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       # taz.de -- Schwimmende Kraftwerke: Ankaras teurer Sofortstrom
       
       > Schwimmende Gaskraftwerke versorgen viele Küstenstaaten Afrikas mit
       > Strom. Auch Südafrika setzt auf diese kurzfristig attraktive Lösung.
       
   IMG Bild: LNG-Kraftwerk-Schiff von Karpowership
       
       Es sind schwimmende Energiefabriken, hunderte Meter lang, mit Gastanks und
       Brennkammern. Aus hohen Türmen entweicht oben CO2, unten speisen dicke
       Kabel Starkstrom an Land: Die schwimmenden Gaskraftwerke von Karpowership
       versorgen viele Küstenstaaten Afrikas mit Strom, und bald sollen sie auch
       vor Südafrika ankern.
       
       Der türkische Energiekonzern erhielt 2023 die ersten Genehmigungen für die
       Errichtung drei schwimmender Kraftwerke am Kap. Mit einer Kapazität von
       insgesamt 1.200 Megawatt sollen sie in den Häfen von Coega, Richards Bay
       und Saldanha ab 2024 bis zu 20 Jahre lang rund 2 Prozent des Strombedarfs
       Südafrikas erzeugen – und damit die notorischen Ausfälle des maroden
       Staats-Energieversorgers Eskom auffangen.
       
       Das Geld dafür kommt aus internationalen Klimaschutzmitteln. Auf der COP26,
       2021 in Großbritannien, sagten Industriestaaten Südafrika Darlehen und
       Förderung in Höhe von insgesamt 8,5 Milliarden Dollar zu, um den Ausstieg
       des Landes aus der Kohlekraft zu beschleunigen. Mit diesem Geld soll nun
       unter anderem Karpowership bezahlt werden, um Gaskraftwerke zu errichten,
       die weiter Treibhausgase freisetzen.
       
       Yegeshni Moodley von der NGO groundWork nennt es eine „Tragödie“, dass die
       Regierung glaube, mit fossilen Brennstoffen weitermachen zu können. „Wir
       brauchen ein Energiesystem in lokaler und demokratischer Hand“, sagt
       Moodley. Dies müsse „für die Menschen da sein“ und dürfe nicht von den
       Profitinteressen von Konzernen wie Karpowership angetrieben werden. In
       einer Zeit, in der Klimakatastrophen immer häufiger auftreten, sollte es
       „jedermanns Priorität sein, die Verbrennung fossiler Brennstoffe
       einzustellen“.
       
       Auch die lokalen Fischer, die selbst nach Auffassung von Südafrikas
       Umweltministerin Barbara Creecy nur unzureichend am Genehmigungsverfahren
       der Karpowership-Kraftwerke beteiligt wurden, sehen die Sache kritisch.
       Ebenso wie Umweltschutzorganisationen fürchten sie den Verlust natürlicher
       Lebensräume an Land und im Meer. „Was wird passieren, wenn wir nicht mehr
       fischen können? Wer wird dann Essen auf den Tisch bringen? Wie werden
       unsere Fischer ein Einkommen erzielen?“, fragt Tina Andrews, eine Fischerin
       aus Richards Bay.
       
       „Dieses Projekt wird die Meereswirtschaft zerstören, von der unser
       Überleben abhängt“, glaubt Tobby Hains, auch er ist ein Kleinfischer in
       Richards Bay. „Stattdessen sollten unsere Kinder zur Ausbildung nach
       Übersee geschickt werden, damit sie mit ihren Fähigkeiten nach Hause
       zurückkehren können.“
       
       ## Rund 600 Millionen Menschen sind in Afrika ohne dauerhafte
       Stromversorgung – eine enorme Entwicklungsbremse
       
       Zeynep Harezi, Chief Commercial Officer von Karpowership, hält dagegen: Der
       aus Flüssiggas gewonnene Strom der Schiffe werde „weniger als die Hälfte
       dessen kosten, was Eskom heute für die Stromerzeugung zahlt“. Südafrika
       habe eine „starke grüne Lobby“, die sicherstellen werde, dass Südafrika die
       Energiewende gelinge. Karpowership trage dazu bei, „indem wir Kohle
       ersetzen, die mehr als doppelt so viele Emissionen verursacht wie Erdgas“,
       sagt Harezi.
       
       Rund 600 Millionen Menschen sind in Afrika ohne dauerhafte Stromversorgung
       – eine enorme Entwicklungsbremse. Nirgendwo wachsen Bevölkerung und
       Wirtschaft so schnell, gleichzeitig scheitern viele Regierungen reihenweise
       daran, funktionierende Stromnetze aufzubauen und zu betreiben. Karpowership
       stößt seit Jahren in diese Lücke. Die Chancen für ihr Unternehmen in Afrika
       seien „immens“, sagt Harezi.
       
