URI: 
       # taz.de -- Vor dem Mercosur-Gipfel: Vorerst kein Freihandel mit der EU
       
       > Der Vertrag zwischen dem Wirtschaftsraum in Europa und Südamerika ist
       > zunächst gescheitert. Doch ein anstehender Amtswechsel könnte die Lage
       > ändern.
       
   IMG Bild: Das geplante Freihandelsabkommen EU-Mercosur ist auch in der Zivilgesellschaft umstritten
       
       Brüssel/Buenos Aires taz | Wenn sich die vier Präsidenten der
       Mercosur-Mitgliedstaaten am Donnerstag in Rio de Janeiro zu ihrem
       halbjährlichen Gipfel treffen, steht eines bereits fest: Sie werden das
       [1][Freihandelsabkommen zwischen der südamerikanischen
       Wirtschaftsgemeinschaft und der Europäischen Union] nicht billigen. „Es ist
       ein schlechtes Abkommen, das negative Folgen für die Industrie und die
       Agrarexporte haben könnte“, erklärte Argentiniens Außenminister Santiago
       Cafiero am Montag.
       
       Auch wenn Cafiero nur noch bis Sonntag im Amt ist, hält die scheidende
       argentinische Regierung an ihrer Ablehnung fest. „Wir haben immer für eine
       Wiederaufnahme der Verhandlungen plädiert, weil die derzeitige Version
       nicht beiden Blöcken zugutekommt, sondern die Asymmetrien zementiert und
       die bestehenden produktiven, finanziellen und technologischen Unterschiede
       verstärkt“, sagte der noch amtierende Minister.
       
       Wenige Tage zuvor hatte sich die künftige argentinische Außenministerin
       noch voller Optimismus gezeigt. „Es bestehen gute Chancen, dass das
       Freihandelsabkommen zwischen dem Mercosur und der Europäischen Union am 7.
       Dezember unterzeichnet wird“, sagte Diana Mondino da. Sie prophezeite gar,
       dass „Alberto Fernández seine Amtszeit mit diesem Ergebnis beenden wird“.
       Fernández' Amtszeit als Präsident endet am kommenden Sonntag, [2][wenn
       Javier Milei als sein Nachfolger vereidigt] wird. Milei hatte Mercosur im
       Wahlkampf attackiert, gilt aber auch als marktradikaler und Befürworter von
       Freihandel.
       
       Brasilien, Uruguay und Paraguay tendieren zur Annahme des Abkommens. Wenn
       sich Argentiniens Position nach dem Regierungswechsel tatsächlich ändert,
       könnte auch Paraguays Präsident Santiago Peña sein Ultimatum zurückziehen.
       Für den Fall, dass das Abkommen bis Dezember nicht unter Dach und Fach ist,
       hatte er [3][Ende September mit dem Abbruch der Verhandlungen gedroht].
       Paraguay übernimmt am Donnerstag die Präsidentschaft des Mercosur.
       
       ## Lula will weiter kämpfen
       
       Das alles weiß auch Luiz Inácio Lula da Silva. Einige Äußerungen des
       brasilianischen Präsidenten bei seinem Berlin-Besuch am Montag zielten denn
       auch in Richtung EU. So sei jetzt ein „entscheidender Moment der
       Verhandlungen“ bei dem Mercosur-Gipfel am Donnerstag in Rio de Janeiro und
       er werde sich für einen zügigen Abschluss des Handelsabkommens einsetzen.
       Er habe Bundeskanzler Olaf Scholz gesagt, dass er hoffe, „dass die EU
       entscheiden wird, ob sie an dem Abkommen interessiert ist“.
       
       Die EU will die Verhandlungen fortführen, sagte ein Sprecher der
       EU-Kommission am Dienstag in Brüssel. Berichte über den vorzeitigen Abbruch
       der Gespräche seien falsch. Mehrere deutsche Medien schrieben, dass
       EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis seine Reise zum Mercosur-Gipfel
       abgesagt habe. „Dombrovskis war und ist bereit, die Reise anzutreten und
       das Abkommen zu unterzeichnen“, erklärte der Kommissionssprecher. Der
       geplante Flug zum Gipfel am Donnerstag aber gilt tatsächlich als
       aufgeschoben. Man stehe in Kontakt mit allen vier Mercosur-Staaten, sagte
       der Sprecher – also auch mit dem offenbar unwilligen Argentinien.
       
