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       # taz.de -- Kriminalisierung der Klima-Bewegung: Verfolgte Aktivist:innen
       
       > Der „Green Legal Spaces Report“ beklagt eine zunehmende Beschränkung der
       > politischen Teilhaberechte. Aber gibt es ein Recht auf zivilen
       > Ungehorsam?
       
   IMG Bild: Berlin, den 16.11.2023: Eine Klimaaktivistin bemalt das Brandenburger Tor
       
       „Klimaaktivismus wird in Deutschland zunehmend durch staatliche
       Repressionen behindert und delegitimiert“ – das behauptet der [1][„Green
       Legal Spaces Report“], den die Organisation Green Legal Impact (GLI) an
       diesem Freitag veröffentlichte. GLI ist ein Zusammenschluss
       umweltaktivistischer Jurist:innen. Bekanntestes Vorstandsmitglied ist die
       [2][Hamburger Anwältin Roda Verheyen], die den Klima-Beschluss des
       Bundesverfassungsgerichts miterstritten hat.
       
       In einer Fleißarbeit hat GLI auf 52 Seiten die „zunehmenden Repressionen“
       gegen die Klima-Bewegung aufgelistet. Der Report unterscheidet allerdings
       nicht zwischen unterschiedlichen Aktionsformen, also zwischen
       Demonstrationen, Klimacamps, Blockaden und Sachbeschädigungen. Vielmehr
       wird all dies als „Klimaproteste“, als Ausübung „politischer
       Teilhaberechte“ zusammengefasst.
       
       Gegliedert ist der Report nach Art der staatlichen und gesellschaftlichen
       Reaktionen: Einschränkungen des Versammlungsrechts, unverhältnismäßige
       Polizeimaßnahmen, strafrechtliche Verfolgung, Schadenersatzklagen und
       negatives Framing im öffentlichen Diskurs.
       
       ## Der Report blendet etwas Wichtiges aus
       
       Am bekanntesten sind dabei die strafrechtlichen Ermittlungen gegen die
       [3][Letzte Generation wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung] in
       München und Neuruppin sowie die bayerische [4][Präventivhaft gegen
       Letzte-Generations-Aktivist:innen], die damit an angekündigten
       Straßenblockaden gehindert werden sollten.
       
       Der Report blendet aber völlig aus, dass wohl kaum eine Umweltbewegung
       zuvor so massiv auf zivilen Ungehorsam gesetzt hat wie die Letzte
       Generation – und dass viele der beschriebenen staatlichen Maßnahmen genau
       hierauf reagieren.
       
       Wer sich gezielt rechtswidrig verhält, um damit Städte „lahmzulegen“ und
       eine „maximale Störung der öffentlichen Ordnung“ zu erreichen, will gerade
       nicht wie eine klassische Demonstration wahrgenommen und behandelt werden.
       Diese wohl absichtliche analytische Unschärfe zieht sich durch den gesamten
       Report.
       
       Es gibt nun mal kein „politisches Teilhaberecht“ auf zivilen Ungehorsam.
       Deshalb wird es auch nicht eingeschränkt, wenn der Staat gegen Maßnahmen
       des zivilen Ungehorsams vorgeht. Kritisiert werden kann dann nur die Art
       der Reaktion. Ist sie unverhältnismäßig, wie beim Präventivgewahrsam, so
       wird dies zu Recht kritisiert. Aber wenn für das Beschmieren des
       Brandenburger Tors mit Farbe 115.000 Euro Beseitigungskosten verlangt
       werden, dann ist das keine willkürliche Schikane, sondern durchaus
       naheliegend.
       
       ## Strategisches Scheitern der Klimabewegung
       
       In einem Vorwort behauptet [5][Michel Forst, der UN-Berichterstatter für
       den Schutz der Umweltschützer,] dass der Staat nicht gegen die Letzte
       Generation vorgehe, weil ihr Handeln mutmaßlich kriminell sei, sondern weil
       die Organisation so einflussreich geworden sei und weil sie Menschen mit
       ihren Visionen zusammenbringe. Welch romantische Verklärung.
       
       Dagegen sieht es der Report als Beispiel für gefährliches Negativ-Framing,
       wenn Politiker:innen und Medien der Letzten Generation vorwerfen, ihre
       Aktionsformen seien „kontraproduktiv“. Unbequeme Analyse wird damit auf den
       Index gesetzt. Fast könnte man meinen, die Klima-Bewegung beginnt, ihr
       strategisches Scheitern zu realisieren, und versucht nun, den Staat dafür
       verantwortlich zu machen.
       
       1 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.greenlegal.eu/publikationen/gutachten-stellungnahmen/
   DIR [2] /Juristin-ueber-die-Klimakrise/!5817311
   DIR [3] /Rechtsexpertinnen-ueber-Klimaprotest/!5952984
   DIR [4] /Bericht-von-Amnesty-International/!5961355
   DIR [5] https://unece.org/environment/press/worlds-first-special-rapporteur-environmental-defenders-elected-under-aarhus
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Christian Rath
       
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