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       # taz.de -- Traditionelle deutsche Tugenden: Grundgesetz lesen schadet nicht
       
       > Warum Angela Merkel endlich zurücktreten muss und Taylor Swift als
       > „Person of the Year“ eine jedenfalls zu frühe Wahl ist. Am Ende zählt eh
       > die Geste.
       
   IMG Bild: Wird sie die Krisen beenden? Taylor Swift in Chicago am 2. Juni 23
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Zähes Regieren.
       
       Und was wird besser in dieser? 
       
       Nennen wir es „Pleitetainment“.
       
       Den Haushalt für 2024 gibt es erst – 2024. Grund genug für Neuwahlen? 
       
       Ja, Merkel muss zurücktreten. Schon wieder. Ihre unionsgeführte Regierung
       verzauberte 2021 Corona-Gelder in Klimaschutz-Investitionen. [1][Die damals
       oppositionelle FDP schäumte:] Das verstieße gegen die Pflicht zur
       Jährlichkeit von Haushalten und sei „alles andere als generationengerecht“.
       Sucht man also einen heute noch aktiven Politiker, der alles gewusst und
       trotzdem mitgemacht hat – traditionelle deutsche Tugenden – käme Christian
       Linder mit etwas Glück als Mitläufer davon. Paar Sozialstunden im
       Kindergarten, aber lasst ihn bitte nicht an die Kasse. Nun will er keine
       Steuererhöhungen, keine neuen Schulden, darf kein Sondervermögen, und mit
       diesen drei Nullen reichlich Mehrausgaben finanzieren. Würde er einen
       liberalen Heldentod planen, müsste er nichts anders machen. Das riecht
       mindestens so nach einer Erpressung der Ampel wie nach einer schicken
       Erzählung für einen Wahlkampf. Nur halt nicht nach Verantwortung.
       
       Sachsen-Anhalt verlangt bei der Einbürgerung künftig ein Bekenntnis zum
       Existenzrecht Israels. Wie stehen Sie dazu? 
       
       Ein anderer ostdeutscher Minister, Johann Wolfgang von Goethe, schrieb: „So
       fühlt man Absicht, und man ist verstimmt“. Hier etwa die Absicht, Israel
       als Werkzeug zu benutzen, um anti-islamische Stimmung zu machen. Es wird
       suggeriert, israelbezogener Antisemitismus sei ein Zuwanderer. Hitler,
       Österreicher, klar. Die „Staatsräson“, auf die da geschworen werden soll,
       steht in keinem deutschen Gesetz und war ein lieber Strauß Rhetorik, den
       Merkel mit in die Knesset brachte. Sorgfältige Lektüre des Grundgesetzes
       ergibt auch das Existenzrecht Israels. Darauf zu schwören, genügt.
       
       Auch die AfD in Sachsen wird jetzt vom Verfassungsschutz als
       rechtsextremistisch eingestuft. Überraschend? 
       
       Nach Thüringen und Sachsen-Anhalt: nein. Und hat es dort die AfD
       geschwächt? Auch nein. Es ist also erstmal ein Akt demokratischer Hygiene,
       das Offenbare beim Namen zu nennen. Der Verfassungsschutz schuldet es den
       Demokraten, auch wenn er damit die AfD den Undemokraten nochmal besonders
       appetitlich anrichtet. Die schmähen ihn bereits als „Regierungsschutz“
       und lassen damit ahnen, was sie mit diesem Werkzeug anstellen werden, wenn
       sie es in die Hände kriegen. Und die Hände sind nah dran. Also: Die Geste
       zählt.
       
       Die Frankfurter Rundschau hat [2][drei Journalist:innen entlassen], die
       sich in ihrer Probezeit an einem Warnstreik beteiligt haben. Ist das das
       Ende oder der Anfang der Proteste bei der FR? 
       
       Nein, Werbung. Wer Journalismus von Leuten sucht, die auch mal im eigenen
       Laden das Maul aufmachen, sollte die FR meiden. Das ist ungerecht gegenüber
       vielen tapferen und sehr guten KollegInnen dort. Mehrheitseigner
       [3][Ippen], der schon d[4][ie exklusive Investigation über Zustände bei
       Springer um den Fisch wickelte,] löst nun ein Digitalangebot und einen
       Klimapodcast auf. Und begründet die Rauswürfe so. Wer ein Abo der FR
       einwirbt, kann als Prämie ein Dart-Board-Set kassieren. Vielleicht kann man
       da auf Namen von KollegInnen werfen.
       
       Der 11. Dezember ist der Tag im Jahr, an dem die meisten Menschen ihren
       Facebook-Status zu „Single“ ändern. Where is the love?! 
       
       Keine Ahnung, normal explodieren Familien und Beziehungen zu Weihnachten:
       Hohe Erwartungen, Stress, Enttäuschung, Prost. Vielleicht ist die
       Statusänderung vorher so ’ne Art Wunschzettel. Wie man so schön sagt: Wir
       schenken uns nichts.
       
       Taylor Swift ist [5][„Person of the Year“.] Wer ist Ihre Person des Jahres? 
       
       Swift ist der erste lupenreine Popstar auf der Liste seit 1927, wenn man
       Greta Thunberg (2019), Queen Elisabeth (1952) und ein paar Sammelklagen –
       „american women“ (1975), „the good samaritans“ einschließlich Bono und U2
       so aussortieren kann. Swift tut keinem weh und hat sich hie und da
       politisch verortet – möge die Auflage mit ihr sein. Die wahre Person 2023
       erfahren wir frühestens 2024, wenn einer eine der akuten Katastrophen
       beendet.
       
       Und was machen die Borussen? 
       
       Wenn diese 80.000 per Auto vom Stadion wegströmen und man eigentlich nur
       schnell noch ’ne Milch kaufen gehen wollte – ist eine Heimniederlage eins
       zuviel.
       
       Fragen: Leyli Nouri und Lara Ritter
       
       10 Dec 2023
       
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