       In Brüssel kommt hingegen nicht gut an, dass Vizekanzler Robert Habeck am
       Montag in Berlin einen bilateralen Deal zwischen Deutschland und Brasilien
       ins Gespräch gebracht hat. Die Handelspolitik liege einzig und allein in
       den Händen der EU-Kommission, betonte der Sprecher am Dienstag. Man habe in
       den Verhandlungen mit Mercosur „substanzielle Fortschritte“ gemacht und
       lasse sich von niemandem hereinreden.
       
       ## „Altmodischer Zollabbau“-Pakt
       
       Der Machtkampf geht nicht nur zwischen Berlin und Brüssel weiter, sondern
       auch zwischen Berlin und Paris. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
       kritisierte nach einem Treffen mit Lula [4][bei der Weltklimakonferenz in
       Dubai], dass die Umweltstandards des Deals unzureichend seien. „Das
       Abkommen wurde vor 20 Jahren ausgehandelt, und wir haben versucht, es zu
       flicken“, sagte Macron. „Am Anfang und am Ende wurden ein paar Sätze
       eingefügt, um Frankreich zufriedenzustellen.“ Im Kern aber sei es ein
       „altmodischer Zollabbau“-Pakt, bekräftigte er seine Ablehnung.
       
       Widerstand kommt auch aus Irland. Wegen der Abholzung des Regenwalds und
       der Brände am Amazonas hat Dublin schon mehrfach mit einem Veto gedroht.
       Umgekehrt wehrt sich Brasilien gegen allzu harte Umweltauflagen. Das sei
       nichts anderes als „Neokolonialismus“, heißt es in Brasilia.
       
       Weiterer Einspruch könnte aus einem ganz anderen Land kommen. Bolivien wird
       auf dem Gipfeltreffen als fünftes Vollmitglied in die südamerikanische
       Wirtschaftsgemeinschaft aufgenommen werden. Zwar sind die
       Beitrittsverhandlungen schon lange abgeschlossen, aber die Ratifizierung
       durch die Parlamente der Mitgliedsländer stand noch aus. Die EU-Kommission
       hat die Hoffnung auf einen Deal offenbar dennoch noch nicht aufgegeben.
       
       5 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] /Lula-Besuch-in-Berlin/!5974030
   DIR [2] /Praesidentschaftswahlen-in-Argentinien/!5974516
   DIR [3] /EU-Abkommen-mit-Mercosur-Laendern/!5959841
   DIR [4] /Weltklimakonferenz-in-Dubai/!5972589
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Jürgen Vogt
   DIR Eric Bonse
       
       ## TAGS
       
   DIR Mercosur
   DIR Freihandel
   DIR Luiz Inácio Lula da Silva
   DIR Mercosur
   DIR Mercosur
   DIR Argentinien
   DIR Plastik
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
   DIR Mercosur-Abkommen kurz vor dem Aus: Erneutes Scheitern als Chance
       
       Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten ist immer
       noch nicht unterschrieben worden. Streit gibt es über Umweltschutzauflagen.
       
   DIR EU-Handelsabkommen mit Südamerika: Noch eine Hürde für Mercosur-Pakt
       
       Kurz vor dem Abschluss des Abkommens zwischen EU und Mercosur fordert der
       Grünen-Parteitag Nachbesserungen. Die Umsetzung wird nicht leicht.
       
   DIR Wahlsieger in Argentinien: Milei hält sich an den Westen
       
       Der neue Präsident Javier Milei will mit den Brics-Staaten nichts zu tun
       haben. Der Rechtspopulist stellt sich an die Seite Israels und der USA.
       
   DIR Neue Studien zu Plastik: Mehr Müll durch Freihandel
       
       Das Mercosur-Abkommen öffnet Märkte für schmutzigen Kunststoff, zeigt eine
       Greenpeace-Studie. Laut WWF ist klar, auf wen die Kosten abgewälzt werden.