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       # taz.de -- Urteil zur Pannenwahl von 2021: Mini-Neuwahl zum Ferienausklang
       
       > Das Bundesverfassungsgericht lässt die Bundestagswahl in Berlin
       > wiederholen – aber nur in jedem fünften Wahllokal. Die Linkspartei kann
       > aufatmen.
       
   IMG Bild: Berlins Wählerschaft soll noch mal an die Urnen – aber nur in jedem fünften Wahllokal
       
       Berlin taz | Es gibt am 11. Februar nach fast genau einem Jahr noch eine
       Wahlwiederholung – aber bloß eine Minivariante. Das
       Bundesverfassungsgericht hat am Dienstag geurteilt, die Bundestagswahl vom
       26. September 2021 in Berlin in jedem fünftem Wahlbezirk wiederholen zu
       lassen. Das Landesverfassungsgericht hingegen [1][entschied im November
       2022], die parallele Berlin-Wahl wegen der zahlreichen Wahlpannen komplett
       für ungültig zu erklären. Die Neuauflage am 12. Februar hatte zum
       Regierungswechsel und zum schwarz-roten Senat geführt. Die Linke konnte
       nach dem jetzigen Urteil aufatmen: Durch die Minivariante ist ihr Verbleib
       im Bundestag nicht gefährdet.
       
       Um 10 Uhr hatte sich der Zweite Senat des höchstes deutschen Gerichts in
       Karlsruhe vor Verfahrensbeteiligten und Presse positioniert und ein Urteil
       verkündet, das sich im Kern am Beschluss des Bundestags orientiert. Dort
       hatte sich der Wahlprüfungsausschuss, dann das gesamte Parlament darauf
       festgelegt, die Wahl [2][nur in 431 der über 2.200 Berliner Wahllokale] neu
       anzusetzen. Das Gericht erhöhte diese Zahl minimal auf 455. Beide
       ignorierten damit [3][die Empfehlung des Bundeswahlleiters]. Der hatte
       gefordert, in 6 der 12 Wahlkreise erneut zu wählen.
       
       Bei der Linkspartei dürfte bundesweit kurz nach 10 Uhr ein erleichtertes
       „Puh“ der meistgehörte Laut gewesen sein. Bei einer berlinweiten Nachwahl
       wäre auch der Wahlkreis in Lichtenberg zu verteidigen gewesen. Wegen
       Umfragetiefs und Abspaltung der Gruppe BSW, des Bündnisses um die frühere
       Partei-Ikone Sahra Wagenknecht, wäre nicht sicher gewesen, dass ihre
       dortige langjährige Bundestagsabgeordnete [4][Gesine Lötzsch den Wahlkreis
       erneut] gewinnt. Dann aber hätte die Partei nicht mehr über jene 3
       Direktmandate verfügt, die ihr dank einer Sonderregel seit 2021 den
       Verbleib im Bundestag sichern. Bei den Zweitstimmen war sie an der
       Fünfprozenthürde gescheitert. Die Mehrheit der Ampelkoalition war indes
       auch bei einer Komplettwiederholung nicht in Gefahr.
       
       ## Pankow ist meistbetroffen
       
       Jenseits bundespolitischer Konsequenzen stehen am neuen Wahltermin am 11.
       Februar, dem letzten Tag der Winterferien, zwei Wahlkreisentscheidungen im
       Mittelpunkt, in Pankow und in Charlottenburg: Dort ballt sich eine Vielzahl
       der 455 Wahllokale, in denen erneut gewählt wird, in Pankow werden sogar
       fast alle Wahlberechtigten erneut an die Urnen gerufen. Dort siegte 2021
       der Grüne Stefan Gelbhaar vor dem SPD-Mann Klaus Mindrup. Wegen der
       Talfahrt der SPD seit jener Wahl deutet wenig darauf hin, dass Gelbhaar den
       Wahlkreis verlieren könnte.
       
       Anders sieht die Lage in Charlottenburg-Wilmersdorf aus: Ex-Senatschef
       Michael Müller von der in Umfragen arg schwächelnden SPD lag 2021 [5][nur
       knapp dreieinhalb Prozentpunkte vor der Grünen Lisa Paus]. Die war damals
       noch eine mäßig bekannte Finanzpolitikerin, ist inzwischen aber als
       Bundesfamilienministerin vor allem mit der Kindergrundsicherung regelmäßig
       Schlagzeilen. Müller würde aber auch bei einer Niederlage über die
       Landesliste der SPD im Bundestag bleiben können.
       
       Die jeweiligen Ergebnisse können sich immerhin auf weitere Abgeordnete
       auswirken. Von Bedeutung ist zudem die erwartete niedrigere
       Wahlbeteiligung: Sinkt die Zahl der Stimmen deutlich, könnte Berlin –
       unabhängig von der Parteifarbe – Sitze verlieren. Davon könnten
       möglicherweise auch die neue Grünen-Landesvorsitzende Nina Stahr und
       Berlins CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein betroffen sein
       
       Für Landeswahlleiter Stephan Bröchler besteht die Herausforderung vor allem
       darin, dass sich die betroffenen 455 Wahllokale so ungleich über die Stadt
       verteilen und die Wiederholung laut Gesetz binnen 60 Tagen zu stemmen ist.
       Regierungschef Kai Wegner (CDU) sagte dazu nach der Senatssitzung: „Ich
       habe großes Vertrauen in den Wahlleiter – es ist ja nicht so, dass er erst
       jetzt mit der Vorbereitung beginnt.“
       
       19 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Wahlwiederholung-am-12-Februar-2023/!5892299
   DIR [2] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw45-de-wahlwiederholung-919784
   DIR [3] https://www.bundeswahlleiterin.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2021/54_21_einspruch_berlin.html
   DIR [4] https://www.wahlen-berlin.de/wahlen/BE2023/AFSPRAES/agh/ergebnisse_bezirk_11.html
   DIR [5] https://www.wahlen-berlin.de/wahlen/BU2021/AFSPRAES/ergebnisse_wahlkreis_80.html
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Stefan Alberti
       
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