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       # taz.de -- Ampel, COP23, EU und Dortmund: Nur die Welt noch nicht gerettet
       
       > Die Ergebnisse der Weltklimakonferenz, die Politik der Bundesregierung
       > und CDU-Chef Merz: Die Weltrettung lässt auf sich warten. Aber ein
       > Dortmunder Verteidiger macht Hoffnung.
       
   IMG Bild: Monstergrätsche: Niklas Süle bei seiner Rettungstat gegen Kylian Mbappé
       
       Nein, die Welt wurde auch in dieser Woche nicht gerettet. Aber fast. Der
       finale [1][Ausstieg aus den fossilen Energien] schien erstmals zum Greifen
       nah, als Annalena Baerbock [2][bei der Weltklimakonferenz] zur
       abschließenden Verhandlung im Kongresszentrum von Dubai schritt.
       
       Souverän mondän, mit verspiegelter Sonnenbrille, Airpods,
       Drei-Kamera-Smartphone und entschlossenem Blick wirkte die deutsche
       Abgesandte wie eine zeitgemäße Geheimagentin Ihrer Majestät, die nichts und
       niemand von ihrem edlen Auftrag abbringt, den [3][Untergang der Menschheit]
       kurz vor Ablauf des tödlichen Countdowns gerade noch rechtzeitig zu
       verhindern. Schon gar nicht irgendwelche altmodischen Retro-Scheichs, die
       unbedingt weiter Geld mit Öl und Gas verdienen möchten. Wobei dieser Wunsch
       ja durchaus verständlich ist. Wer würde nicht gern Cristiano Ronaldo in
       seiner bis dato gänzlich unbekannten Loser-Truppe spielen lassen? Und nein,
       da würde auch der taz Panter FC nicht Nein sagen.
       
       Und so kam es, wie es kommen musste. Die Ölsultane zitterten nur kurz. Auch
       Baerbocks coole Miene zum bösen Spiel der Klimakiller konnte am Ende nicht
       mehr überdecken, dass ihre Majestät Olaf heißt. Ein Regent, der global
       nicht allzu viel zu sagen hat und kein übertriebenes Interesse an der
       Klimarettung zeigt. Leider hatte auch der Klimaminister keine Zeit für die
       Klimakonferenz, weil er noch Haushaltslöcher stopfen musste.
       
       Baerbock hat zumindest getan, was sie tun konnte. Die wiederkehrende Kritik
       an den Kosten für ihr äußeres Erscheinungsbild ist bei einer
       Außenministerin reichlich albern. Ein angemessenes Outfit gehört nun mal zu
       ihrem Job. Dieselben KritikerInnen würden jeden kleinsten Makel doch sofort
       noch hämischer kommentieren.
       
       Das Problem ist nicht, dass grüne RepräsentantInnen mehr Geld als
       GeringverdienerInnen zur Verfügung haben. Politisch gefährlich ist
       hingegen, dass sie bei der Rettung ihrer [4][Ampel die Gering- und
       MittelgutverdienerInnen regelmäßig vor die Köpfe stoßen].
       
       Wer im Koalitionsvertrag ein sozial austariertes Klimageld ankündigt, aber
       dann in einer selbst verschuldeten Haushaltskrise die CO₂-Preise erhöht,
       womit Energie noch teurer wird, ohne den versprochenen sozialen Ausgleich,
       muss sich nicht wundern, wenn das von der Opposition ausgeschlachtet wird.
       Hoffentlich hilft das nicht nur Union und AfD. Vielleicht belebt die
       Schwäche der Ampel ja endlich die siechende Linkspartei wieder.
       
       Und ausgerechnet jetzt [5][verlässt auch noch Jürgen Trittin den
       Bundestag], der letzte prominente linke Grüne! Zur Beruhigung für
       möglicherweise melancholisch gestimmte, linksfühlende WählerInnen tat er
       zum Abschied kund, dass die Ampel gar nicht schlimm sei, weil die rot-grüne
       Regierung mit ihm als Minister einst noch viel neoliberaleres Zeug
       beschlossen habe. Nunja. Ein eher schwacher Trost und ein zartbitteres
       Fazit. Auch Trittins Appell zur Kompromissbereitschaft unter Demokraten in
       seiner letzten Rede lässt die Frage offen, wie weit Kompromisse gehen
       können, bis sie zu faul werden?
       
       Noch deutlich länger als Trittin dicht an der Macht im Land war die
       verstorbene Juliane Weber, die legendäre, allwissende Büroleiterin von
       Helmut Kohl. Wer sie nicht mehr kannte und erahnen will, wie es in den 90er
       Jahren zuging, muss nur das neue CDU-Grundsatzprogramm lesen: wenig
       Asylrecht und ganz viel Leitkultur. Laut Friedrich Merz wird die Welt so
       wieder heil. Na, dann. Rette sich, wer kann.
       
       Doch, wer hätte das gedacht, ein Wunder gab’s noch. Kurz vor Wochenschluss
       hat ausgerechnet der angeblich ach so zaghaft stille Olaf Scholz die EU
       gerettet, indem er [6][Victor Orbán zum Kaffeetrinken schickte], damit die
       anderen ohne ihn für die Ukraine stimmen konnten.
       
       Die Rettungstat der Woche bleibt dennoch die Hochbeingrätsche von Borussia
       Dortmunds Niklas Süle gegen Kylian Mbappé, die taz-Sportkollege Johannes
       Kopp liebevoll treffend „Rasenkunstlauf“ nannte. Süle! Rasenkunstlauf! Wenn
       das möglich ist, kann auch die Welt gerettet werden.
       
       17 Dec 2023
       
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