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       # taz.de -- Barrieren im Studium: Hohe Belastung, wenig Beratung
       
       > Vor allem psychische Erkrankungen nehmen unter Studierenden zu, zeigt
       > eine neue Studie. Die Hochschulen sind darauf schlecht vorbereitet.
       
   IMG Bild: Corona hat deutliche Spuren bei den Studierenden hinterlassen, wie bei dieser BWL-Vorlesung von 2021
       
       Berlin taz | Studierende mit psychischen oder körperlichen
       Beeinträchtigungen leiden unter vielfältigen Barrieren im Studium. Das
       zeigt ein [1][Bericht], den das Deutsche Zentrum für Hochschul- und
       Wissenschaftsforschung (DZHW) gemeinsam mit dem Deutschen Studierendenwerk
       (DSW) am Montag in Berlin vorgestellt hat.
       
       Allen voran die [2][hohe Arbeitsbelastung mache vielen Studierenden] mit
       Einschränkungen zu schaffen, sagte die wissenschaftliche Geschäftsführerin
       des DZHW, Monika Jungbauer-Gans: „Drei Viertel der Befragten haben Probleme
       mit dem Leistungspensum in ihrem Studium, mehr als die Hälfte auch bei den
       Selbstlernphasen oder der Prüfungsdichte“, so Jungbauer-Gans. Aus diesem
       Grund würden die Betroffenen häufiger ihr Studium unterbrechen als
       Studierende ohne Einschränkung, auch dächten sie häufiger über einen
       Abbruch ihres Studiums nach.
       
       Für den mittlerweile dritten Bericht „Studieren mit einer gesundheitlichen
       Beeinträchtigung“, kurz „best3“, wurden im Jahr 2021 rund 188.000
       Studierende befragt. Etwa 30.000 gaben Beeinträchtigungen an. Zuvor wurde
       die Befragung, die aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und
       Forschung (BMBF) finanziert wird, in den Jahren 2011 und 2016 durchgeführt.
       Auffällig ist, dass der Anteil von Studierenden mit studienerschwerenden
       Beeinträchtigungen von zunächst 8 Prozent (2011) erst auf 11 (2016) und nun
       auf 16 Prozent in die Höhe geschnellt ist.
       
       Der Anstieg sei vor allem auf die [3][Zunahme psychischer Erkrankungen und
       Belastungen] zurückzuführen, sagte der DSW-Vorsitzende Matthias Anbuhl.
       „Vier Pandemiesemester, drei davon reine Lockdownsemester mit sozialer
       Isolation, haben bei einem Teil der Studierenden deutliche Spuren
       hinterlassen“, so Anbuhl. Dies meldeten auch die psychosozialen
       Beratungsstellen. Studierende kämen heute deutlich häufiger als früher mit
       Ängsten, Zweifeln, depressiven Verstimmungen oder Suizidgedanken zu ihnen.
       Die Wartezeiten für Beratung hätten sich „vervielfacht“. Anbuhl forderte
       Bund und Länder auf, dringend die psychosoziale wie auch die
       Inklusionsberatung an Hochschulen und Studierendenwerken auszubauen.
       
       ## Zu wenig Beratung, viele Barrieren
       
       Das lückenhafte Beratungsangebot ist eine der vielen Barrieren, die
       Studierende mit Beeinträchtigungen laut der Studie hinnehmen müssen. So
       gehörten beispielsweise bauliche oder sprachliche Hürden nach wie vor zum
       Studienalltag, so Mareike Beuße, die Projektleiterin der Befragung. Dazu
       passe, dass drei von vier Befragten über Diskriminierungserfahrungen an der
       Hochschule berichten.
       
       Am häufigsten gaben hier die Befragten an, dass ihre Leistungsfähigkeit in
       Frage gestellt oder erbrachte Leistungen schlechter bewertet worden seien.
       Dass nur jeder Fünfte einen Antrag auf einen Nachteilsausgleich stellt,
       überrascht Beuße dabei nicht. „Nur ein Drittel der Studierenden glauben,
       dass die Lehrenden hier Verständnis zeigen.“ Die Hochschulen könnten auf
       diese Situation schnell reagieren, indem sie ihr Lehrpersonal entsprechend
       sensibilisieren, so Beuße.
       
       Auch das Deutsche Studierendenwerk mahnt stärkere Anstrengungen vonseiten
       der Hochschulen an. So hätte sich nur eine „zweistellige Zahl“ von
       Hochschulen einen Aktionsplan zur Umsetzung der
       [4][UN-Behindertenrechtskonvention] gegeben. Laut einer Liste der
       Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung sind es exakt 26
       Hochschulen mit solchen Aktionsplänen. Angesichts von rund 400 Hochschulen
       bundesweit sieht DSW-Vorsitzender Anbuhl viel „Luft nach oben“.
       
       Mit Blick auf die besonders schwierige finanzielle Situation von
       beeinträchtigten Studierenden forderte Anbuhl die Bundesregierung auf, die
       lange versprochenen Strukturreformen beim Bafög anzugehen. So würden
       Studierende mit Beeinträchtigungen besonders davon profitieren, wenn der
       Fachwechsel vereinfacht und Bafög auch über die Regelstudienzeit hinaus
       bezahlt würde. Wegen der vielen Barrieren an Hochschulen studieren viele
       von ihnen de facto nur in Teilzeit.
       
       5 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://www.dzhw.eu/pdf/ab_20/beeintraechtigt_studieren_2021.pdf
   DIR [2] /Arbeitsbelastung-von-Lehrerinnen/!5951148
   DIR [3] /Mehrarbeit-in-Berlin/!5967179
   DIR [4] /ExpertInnen-ueber-Inklusion/!5952698
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Ralf Pauli
       
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