       Im Schatten Chinas und Russlands ist die Türkei seit Jahrzehnten um
       Einfluss in Afrika bemüht. 1998 präsentierte die Türkei ihren „Aktionsplan
       zur Öffnung Afrikas“. Seither sind diese Beziehungen ein zentraler Strang
       türkischer Außenpolitik. 2003 legte Ankara eine „Afrika-Strategie“ vor, um
       Handel und Direktinvestitionen anzukurbeln. Die Eintrittskarte für die
       türkische Wirtschaft waren technische Hilfe, Zusammenarbeit und
       Technologietransfer. 2005 und 2020 rief die Türkei zum „Jahr Afrikas“ aus
       und verstärkte ihre Bemühungen um wirtschaftliche und politische
       Beziehungen zu afrikanischen Ländern weiter.
       
       Sie bildet afrikanische Ärzte und Diplomaten aus, und nicht von ungefähr
       fliegt die staatliche Turkish Airline heute 38 von 54 afrikanischen Staaten
       und 62 Städte direkt an – mehr als jede andere nichtafrikanische
       Fluggesellschaft. Die Türkei will sich als islamische Großmacht in den
       subsaharischen Staaten etablieren, sie will geostrategischen Einfluss,
       Zugang zu den wachsenden Märkten und Zugriff auf Afrikas Rohstoffe.
       
       Mit Erfolg: 2008 verlieh die Afrikanische Union der Türkei den Status eines
       „Strategischen Partners“. Im selben Jahr besiegelten beim ersten
       Türkei-Afrika-Gipfel eine „Istanbuler Erklärung“ und ein
       „Kooperationsrahmen“ engere Beziehungen. Türkische Unternehmen haben
       bedeutende Infrastrukturprojekte in Afrika durchgeführt, und in der
       Zement-, Stahl-, Medizin- und Elektroindustrie investiert. Türkische NGOs
       und Hilfsorganisationen stützen die Präsenz der Türkei auf dem Kontinent.
       In milliardenschweren Public-private-Partnerships entstanden Straßen,
       Kraftwerke, Eisenbahnen, Flughäfen, Kraftwerke, Hotels, Wohnungen,
       Konferenzzentren. Der bilaterale Handel zwischen der Türkei und dem
       Kontinent stieg von 5,4 Milliarden US-Dollar im Jahr 2003 auf 40,7
       Milliarden US-Dollar im Jahr 2022. Der Auftragswert der von türkischen
       Unternehmen auf dem Kontinent durchgeführten Bauprojekte schoss auf 85
       Milliarden US-Dollar hoch. Immer häufiger stach die Türkei dabei auch die
       Konkurrenz aus China aus.
       
       Wie sehr sich der Kontinent dabei auch in eine wirtschaftliche Abhängigkeit
       begibt, zeigte sich Ende 2023 in Sierra Leone und Guinea Bissau: Hier
       stellte Karpowership den Strom ab, nachdem die Behörden Rechnungen in Höhe
       von 40 beziehungsweise 15 Millionen US-Dollar nicht bezahlt hatten. Unter
       anderem in Krankenhäusern gab es laut Berichten der BBC deshalb
       vorübergehend kein Wasser mehr. Die Karpowership-CCO Zeynap Harezi weist
       allerdings darauf hin, dass die Stromversorgung wiederhergestellt wurde,
       nachdem die Verträge neu verhandelt worden seien.
       
       Die Energieschiffe sind für viele Regierungen armer Länder als kurzfristige
       Lösung attraktiv: Sie bieten praktisch sofort vergleichsweise sauberen
       Strom. Gleichzeitig fressen sie die Mittel auf, die für den langfristigen
       Aufbau einer eigenen Erneuerbaren-Energie-Wirtschaft benötigt würde.
       „Karpowership ist nicht Südafrikas Ritter in glänzender Rüstung, der hier
       ist, um die Energiekrise zu lösen“, sagt Liz McDaid von der Umwelt-NGO The
       Green Connection.
       
       Doch das Unternehmen versorgt schon heute acht afrikanische Staaten,
       darunter Ghana, Senegal, Mosambik und die Elfenbeinküste, mit Strom. Und
       bald sollen weitere dazukommen: „Wir sind in ständigem Kontakt mit
       Tansania, Kenia, Gabun, der Demokratischen Republik Kongo, Kamerun und
       Liberia“, sagt Zeynap Harezi dem Magazin Semafor.
       
       [1][Hier] erfahren Sie mehr über den Afrika-Workshop der taz Panter
       Stiftung und das 54-seitige Magazin.
       
       22 Jan 2024
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
   DIR Dianah Chiyangwa
       
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