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       # taz.de -- Right Livelihood Award an Umweltschützer: Vater Staat gegen Mutter Natur
       
       > Aktivisten der Umweltorganisation Mother Nature aus Kambodscha erhalten
       > am Mittwoch den Alternativen Nobelpreis. Vorher sprachen sie mit der taz.
       
   IMG Bild: Umweltaktivisten von Mother Nature Cambodia bei einer undatierten Protestaktion
       
       Berlin taz | „Kreativität ist der Schlüssel zu unserem Erfolg“, sagt Ly
       Chandaravuth. Der 23-jährige Kambodschaner ist Fundraiser der
       Umweltorganisation [1][Mother Nature Cambodia] in Phnom Penh. Für die
       Organisation wird er an diesem 29. November mit zwei Kolleginnen in
       Stockholm den [2][Right Livelihood Award] in Empfang nehmen, der als
       Alternativer Nobelpreis bekannt ist. Auf dem Weg in die schwedische
       Hauptstadt haben die drei der taz in Berlin von ihrer Arbeit berichtet.
       
       „Kambodschas junge Generation ist höher gebildet als ihre Eltern, mit den
       sozialen Medien vertraut und hat von der Diktatur die Nase voll“, sagt Sun
       Ratha. Die 28-Jährige ist bei Mother Nature für Finanzen zuständig. Wie Ly
       saß auch Sun schon fünf Monate für ihren Aktivismus im Gefängnis. Dennoch
       sprudeln beide nur so vor Energie und Idealismus.
       
       Zweifellos ist auch Mut ein Erfolgsfaktor der Organisation, wie es in der
       [3][Begründung zur Vergabe des Preises] an sie heißt. Die Aktivisten von
       Mother Nature „schützen Kambodschas natürliche Ressourcen und setzen sich
       trotz wachsender Unterdrückung durch die Regierung für Menschenrechte und
       Demokratie ein“, erklärte die Right-Livelihood-Stiftung bei Bekanntgabe der
       diesjährigen Preisträger Ende September.
       
       Mother Nature nutzt zur Aufklärungs- und Kampagnenarbeit
       öffentlichkeitswirksame Aktionen, die per Video dokumentiert und dann über
       soziale Medien verbreitet werden. Dabei bringt die Organisation junge
       Menschen aus der Stadt direkt mit ländlichen Bevölkerungsgruppen zusammen,
       die von Umweltzerstörungen besonders betroffen sind.
       
       ## Regime erlaubt manchen die Reise nach Stockholm nicht
       
       „Wir wurden festgenommen, als wir aus einem Fluss Wasserproben entnommen
       haben“, sagt Sun über die Risiken ihrer Arbeit. „Uns wird Verschwörung
       gegen die Regierung vorgeworfen, später kam noch der konstruierte Vorwurf
       der Majestätsbeleidigung hinzu, weil wir in einer internen Zoom-Konferenz
       über eine Karikatur des Königs gesprochen haben.“
       
       Ly und Sun wollten eigentlich mit drei weiteren Kollegen zur
       Preisverleihung nach Stockholm reisen. Diese hatten schon jeweils 14 Monate
       im Gefängnis gesessen und waren nur auf Kaution frei. Doch erlaubte das
       Gericht den dreien die Reise nicht. Die sei „nicht nötig“, erklärte der
       zuständige Staatsanwalt in Verhöhnung der internationalen Anerkennung von
       Mother Nature laut [4][Cambojanews]. Dabei ist die Organisation die erste
       in Kambodscha überhaupt, die den prestigeträchtigen Preis bekommt.
       
       Doch weder mithilfe einer Protestaktion, bei der die Aktivisten laut dem
       US-Sender [5][Radio Free Asia] in Ketten demonstrierten, noch per Eingabe
       bei Gericht konnte das Reiseverbot aufgehoben werden. Das zeigt, dass es in
       Kambodscha auch unter dem neuen seit August amtierenden Ministerpräsidenten
       [6][Hun Manet], Sohn des Langzeitherrschers Hun Sen, nicht liberaler zugeht
       als unter seinem autoritären Vater.
       
