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       # taz.de -- Hausprojekt in Chemnitz: Identitäre versuchen es noch mal
       
       > Vor drei Jahren scheiterten die Rechtsextremen mit einem Hausprojekt in
       > Halle. Nun gibt es einen neuen Versuch in Chemnitz – und erneut
       > Gegenwind.
       
   IMG Bild: Die rechtsextreme Identitäre Bewegung veranstaltete 2019 eine Kundgebung in Halle
       
       Berlin taz | Mit Wunderkerzen posieren die Identitären vor ihrem neuen Haus
       in Chemnitz, zeigen sich so auf einem Foto. Seit Monaten wollen die
       Rechtsextremen daran gearbeitet und das Gebäude auch schon für interne
       Veranstaltungen genutzt haben. Am Wochenende nun machte die Gruppe es
       öffentlich. Mit dem „Identitären Hausprojekt“ schaffe man ein „Zentrum für
       Gegenkultur“, tönte die Gruppe.
       
       Damit schaffen es die [1][kriselnden Identitären], seit Längerem mal wieder
       auf sich aufmerksam zu machen. Vor Jahren machte die rechtsextreme Bewegung
       noch [2][mit Besetzungsaktionen Schlagzeilen], eröffnete auch in Halle ein
       Hausprojekt. Dann aber verliefen sich die Aktionen, auch das Zentrum in
       Halle [3][schloss nach Protesten Ende 2019].
       
       Teile der Identitären waren aber weiter aktiv, reihten sich in Corona- oder
       Anti-Asyl-Proteste ein, fabulierten weiter von einem „großen Austausch“ der
       deutschen Bevölkerung durch Zugewanderte. In Sachsen erfolgte das in
       Camouflage: Schon im August benannten sich die Identitären dort in
       „Sachsengarde“ um, versicherten aber, die Aktionen der Identitären
       „nahtlos“ fortzusetzen. Es folgten asylfeindliche Banneraktionen und eine
       [4][kurzzeitige Besetzung einer geplanten Geflüchtetenunterkunft in
       Dresden].
       
       ## Kauf im Sommer abgewickelt
       
       Nun folgt das Hausprojekt in Chemnitz, versteckt am Westrand der Stadt, in
       der Edisonstraße. Und das hat tatsächlich einen Vorlauf. Schon im Oktober
       2022 hatten der Identitären-Bundeschef Philipp Thaler und der Chemnitzer
       Ortsgruppenleiter Vincenzo Richter die „T&R Chemnitz Immobilien UG“
       gegründet. Diese kaufte nach taz-Informationen dann im Sommer das Eckhaus.
       
       Laut Sachsens Innenministerium erfolgte die Eröffnung bereits am 3.
       November – publik machten sie die Identitären aber erst jetzt. Zu der Feier
       reisten Gleichgesinnte aus dem Bundesgebiet an, auch Vertreter der
       AfD-Jugend und der AfD-Bundestagsabgeordnete Roger Beckamp – obwohl die
       Identitären bei der AfD [5][auf der Unvereinbarkeitsliste stehen].
       Veranstalten wollen man künftig Vorträge, Buchvorstellungen oder
       „Barabende“, kündigt das Projekt an. Der erste öffentliche Termin soll am
       8. Dezember stattfinden, mit einem Vertreter des ebenfalls
       [6][rechtsextremen Compact-Magazins].
       
       ## Stadt sieht für sich keine Handhabe
       
       Ein Sprecher der Stadt Chemnitz sagte der taz, das Identitären-Hausprojekt
       sei bekannt. „Als Stadtverwaltung sehen wir es kritisch, dass in Chemnitz
       ein weiteres Objekt eröffnet wird, welches genutzt wird, um
       verfassungsfeindliche Propaganda zu verbreiten.“ Die Stadt habe aber „keine
       Handlungsoptionen, um die Nutzung zu unterbinden“. Die Aufklärung über die
       extremistische Gefahr sei nun Aufgabe des Verfassungsschutzes, für
       Straftaten sei die Polizei zuständig.
       
       Das sächsische Innenministerium von Armin Schuster (CDU) bestätigte, dass
       die Identitären-Immobilienfirma von Richter und Thaler das Haus in Chemnitz
       kauften. Jenseits der Eröffnung seien bisher keine weiteren Veranstaltungen
       bekannt, so ein Sprecher. Die Sicherheitsbehörden hätten aber „im Sinne
       einer wehrhaften Demokratie ein legitimes Interesse, dem Auf- und Ausbau
       rechtsextremistischer Strukturen frühzeitig entgegenzuwirken“.
       
       Laut Ministerium wurde bereits das Expertennetzwerk Rechtsextremismus bei
       der Landesdirektion Sachsen über das Identitären-Hausprojekt informiert.
       Das Gremium soll Kommunen unbürokratisch im Umgang mit Szeneobjekten
       beraten. Zudem habe man Chemnitz und andere Kommunen eine Handreichung
       übersandt, wie mit rechtsextremen Veranstaltungen in solchen Objekten
       „optimal“ umgegangen werden könne – etwa über den Brandschutz,
       Gesundheitsvorschriften oder das Bau-, Gewerbe- und Straßenrecht.
       
       ## SPD und Grüne machen Druck
       
       Druck kommt auch von der mitregierenden SPD und den Grünen. Der
       SPD-Innenexperte Albrecht Pallas nannte das Identitären-Hausprojekt „eine
       weitere demokratiebedrohende Raumnahme von Rechtsextremist:innen in
       sächsischen Kommunen“. Es seien oft Privatleute, die „ohne Anstand und
       Moral“ Demokratiefeinden solche Objekte wie in Chemnitz zur Verfügung
       stellten, so Pallas zur taz. Nun brauche es „eine starke Zivilgesellschaft,
       eine demokratieliebende Nachbarschaft und schnell handelnde Behörden, die
       sich den Rechtsextremist:innen entgegenstellen“. Auch müssten die
       [7][Finanzmittel der Szene] „trockengelegt werden“.
       
       Auch der Grünen-Innenpolitiker Valentin Lippmann sagte der taz, die
       Identitären-Immobilie sei „ein weiterer Beleg dafür, dass Rechtsexremisten
       in Sachsen immer mehr Rückzugsraum suchen und finden“. Die Maßnahmen gegen
       solche Szeneimmobilien müssten weiter intensiviert und in Chemnitz
       „sämtliche rechtliche Möglichkeiten geprüft und ausgeschöpft werden, um
       eine tatsächliche Nutzung der Immobilie auszuschließen“.
       
       Das Bundesamt für Verfassungsschutz stufte die Identitäre Bewegung bereits
       2019 als rechtsextrem ein, rechnet ihr bundesweit aktuell 500 Mitglieder
       zu. Zuletzt war die Gruppierung vor allem auf Social Media aktiv, hält mit
       „Ozident Media“, „Phalanx Europa“ und „Schanze Eins“ aber auch eine
       Medienagentur, einen Onlineshop und ein Finanzunternehmen.
       
       In Sachsen sollen 50 Mitglieder aktiv sein, die Chemnitzer Ortsgruppe
       gehörte hier zuletzt schon zu den aktivsten. Ihr Anführer Vincenzo Richter
       sitzt seit dem Sommer zudem in Chemnitz im Aufsichtsrat der kommunalen
       Veranstaltungsgesellschaft. Dorthin entsandte ihn die rechtsextreme
       Stadratsfraktion „Pro Chemnitz“.
       
       28 Nov 2023
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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