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       # taz.de -- Rechtsruck in Niederlanden: Geert Wilders klarer Wahlsieger
       
       > Rechtsaußen Geert Wilders ist mit seiner islamfeindlichen Partei der
       > große Wahlsieger in den Niederlanden. Andere Rechtspopulisten in Europa
       > jubeln schon.
       
   IMG Bild: Wahlsieger: Geert Wilders
       
       Den Haag dpa | Die Niederlande stehen nach dem triumphalen Wahlsieg des
       Rechtspopulisten Geert Wilders bei der Parlamentswahl vor einem
       historischen Rechtsruck. Der Rechtsaußen will nun mit seiner
       islamfeindlichen Partei regieren und Nachfolger des scheidenden
       Ministerpräsidenten Mark Rutte werden, der nach einer Rekord-Amtszeit von
       der nationalen Politikbühne abtritt. Doch ob Wilders’ Partei wirklich ein
       Bündnis mit anderen Partnern schmieden kann, ist offen. Denn
       Koalitionsverhandlungen dürften schwierig werden.
       
       „Das Signal, das der niederländische Wähler nun gibt, ist: Es muss anders
       werden“, sagte Wilders am späten Mittwochabend. „Die Niederländer müssen
       wieder Nummer eins sein.“ In seinem Parteiprogramm fordert der 60-Jährige,
       Moscheen und den Koran zu verbieten und spricht sich für den Nexit aus –
       den Austritt der Niederlande aus der EU. Auch will er [1][die Grenzen
       schließen], Flüchtlinge und Arbeitsmigranten nicht mehr ins Land lassen und
       Klimaschutz als politisches Ziel abschaffen.
       
       Nach einer Hochrechnung, die die Nachrichtenagentur ANP am frühen
       Donnerstagmorgen veröffentlichte, dürfte Wilders’ Partei für die Freiheit
       (PVV) auf 36 der 150 Sitze in der Zweiten Kammer des Parlaments kommen, die
       vergleichbar mit dem Deutschen Bundestag ist. Das wären mehr als doppelt so
       viele Mandate wie bei der vorherigen Wahl 2021.
       
       Zweitstärkste Kraft ist demnach das rot-grüne Bündnis mit dem früheren
       EU-Kommissar Frans Timmermans an der Spitze, das auf 25 Sitze hoffen kann –
       acht mehr als bislang. Ruttes rechtsliberaler VVD mit der Spitzenkandidatin
       Dilan Yesilgöz werden nur noch 24 Sitze zugerechnet – zehn weniger als bei
       der vorigen Wahl. Die erst vor wenigen Wochen gegründete Partei des
       ehemaligen Christdemokraten Pieter Omtzigt, der Neue Soziale Vertrag (NSC),
       kommt laut Hochrechnung auf 20 Sitze. Für eine koalitionsfähige Mehrheit
       wären also mindestens drei Parteien nötig.
       
       Der Wahlsieg der mit islam- und ausländerfeindlichen Parolen punktenden PVV
       in [2][den als liberal geltenden Niederlanden] schockte viele etablierte
       Parteien. Nicht nur Flüchtlingsorganisationen und muslimische Verbände
       reagierten entsetzt. Andere Rechtspopulisten in Europa hingegen bejubelten
       Wilders’ Triumph. „Herzlichen Glückwunsch zu diesem großen Erfolg. Ganz
       Europa will die politische Wende!“, schrieb AfD-Chefin Alice Weidel im
       Kurznachrichtendienst X, vormals Twitter. Auch der ungarische
       Ministerpräsident Viktor Orbán und die französische Rechtsnationalistin
       Marine Le Pen gratulierten Wilders.
       
       Doch noch ist ungewiss, ob er wirklich Erfolg haben wird mit seinem Aufruf
       an Parteien des rechten Spektrums, mit ihm zusammenzuarbeiten. „Ich glaube,
       dass wir jetzt alle über unseren Schatten springen müssen“, so Wilders. Auf
       keinen Fall dürfe der Wählerwille ignoriert werden.
       
       Schon am Wahlabend hatte der Chef der neuen Zentrumspartei NSC Bereitschaft
       zur Zusammenarbeit signalisiert. Und auch VVD-Chefin Yesilgöz scheint nicht
       abgeneigt. Erst einmal sei nun Wilders am Zug, sagte sie: „Wir werden das
       in der Fraktion gut abwägen. Dann schauen wir, wohin das führt.“
       
       Wilders zeigte sich sehr bemüht, Ängste vor einem zu radikalen Vorgehen
       seiner Partei zu zerstreuen. Er wolle ein „Premier aller Bürger sein“. Die
       von ihm angestrebte Zwangsschließung von Moscheen sei aktuell kein Thema,
       versicherte er. Priorität habe jetzt, den „Asyl-Tsunami“ zu begrenzen.
       
       Im Endspurt des Wahlkampfes hatte Wilders in den Umfragen zugelegt und die
       Favoritin Yesilgöz abgehängt. Viele sehen die rechtsliberale Frontfrau als
       mitverantwortlich dafür an. Sie habe Wilders endgültig salonfähig gemacht,
       meinen Kritiker. Während Yesilgöz eine Koalition mit Wilders nicht
       ausgeschlossen hatte, war ihr Parteifreund Rutte stets als vehementer
       Gegner eines Bündnisses aufgetreten.
       
       Umfragen haben mehrfach ergeben, dass Wilders-Wähler ihre Zukunft
       tendenziell pessimistisch einschätzen und Angst vor Veränderungen haben.
       Sie wohnen häufig in stagnierenden Industriegebieten oder auf dem Land, wo
       die Jungen wegziehen. Zu Wilders’ Parolen gehört deshalb nicht nur „Der
       Islam gehört nicht zu den Niederlanden“, sondern auch „Mehr Personal in der
       Pflege“ und „Niedrigere Mieten und Steuern“. Diese Mischung aus rechten
       Parolen und klassisch linken Forderungen betrachten Politologen als sein
       Erfolgsrezept. Eine weitere Besonderheit: Wilders' Partei hat nur ein
       einziges Mitglied – ihn selbst. So will er verhindern, dass ihn andere
       überstimmen und selbst das Zepter übernehmen könnten.
       
       Die vorgezogene Parlamentswahl wurde notwendig, nachdem Ruttes
       Mitte-Rechts-Koalition [3][im Sommer nach nur 18 Monaten zerbrochen war].
       Anlass dafür war ein Streit über die Migrationspolitik. Rutte, der mit 13
       Jahren am längsten amtierende Ministerpräsident der niederländischen
       Geschichte, kündigte daraufhin seinen Abschied aus der nationalen Politik
       an. Er will jetzt Nato-Generalsekretär werden. Bis zur Vereidigung einer
       neuen Regierung soll Rutte aber im Amt bleiben.
       
       23 Nov 2023
       
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