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       # taz.de -- Verhandlungen zu Feuerpause in Nahost: Sie reden wieder
       
       > Israel, die Hamas und weitere Partner verhandeln in Ägypten erneut über
       > eine Feuerpause. Die israelische Regierung will weitere Geiseln
       > austauschen.
       
   IMG Bild: Bewohner eines Gebäudes in Deir al-Balah suchen in den Trümmern ihres Hauses nach Überresten ihres Besitzes
       
       Noch gibt es keine Einigung, doch immerhin: Die Verhandlungen über eine
       weitere Feuerpause im Nahen Osten laufen wieder. Israel soll die erneute
       temporäre Feuerpause angeboten haben. Die Zeit soll genutzt werden, um
       israelische Geiseln gegen palästinensische Gefangene auszutauschen. Das
       Ende der Verhandlungen wird innerhalb der nächsten Tage erwartet.
       
       [1][Seit dem Bruch der Feuerpause Anfang Dezember] hatte es keine
       Verhandlungen zwischen der israelischen Regierung und der islamistischen
       Hamas gegeben. Hamas-Führer hatten zuletzt immer wieder erklärt, erst mit
       einem längerfristigen Waffenstillstand die Gespräche wieder aufnehmen zu
       wollen. Doch bereits vor ein paar Tagen sind katarische, US-amerikanische
       und israelische Vertreter*innen zusammengekommen, um miteinander zu
       reden. Am Mittwochmorgen reiste auch Ismail Haniyeh, der in Katar lebende
       Anführer der Hamas, nach Ägypten.
       
       Laut der amerikanischen Nachrichtenseite Axios sieht der zu diskutierende
       israelische Vorschlag eine mindestens einwöchige Feuerpause vor. Mindestens
       40 Geiseln sollen freigelassen werden. Israel deutete an, dass im Gegenzug
       dafür palästinensische Gefangene freigelassen werden könnten. Die
       palästinensischen Gefangenen, [2][die im Rahmen der früheren Vereinbarung
       freigelassen worden waren,] sollen wegen geringfügigen Delikten eingesessen
       haben. Israelischen Beamten zufolge sitzen Dutzende palästinensische
       Gefangene ein, die wegen schwerwiegender Angriffe auf Israel verurteilt
       wurden, aber alt oder krank sind und im Rahmen eines humanitären Abkommens
       freigelassen werden könnten.
       
       ## Natanjahu zieht Zorn auf sich
       
       Unterdessen traf sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Dienstagabend
       mit einer Auswahl von Familienangehörigen von Geiseln und zog damit den
       Zorn vieler Familien auf sich, die nicht eingeladen worden waren. Sie
       werfen ihm vor, schlechte Presse vermeiden zu wollen: Ein früheres Treffen
       mit den Familien war sehr angespannt und hitzig verlaufen. Auf
       Tonbandaufnahmen von dem Treffen war heftige Kritik an Netanjahu und seiner
       Regierung zu hören gewesen. Eine Wiederholung dessen wolle er offenbar
       vermeiden.
       
       Seit der fatalen [3][Tötung dreier Geiseln durch israelische Soldaten] vor
       einigen Tagen ist die Wut unter den Familien noch gewachsen. Die
       israelische Regierung hatte immer wieder betont, dass die Geiseln nur mit
       militärischem Druck befreit werden könnten. Freigelassene Geiseln und
       Familienangehörige hingegen hatten immer wieder auf die Gefahren dieser
       Strategie hingewiesen.
       
       Ob sich die Hamas tatsächlich auf die Freilassung von Geiseln einlässt,
       ohne eine längerfristige Feuerpause oder gar einen Waffenstillstand zu
       erzielen, ist fraglich. Der hochrangige Hamas-Führer Ghazi Hamad sagte
       gegenüber dem katarischen Fernsehsender al-Dschasira, dass die Hamas kein
       Interesse daran habe, Geiseln freizulassen, um danach von Israel
       bombardiert zu werden. Deswegen sei das Ziel der militant-islamistischen
       Organisation, einen permanenten Waffenstillstand zu erzielen.
       
       ## Was aus dem Gazastreifen werden soll, bleibt ungewiss
       
       Die militärische israelische Führung plant, dass der Krieg im Gazastreifen
       im Laufe des Januars in die nächste Phase übergehen soll: weg von einer
       umfassenden Bodenoffensive hin zu Razzien bei der Verfolgung von
       hochrangigen Hamas-Führern und anderen Zielen.
       
       Doch noch immer ist unklar, was aus dem Gazastreifen werden soll, wenn der
       Krieg vorbei ist. Der amerikanischen Tageszeitung Wall Street Journal
       zufolge führt der politische Flügel der Hamas derzeit Gespräche mit der das
       Westjordanland kontrollierenden, rivalisierenden Fatah darüber, wie der
       Gazastreifen und das Westjordanland nach dem Ende des Krieges regiert
       werden sollen. Diese Gespräche sollen zu Konflikten mit dem Chef des
       militärischen Flügels der Hamas, Yahya Sinwar, geführt haben.
       
       Dem Wall Street Journal zufolge gibt es Hinweise darauf, dass die
       politische Führung der Hamas bereit sein könnte, sich der Palästinensischen
       Befreiungsorganisation (PLO) anzuschließen und Verhandlungen im Rahmen
       einer Einheitsregierung für einen palästinensischen Staat in den Grenzen
       von 1967 zu unterstützen. Sinwar habe einen Abbruch dieser Gespräche
       gefordert.
       
       Die US-Regierung hat in den vergangenen Wochen immer wieder auf eine
       Zweistaatenlösung gedrängt und darauf, dass die Palästinensische
       Autonomiebehörde die Kontrolle im Gazastreifen übernehmen soll.
       Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat diesen Vorschlag in den
       vergangenen Wochen immer wieder in deutlichen Worten zurückgewiesen und
       erklärt, er werde nicht zulassen, dass „Hamastan“ durch „Fatahstan“ ersetzt
       würde, also dass die Kontrolle im Küstenstreifen von der Hamas an die
       Fatah-Partei geht, die im Moment die Palästinensische Autonomiebehörde im
       Westjordanland kontrolliert.
       
       20 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
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