# taz.de -- Die Verständnisfrage: Warum mansplainen Männer so häufig?
> Ein Leser fragt, wieso Männer oft Frauen von oben herab Dinge erklären.
> Ein Professor für Gender Studies antwortet.
IMG Bild: Erdrückend vollgequatscht
In der Verständnisfrage geht es jede Woche um eine Gruppe, für deren
Verhalten der Fragesteller_in das Verständnis fehlt. Wir suchen eine
Person, die antwortet.
Stefan Dietz, 56, Hausmann aus Berlin, fragt:
Liebe Männer, warum mansplainen wir so häufig?
Stefan Hirschauer, 63, Professor für Gender Studies an der Uni Mainz,
antwortet:
Diese Frage unterstellt, dass Männer tatsächlich häufiger als Frauen
Sachverhalte auf eine herablassende Art erklären, weshalb man [1][dies
„mansplainen“ nennen müsse]. Und sie setzt voraus, dass klar ist, was
Männer eigentlich sind.
Mansplaining ist aber nicht wirklich wissenschaftlich belegt, es gibt hier
nur Evidenzen aus dem Alltag: unangenehme Erfahrungen mit einer ermüdenden
Bevormundung durch Männer beziehungsweise Statushöhere. Es gibt aber
Studien, die das herablassende Erklären von Dingen, von denen das Gegenüber
faktisch mehr versteht, mit der Neigung von Männern verknüpfen, sich zu
überschätzen. Männer scheinen im Gespräch weniger besorgt, etwas Falsches
zu behaupten oder Wissen zu beanspruchen, das sie nicht wirklich haben.
Frauen unterschätzen sich andererseits eher. Deshalb bewerben sich Männer
zum Beispiel auch offensiver auf berufliche Positionen, die sie
überfordern könnten.
Dass Menschen, egal welchen Geschlechts, in Gesprächen lieber sprechen und
erklären, als dass sie zuhören, hat viele Gründe. Es ist zum Beispiel
schmeichelhaft, Aufmerksamkeit von Zuhörenden zu bekommen. Bei älteren
Menschen gibt es auch den akustischen Grund, dass man eigene Äußerungen
einfach leichter verstehen kann als fremde und schon deshalb mehr redet.
Aber der [2][feministische Begriff Mansplaining] zielt natürlich
spezifischer auf Dominanz im Geschlechterverhältnis. In der
Konversationsforschung vermutete man hier lange, dass etwa das Unterbrechen
des Gegenübers ein Dominanzindikator wäre, stellte aber fest, dass es so
einfach nicht ist: Männer und Frauen fallen sich etwa gleich häufig ins
Wort.
Die Herablassung gegenüber Gesprächspartner:innen ist eine eindeutigere
Dominanzgeste. Und es zählt vermutlich zu den Gesprächsroutinen, in die
Männer verfallen, weil ihnen bestimmte Sprecherpositionen traditionell
zugestanden und zugemutet wurden. Das [3][Mansplaining kann insofern als
Reminiszenz] an alte Überlegenheitsgefühle und Männern zugesprochene oder
zugeschobene Positionen verstanden werden.
Wer solche Positionen einfach nur beansprucht, wird auf dem
Beziehungsmarkt zunehmend als unangenehmer Zeitgenosse Chancen verlieren.
Wem solcher Kredit aber laufend eingeräumt wird, mag sich zwar gerne reden
hören, versäumt es aber, dazulernen zu können. Andererseits ist dieses
Gesprächsverhalten natürlich kein Privileg von Männern. Auch Frauen
beanspruchen ihrerseits oft Wissensvorsprünge gegenüber Frauen und Männern
in den Feldern, in denen ihnen hohe Kompetenz zugeschrieben wird, etwa in
der Kinderbetreuung, in Beziehungsfragen oder als Statushöhere in ihrem
Beruf.
Von Womensplaining sprechen wir aber aus zwei Gründen nicht: Zum einen,
weil Frauen solche Dominanzgesten unter Umständen derzeit noch seltener
zeigen. Sie sind in der Regel sach- und kooperationsorientierter. Zum
anderen entsprechen ihre Dominanzformen nicht unseren feministischen
Geschlechtsstereotypen. Denn natürlich hat auch der Feminismus seit mehr
als zwei Generationen dazu beigetragen, was wir uns unter Frauen und
Männern vorstellen. Genau diese Stereotypen werden von der gestellten Frage
reproduziert.
Häh? Fragen Sie sich auch manchmal, warum andere Leute so sind? Wir helfen
bei der Antwort. Schicken Sie Ihre Frage an [4][verstaendnis@taz.de].
10 Dec 2023
## LINKS
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DIR [2] /Kolumne-Mithulogie/!5469218
DIR [3] /Ein-Vater-Tochter-Gespraech/!5962122
DIR [4] /verstaendnis@taz.de
## AUTOREN
DIR Sophie Fichtner
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