       Mother Nature wurde 2012 gegründet und konnte 2015 durch eine überraschend
       erfolgreiche Mobilisierung den Bau eines Staudamms im Areng-Tal verhindern.
       Das Wasserkraftwerk hätte dramatische Auswirkungen auf die umliegende
       Umwelt und auf betroffene Gemeinschaften gehabt. Doch der Achtungserfolg
       alarmierte die Regierung, die seitdem immer repressiver gegen Mother Nature
       vorgeht.
       
       ## Mother Nature ist Sand im Getriebe der Korruption
       
       Trotzdem erreichte die Organisation 2016 mit ihrer Kampagne gegen illegalen
       Sandabbau an Küsten und in Flüssen einen weiteren Erfolg. Sand ist für
       Asiens boomende Bauindustrie ein immer mühsamer und teurer zu beschaffender
       Rohstoff. Doch die Saugbagger zerstören Fischgründe und Mangrovenwälder.
       Mother Nature wies durch Vergleiche von Kambodschas offiziellen
       Sand-Exportdaten mit den Einfuhrzahlen wichtiger Empfängerländer Korruption
       und Betrug im großen Stil nach.
       
       In einem der Kampagnenvideos, die zum Teil Millionen Aufrufe haben, hatten
       sich Aktivisten bis [7][zum Hals im Sand eingraben lassen]. 2016 sah sich
       die Regierung wegen großem öffentlichen Druck gezwungen, ein
       Exportmoratorium für Sand zu verhängen und ein Jahr später seine Ausfuhr
       ganz zu verbieten. Leider sieht die Praxis noch anders aus.
       
       Der spanische Mitgründer von Mother Nature wurde schon 2015 aus Kambodscha
       ausgewiesen. 2017 wurde der Organisation die Registrierung entzogen und
       dafür eine Konkurrenzorganisation mit gleichem Namen gegründet. Heute
       kämpft Mother Nature vor allem für den Schutz von Koh Kong, Kambodschas
       größter Insel, um sie von einem privaten Investmentprojekt in ein
       Naturschutzgebiet zu verwandeln.
       
       „Seit 2021 haben wir mehr als 1.000 junge Leute nach Koh Kong gebracht und
       ihnen vermittelt, wie wichtig der Schutz der Umwelt ist“, sagt Ly. „Dies
       hilft uns auch, selbst Nachwuchs zu rekrutieren.“ Er klingt wie ein
       Werbefachmann, wenn er wie selbstverständlich vom Branding der Organisation
       sprich.
       
       Mother Nature ist durch seine clevere Kombination direkter mutiger Proteste
       zusammen mit der Zivilbevölkerung sowie mit seiner digitalen
       Aufklärungsarbeit eine Ausnahme nicht nur in Kambodscha. Dort trauen sich
       kaum noch Menschen überhaupt, ihre Stimme zu erheben. „Wir stehen unter
       großem Druck und wären ohne Nachwuchs längst stark dezimiert“, sagt Sun.
       „Doch unser Aktivismus macht den Menschen Mut.“
       
       Neben Mother Nature erhalten an diesem Mittwoch auch die
       Frauenrechtsaktivistin Eunice Brookman-Amissah aus Ghana, die
       Umweltschützerin Phyllis Omido aus Kenia und die Hilfsorganisation SOS
       Méditerranée den Right Livelihood Award.
       
       29 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://mothernaturecambodia.org/
   DIR [2] /Alternative-Nobelpreise-2023/!5963046
   DIR [3] https://rightlivelihood.org/2023-announcement/l2/
   DIR [4] https://cambojanews.com/court-bars-mother-nature-activists-from-leaving-the-country-to-accept-international-award/
   DIR [5] https://www.rfa.org/english/news/cambodia/mother-nature-petition-10172023164700.html
   DIR [6] /Neuer-Premierminister-in-Kambodscha/!5952586
   DIR [7] https://www.youtube.com/watch?v=BLmK6KG6iTg
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Sven Hansen
       
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