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       # taz.de -- Wasserstoff aus Namibia: Stoff für die Welt
       
       > Zehn Milliarden Euro investiert ein europäisches Konsortium in grünen
       > Wasserstoff. Namibias Ökosysteme sind in Gefahr.
       
   IMG Bild: Ein Land mit Ressourcen: Goldmine Navachab, Namibia
       
       Im Hafen von Lüderitz wurden einst Robben geschlachtet, später Mineralien
       verschifft. Schon bald aber soll die Bucht ein Zentrum der globalen
       Energiewende sein: Umschlagplatz einer der größten Produktionsanlagen für
       grünen Wasserstoff.
       
       Dafür soll hier eine Entsalzungsanlage entstehen, deren Wasser dann tief in
       die südnamibische Wüste gepumpt wird. Eine gigantische Elektrolyseanlage,
       mit Strom aus einem ebenso gigantischen Wind- und Solarenergiepark
       gespeist, zerlegt das Wasser in seine Bestandteile Sauerstoff und
       Wasserstoff. Der so gewonnene Wasserstoff wird „grün“ genannt, weil er
       klimaneutral ist. Er wird nach Lüderitz zurückgepumpt und dort in leichter
       transportierbares Ammoniak umgewandelt. Zwei Millionen Tonnen sollen bis
       2030 pro Jahr in alle Welt exportiert werden.
       
       Ende Oktober 2023 lud die EU in Brüssel zu ihrem „Global Gateway“-Forum.
       Dabei handelt es sich um einen 2020 aufgelegten milliardenschweren Fonds,
       mit dem die EU Klimaschutz- und Digitalisierungsprojekte vor allem in
       Afrika finanzieren und sich damit gegen die geostrategische Konkurrenz
       Chinas behaupten will. Eins der wichtigsten Projekte stellte
       Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen beim Brüsseler Forum vor:
       Europas Beteiligung an der insgesamt zehn Milliarden Euro teuren
       Wasserstoffproduktion im Süden Namibias.
       
       Das Land werde dank seines großen Potenzials an erneuerbaren Energien zu
       einem Vorreiter in dem Sektor, sagte von der Leyen. „Die EU ist stolz
       darauf, Namibia bei dieser Transformation als Partner zur Seite zu stehen.“
       Europa will den grünen Wasserstoff – denn ohne große Mengen von diesem sind
       die Klimaschutzziele von von der Leyens „European Green Deal“ nicht zu
       schaffen.
       
       Sein Land sei sich der Chancen seiner erneuerbaren Energiequellen bewusst,
       sagte Namibias Präsident Hage Geingob. Doch die ließen sich nur
       ausschöpfen, „wenn wir entsprechendes Kapital mobilisieren“.
       
       Direkt nach seiner Rückkehr aus Brüssel schwärmte Geingob weiter. Aus der
       ganzen Welt kämen Menschen ins Land, um über den grünen Wasserstoff zu
       sprechen. „Wir sind ein Faktor, ob Sie es glauben oder nicht, und so müssen
       wir auch handeln“, sagte er.
       
       Sein Beauftragter für grünen Wasserstoff, James Mnyupe, rechnet vor, dass
       die Wasserstoffproduktion bis 2030 mehr als 280.000 Arbeitsplätze schaffen
       könnte – eine schwindelerregende Zahl in einem Land mit heute nur gut
       730.000 Beschäftigten. Fachleute schätzen indes, dass das Projekt in der
       Bauphase bis zu 15.000 Jobs und während des Betriebs 3.000 direkte Jobs
       schafft. Die Wirtschaftsleistung werde gar um mehr als 4,1 Milliarden
       US-Dollar steigen, glaubt Mnyupe – das wäre ein Plus von sagenhaften 30
       Prozent. Durch das neue Exportgut werde Namibia zudem „weniger anfällig für
       externe Schocks“.
       
       Nicht alle sind so enthusiastisch. Von einem eskalierenden „grünen
       Wasserstoffrausch“ ist in Namibias Zivilgesellschaft die Rede. Viele im
       Land fürchten, das Projekt könnte auf Kosten der lokalen Bevölkerung gehen
       und Ökosysteme, etwa im Tsau-Khaeb-Nationalpark, zerstören. „Grüner
       Wasserstoff wird uns aufgezwungen“, sagt Rinaani Musutua vom Economic and
       Social Justice Trust.
       
