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       # taz.de -- Die Wahrheit: Comeback des Killerfischs
       
       > Die Renaissance des Räucherherings kündigt sich. In den siebziger Jahren
       > war der „Kipper“ unbedingt notwendiger Bestandteil des englischen
       > Frühstücks.
       
       Englisches Frühstück ist mehr als gewöhnungsbedürftig. Es besteht aus einem
       Haufen gebratenem Zeug wie Würstchen, Speck, Champignons und „Black
       Pudding“, was keineswegs eine Süßspeise ist, sondern eine gebratene und in
       Scheiben geschnittene Blutwurst.
       
       Der „Lonely Planet Guide“ lässt kein gutes Haar an dem morgendlichen
       Angriff auf die Leber: „Touristen scheinen das traditionelle englische
       Frühstück zu mögen, weil sie solche Sachen zu Hause nicht oft essen. Täten
       sie es, würden sie sterben.“ Wer in den siebziger Jahren in einem
       englischen Hotel oder Bed & Breakfast übernachtete, wurde mit einer noch
       absonderlicheren Frühstücksspezialität konfrontiert: Kipper! Das ist ein
       kaltgeräucherter Hering, der vor dem Verzehr wie ein Schmetterling
       aufgeklappt und – natürlich – gebraten wird.
       
       Einen Auftritt als vermeintlicher Killer hatte der Kipper in der
       wunderbaren Serie „Fawlty Towers“. In der Episode „Der Räucherfisch und die
       Leiche“ von 1979 stirbt ein Hotelgast in seinem Bett, aber der
       Hoteleigentümer Basil Fawlty (John Cleese), der dem Gast ein paar Kipper
       zum Frühstück serviert, bemerkt das nicht und hält ihn wegen seiner
       Schweigsamkeit für unhöflich. Als eine Angestellte den toten Gast später
       findet, glaubt Fawlty, er habe ihn mit dem Räucherfisch vergiftet, weil
       dessen Haltbarkeitsdatum überschritten war. Der Versuch, die Leiche
       unauffällig zu entsorgen, geht gründlich schief.
       
       Das Wort „Kipper“ stammt möglicherweise vom altenglischen „cypera“ ab, was
       „Kupfer“ bedeutet und die Farbe des Fisches nach dem Räuchern beschreibt.
       Im Ersten Weltkrieg hat man etwas nachgeholfen und die Heringe mit
       Kohleteer angestrichen, um den Räucherprozess zu verkürzen und den Profit
       zu erhöhen. Diese Fische hießen „Painted Ladies“.
       
       Ende der siebziger Jahre schien der Kipper dankenswerterweise als
       Frühstücksfisch erledigt, weil die Nordsee leergefischt war. Anna Turns
       malt im Guardian aber nun das Unheil an die Wand: Der Kipper plane ein
       Comeback, schreibt sie. Die Bestände haben sich erholt, berühmte Köche wie
       Rick Stein und Richard Corrigan servieren das Tier neuerdings zum Dinner,
       und von dort ist es nur ein kleiner Sprung auf den Frühstückstisch.
       
       In den englischen Supermärkten ist der Heringsverkauf seit 2021 um ein
       Viertel gestiegen. Es gibt sogar eine Wanderausstellung namens Kipperland,
       bei der die Meerestiere auf Landbewohner treffen. 2019 ist der Kipper sogar
       im Unterhaus aufgetreten, als der spätere Premierminister Boris Johnson ein
       Exemplar im Parlament schwenkte und behauptete, die Europäische Union
       bestehe darauf, dass beim Postversand von Räucherheringen für ausreichende
       Kühlung gesorgt werde. Die EU antwortete, sie habe damit nichts zu tun: Es
       sei ein britisches Gesetz.
       
       So war die Affäre des öligen Fischs mit dem schmierigen Politiker nur von
       kurzer Dauer.
       
       11 Dec 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Sotscheck
       
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