
selbst. Doch jetzt scheint die über Jahre schlafende Nato aufzuwachen. Die
Alliierten würden die Souveränität und territoriale Integrität Bosnien und
Herzegowinas mit Nachdruck unterstützen, sagte Stoltenberg nach einem
Gespräch mit dem Hohen Repräsentanten der internationalen Gemeinschaft
Christian Schmidt. „Ihre Sicherheit ist bedeutend für die Westbalkan-Region
und für Europa“, versuchte er die Öffentlichkeit in Sarajevo zu beruhigen,
die an der Demarkationslinie den Provokationen der serbischen Seite
ausgesetzt ist.
Die Nato zieht offenbar jetzt im Westbalkan eine dauerhafte Verstärkung der
Truppen in Betracht. „Wir prüfen derzeit, ob wir die Truppen dauerhaft
aufstocken sollten, um sicherzustellen, dass die Situation nicht außer
Kontrolle gerät und zu einem neuen gewaltsamen Konflikt im Kosovo oder in
der Region führt“, sagte Stoltenberg am Montag vor Journalisten bei einem
Besuch im Kosovo. Nach dem [4][Wiederaufflammen der Gewalt im September]
hatte das westliche Militärbündnis Reservekräfte angefordert. Die regionale
KFOR-Friedenstruppe der Nato, die seit 1999 im Einsatz ist, umfasst schon
jetzt über 4.500 Soldaten aus 27 Ländern. Die serbische Armee hat jetzt
Panzer und Kurzstreckenraketen an der Grenze stationiert. Stoltenberg
reiste am Dienstag nach Nordmazedonien und Serbien weiter.
21 Nov 2023
## LINKS
DIR [1] /Russlands-Einmischung-auf-dem-Balkan/!5831373
DIR [2] /Zerschlagung-von-Bosnien-und-Herzegowina/!5942567
DIR [3] /Russischer-Praesident-in-Serbien/!5566426
DIR [4] /Konflikt-zwischen-Kosovo-und-Serbien/!5961939
## AUTOREN
DIR Erich Rathfelder
## TAGS
DIR Serbien
DIR Bosnien-Herzegowina
DIR Bosnien und Herzegowina
DIR Bosnien
DIR Christian Schmidt
DIR Milorad Dodik
DIR Russland
DIR Nato
DIR Jens Stoltenberg
DIR Kosovo
DIR Nordmazedonien
DIR Republika Srpska
DIR Albanien
DIR Nato
DIR serbische Minderheit im Kosovo
DIR Christian Schmidt
DIR Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
## ARTIKEL ZUM THEMA
DIR Wahlen in Nordmazedonien: Die Zeichen stehen auf Machtwechsel
Für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen wird in Skopje mit einem
Rechtsruck gerechnet. Den Sozialdemokraten drohen Verluste.
DIR Republika Srpska begeht Staatsjubiläum: Gedrückte Stimmung in Banja Luka
Die bosnische Teilrepublik feiert mit viel Pomp, steht aber kurz vorm
Bankrott. Die angedrohte Abspaltung des Landes von Bosnien blieb allerdings
aus.
DIR Westbalkan-Gipfel der EU: Das Warten geht weiter
Ein Druchbruch beim Ringen um Reformen und damit verbundene Zusagen der EU
zwischen den Westbalkan-Ländern und Brüssel bleibt weiter aus.
DIR Nato-Außenministertreffen in Brüssel: Kriegsmüde, leere Munitionsdepots
Beim zweitägigen Nato-Außenministertreffen appelliert Generalsekretär
Stoltenberg, über den Nahostkonflikt den Ukraine-Krieg nicht zu
vernachlässigen.
DIR Nach den Kämpfen im Nordkosovo: Alles eine Frage der Interpretation
In Serbien und Kosovo rollt die Propagandamaschine an. Viele Fragen bleiben
offen, doch gewiss ist: Beide Seiten gießen Öl ins Feuer.
DIR Konflikt in Bosnien-Herzegowina: Anklage gegen Dodik bestätigt
Der Präsident der serbischen Teilrepublik muss vor Gericht, weil er sich
einer Weisung des Hohen Repräsentanten widersetzte. Die Spannung wächst.
DIR Serbiens Verhältnis zu Russland: Gute Russen – böse Russen
Rund 200.000 Russen leben in Serbien. Viele sind kremlkritisch. Sie sind
willkommen – solange sie sich nicht gegen Putins Politik aussprechen.