       ## Konsultationen mit den betroffenen Gemeinden vernachlässigt
       
       Der Trust hat mit Wissenschaftler:innen der TU Hamburg und der NGO
       Germanwatch 2022 eine Anhörung betroffener Akteur:innen veranstaltet.
       Das Ergebnis: Die Initiativen für den grünen Wasserstoff würden
       „überstürzt“ und Konsultationen mit betroffenen Gemeinden vernachlässigt.
       Ausschreibungsverfahren seien intransparent, Wasser- und Landkonflikte
       sowie finanzielle Abhängigkeiten seien durch die Schuldenaufnahme zu
       befürchten. Beim Wasserstoffexport könnte sich die „extraktive Dynamik“
       wiederholen, unter der das Land in der Vergangenheit bei der Ausbeutung der
       Öl-, Kohle-, Gas- und Diamantenvorkommen gelitten habe.
       
       Fünf Projekte für grünen Wasserstoff werden in Namibia gerade geprüft oder
       sind bereits aufgebaut. Die Unternehmen seien „gesetzlich verpflichtet,
       alle Interessengruppen einzubinden und so für eine breite Akzeptanz zu
       sorgen“, sagt der Präsidentenbeauftragte Mnyupe. Einige Projekte hätten
       „Partnerschaften“ mit lokalen Gemeinden geschlossen und begonnen, Menschen
       aus diesen Gemeinden zu beschäftigen.
       
       Für das im Mai 2023 beschlossene 10-Milliarden-Dollar-Projekt hat Namibias
       Regierung 2021 das Konsortium Hyphen Hydrogen Energy ausgewählt. Dahinter
       steht unter anderem das Erneuerbare-Energien-Unternehmen Enertrag aus dem
       brandenburgischen Schenkenberg-Dauerthal. Der Hyphen-CEO Marco Raffinetti
       sagte zur Unterzeichnung, man werde „Hand in Hand mit den namibischen
       Bürgern arbeiten“, um „einen dauerhaften Wandel herbeizuführen und
       gleichzeitig den Weg für eine grünere und hellere Zukunft zu ebnen“.
       
       Deutschland will große Mengen des Wasserstoffs im Rahmen einer „Klima- und
       Energiekooperation“ aus Namibia nach Deutschland verschiffen. Und auch die
       EU engagiert sich sehr. Im November 2023 erneuerte sie mit den AKP-Staaten
       (Länder Afrikas, der Karibik und des Pazifiks) die Grundlage der
       Zusammenarbeit: Das Cotonou-Abkommen lief aus, an seiner Stelle soll nun
       das Samoa-Abkommen vor allem die wirtschaftliche Zusammenarbeit regeln.
       Namibia unterschrieb im Dezember 2023. Die Statthalterin der EU in
       Windhoek, Ana Beatriz Martins, glaubt, dass das Abkommen die Zusammenarbeit
       bei der grünen Transformation erleichtern wird. Man sei entschlossen, mit
       dem Land beim grünem Wasserstoff und kritischen Rohstoffen
       zusammenzuarbeiten, „um mehr Arbeitsplätze und Wohlstand zu schaffen“, so
       Martins.
       
       Dass die Kooperation intransparent sei, wies Martins auf Nachfrage zurück –
       Maßnahmen der Europäischen Union würden „offen kommuniziert“. Das gelte
       auch für die Absichtserklärung zwischen der Europäischen Investitionsbank
       und Namibia „zur Vertiefung ihrer Zusammenarbeit bei der Förderung
       erneuerbarer Energien“ mittels eines möglichen Darlehens von 500 Millionen
       Euro. Die Details dieser Vereinbarung würden der Öffentlichkeit zugänglich
       gemacht, „sobald die Ziele klar definiert sind“, sagte Martins. In jedem
       Fall sei eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das Wasserstoffprojekt
       vorgesehen.
       
       [1][Hier] erfahren Sie mehr über den Afrika-Workshop der taz Panter
       Stiftung und das 54-seitige Magazin.
       
       23 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Aletta Shikolol
       
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