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       # taz.de -- Björk-Konzert in Hamburg: Im Elfen-Wartehäuschen
       
       > Die isländische Pop-Avantgardistin Björk gab Dienstagabend in Hamburg ein
       > Deutschland-Konzert – mit Greta-Thunberg-Projektion.
       
   IMG Bild: Im Pumphosenknäuel: Björk am Dienstagabend in Hamburg
       
       Ein Kalauer wäre nun irgendwas mit „einen Vogel haben“: In der Hamburger
       Barclays Arena sind am Dienstag Vogelstimmen zu hören. Dazu wechseln auf
       der Bandenwerbung Sponsorenlogos, der Hinweis aufs W-LAN und, in etlichen
       Sprachen, werden die Gäste willkommen geheißen – auch auf Arabisch und
       Hebräisch, so was fällt einem mehr auf in diesen Tagen.
       
       Die Geräuschkulisse, dazu etwas projiziertes Pflanzengrün, ist das
       Vorprogramm für Björks „digitales Theater“. So hat die Isländerin die Show
       betitelt, mit der sie nun nach Deutschland kommt. Kein Theater mit viel
       Holz und samtschwerem Vorhang sei das, versteht sich. Geboten werden knapp
       anderthalb Stunden slicke Oberflächen, hybride Sounds und nicht zuletzt:
       [1][computergenerierte visuelle Überwältigung].
       
       Von „digitaler Vorhang-Choreografie“ hat Björk vorab gesprochen, was heißt:
       Immer wieder geht da etwas auf oder zu, schieben sich diverse transparente
       Schichten vors Bühnengeschehen, auf die ein nicht enden wollender
       Bilderstrom geworfen wird: Ständig sprießt, knospt, ex- und implodiert,
       fliegt und flattert es.
       
       Neben Björk, in eine Art pelziges Pumphosenknäuel verpackt, sind kaum
       Mitwirkende auf der Bühne zu sehen: Schlagzeuger Manu Delago und der hinter
       Keyboardburgen verschanzte, als „musical director“ vorgestellte Bergur
       Þórisson, die Harfenistin Katie Buckley und ein aus Island mitgebrachtes
       Flötistinnen-Septett in Elfenflügelkostümen.
       
       ## Digitaler Nomad:innen-Lifestyle
       
       Digitaler Nomad:innen-Lifestyle einerseits, andererseits der Aufwand, den
       so eine Harfe bedeuten muss: kein schlechtes Symbol für den Björk’schen
       Kunstwillen. Aufwändig ist auch das Bühnenbild, mehrere Plateaus mit
       spiegelglatter Oberfläche und grob-steinerner Unterseite, ein wenig
       erinnernd an schwebende Stücke Erdkruste. Hinten rechts Björks
       „Hall-Kammer“, ein Bushaltestellen-Wartehäuschen, weiß mit Kuppel und, aus
       Tür- und Fensteröffnungen, Gesicht.
       
       Die Künstlerin wurde am Dienstag 58, was im Konzert aber nur wenig
       Niederschlag fand: Irgendwann, da war über eine Stunde vergangen, rief
       jemand aus dem Publikum „Happy Birthday, Björk!“, noch etwas später
       spielten ihre Musiker:innen das nämliche Lied an, eher routiniert
       wirkend denn herzlich. Geschenke gab es keine, schon gar nicht eine Zugabe
       ans Publikum.
       
       Auch sollten, durchaus unüblich für Geburtstagsfeiern, keine Fotos oder
       Videos gemacht werden. Das lenke doch nur ab vom Erleben der Show. Dass der
       Achtsamkeitsappell vollständig erfolgreich gewesen wäre, kann man nicht
       sagen, aber zurückgehalten haben die Leute sich merklich. Ist
       Björk-Fanpublikum besonders folgsam?
       
       Was da am Ende des Konzerts auch zu sehen war: Die kontroverse schwedische
       Klima-Aktivistin Greta Thunberg, riesig auf den Bühnenvorhang projiziert.
       Thunberg ist schon länger Teil ihrer Auftritte, und stimmig ist das
       insofern, als Björk selbst sich immer wieder zu Umweltschutzthemen geäußert
       hat. Im Oktober nahm sie einen Song auf, der sich [2][gegen die
       industrielle Lachszucht] wendet.
       
       ## Tendenziöse Grafiken auf Insta
       
       Ja, man kann solche Prominenz schlechter nutzen – so nämlich, [3][wie
       Thunberg das zuletzt in Sachen Nahostkonflikt tat]: einseitig, empathielos,
       schlecht informiert. Und Björk? Hatte Anfang November über ihr
       reichweitenstarkes Insta-Konto eine tendenziös Geschichte verfälschende
       Grafik verbreitet, die angebliche israelische Landnahme auf Kosten von
       Palästinenser:innen belegen sollte. Auf die vielen nicht immer
       zustimmenden Kommentare hat sie nicht reagiert, auch zu den Hamas-Massakern
       des 7. Oktober geschwiegen.
       
       Im eingespielten Thunberg-Statement, erkennbar nicht taufrisch, spielte die
       vermeintliche Unfreiheit Palästinas keine Rolle. Tagespolitik hat am Ende
       keinen Platz in dieser so verrätselt sich gebenden, durchaus einnehmenden,
       hochmodern-technischen, Magisches evozierenden Digitalromantik.
       
       23 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Alexander Diehl
       
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