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       # taz.de -- Die Wahrheit: Mein Leben als Sargnagel
       
       > Von drei Arten Albträumen verfolgt zu werden, ist kein angenehmes
       > Schlummererlebnis. Da hilft nur Entdramatisierung im realen Dasein.
       
   IMG Bild: Bisher handelsübliche Passauer Droge: Bier in Humpen
       
       Es gibt drei Arten von Albträumen, die mich stets wieder verfolgen. Es sind
       dies kurz gesagt: die durchgefallene Prüfung; der beginnende Weltkrieg; die
       schlussmachende Freundin. Drei Katastrophen unterschiedlichen Ausmaßes, von
       denen mich nur ein bis zwei tatsächlich ereilt haben im halben Jahrhundert,
       das ich auf dem Buckel habe.
       
       Dabei gilt: Abitur, Führerschein, Zwischenprüfung – alles im ersten Anlauf
       geschafft. Das war es dann aber auch. Waffenschein habe ich keinen,
       stattdessen Zivildienst statt Wehrdienst. Und immer noch behaupte ich gegen
       den Zeitgeist: Gott sei dank. Obwohl mir auch dort manch Schrecklichkeit
       widerfuhr – Verfall und Tod, Zerrüttung und Chefinnen mit Vorgartentick
       sind kein Pappenstiel. Von den unwirtlichen Aufstehzeiten ganz zu
       schweigen.
       
       Die letzte der Plagen, die schlussmachende Freundin, ereilte mich diverse
       Male; und obwohl ich denke, dass in Sachen Schlussmachen insgesamt eine
       Ausgeglichenheit herrscht, heimsucht mich dieser Traum allemal wieder. In
       den filmreifsten Albversionen wird mir die Nachricht vom Ende erst nach
       Monaten zugesteckt – in einem Taxi auf der Fahrt zu ihr. Woraufhin Fahrer
       und ich prompt die Fahrtrichtung ändern müssen.
       
       Bei Stefanie Sargnagel, der ich gern auf den sozialen Medien folge wie so
       ein Anfänger-Stalker, las ich kürzlich den Satz: „Mit manchen Männern kann
       man nicht früh genug Schluss machen.“ Oder so ähnlich, die entsprechende
       „Story“ ist schon wieder in die digitale Nachwelt gekübelt worden,
       gecancelt wie ein toxischer Boyfriend.
       
       Im Prinzip stimme ich dem Satz sogar vollen Herzens zu; allerdings: Was ist
       bloß aus der zweiten Chance geworden? Der Resozialisierung? Was ist an all
       den Männern so falsch, und was ist mit all den Frauen los? Mich wundert,
       dass niemand von „toxischer Weiblichkeit“ schreibt, außer rechte
       Idiotenforen, die ich nicht lese. Bevor ich jetzt nietzeanisch
       herumlaviere: Kann ich die Waffen noch mal sehen?
       
       Neulich habe ich „die“ Sargnagel, wie es in Wien heißt, in der Tram
       gesehen. Beziehungsweise meine Freundin, die mich mit Grimassen und
       klandestinen Handzeichen auf sie aufmerksam machen wollte. Die Sargnagel
       entschwand in ihrem prämilitärischen Einheitslook – Adidas Sambas,
       Strumpfhosen, doch ohne Baskenmütze – in der Glitzerwelt des 15.
       Gemeindebezirks, nach Rudolfsheim-Fünfhaus.
       
       Meine Freundin machte daraufhin nicht mit mir Schluss. Überhaupt, mehr
       Entdramatisierung wagen, das sollte das Motto der Zeit sein. Da sind die
       Sargnagel und ich uns sogar einig, glaube ich. Alberne Spielchen, Drama,
       neurotisches Verhalten, Blocken und den Verehrer auf Asiamärkten stehen
       lassen – das braucht kein Mensch. Beim nächsten Mal schreibe ich dann
       wieder über den Uniabschluss, den ich nie gemacht habe.
       
       Davon träume ich noch heute.
       
       12 Dec 2023
       
       ## AUTOREN
       
   DIR René Hamann
       
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