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       # taz.de -- US-israelische Beziehungen: Warnungen an den Verbündeten
       
       > Die US-Regierung appelliert seit Wochen an Israel, die Zivilist:innen
       > in Gaza zu schützen. Waffenlieferungen aus den USA gehen jedoch weiter.
       
   IMG Bild: Amnesty-Protest vor dem Weißen Haus im November
       
       Ohne die jahrzehntelange militärische und finanzielle Unterstützung durch
       die USA wäre Israel nicht die Militärmacht, die es heute ist. Über all die
       Jahre war diese Hilfe des wichtigsten Alliierten im Nahen und Mittleren
       Osten in den USA auch überparteilich vollkommen unstrittig – selbst wenn
       sich etwa Präsident Barack Obama mit dem schon damaligen israelischen
       Premier Benjamin Netanjahu überhaupt nicht verstand und sie politisch, etwa
       im Fall des von Obama ausgehandelten Atomdeals mit dem Iran, komplett über
       Kreuz lagen.
       
       So tiefe Risse wie jetzt aber, seit dem israelischen Gegenschlag auf den
       Gazastreifen nach dem Hamas-Massaker am 7. Oktober, hat es in der jüngeren
       US-israelischen Geschichte noch nie gegeben. Präsident Joe Biden, seine
       Vizepräsidentin Kamala Harris, Verteidigungsminister Lloyd Austin und immer
       wieder auch Außenminister Antony Blinken haben Israel eindringlich
       aufgefordert, mehr für den Schutz von Zivilist*innen im Gazastreifen zu
       unternehmen – bislang vergebens.
       
       Verteidigungsminister Austin sagte am vergangenen Samstag beim Reagan
       National Defense Forum, die USA hätten in Irak und Afghanistan schmerzhaft
       erfahren müssen, dass es nicht nur eine moralische und rechtliche Auflage
       sei, beim Krieg in Städten Zivilist*innen zu schonen – sondern auch die
       einzige Möglichkeit, einen solchen Krieg zu gewinnen. Wenn Israel nicht
       alles für den Schutz der Zivilist*innen unternehme, treibe es „die
       Palästinenser*innen in die Arme des Feindes und verwandle einen
       taktischen Sieg in eine strategische Niederlage,“ warnte Austin.
       
       Präsident Biden hatte schon zu Beginn der israelischen Angriffe auf Gaza
       gewarnt, Israel möge in seiner Wut und in seiner Verletzung nach den Morden
       der Hamas nicht die gleichen Fehler begehen wie die USA nach den Anschlägen
       des 11. September. Mit klaren Worten hatte er die israelische
       Militärführung aufgefordert, die Regeln des humanitären Völkerrechts zu
       achten – Formulierungen, die auch Außenminister Blinken, wochenlang in
       Pendeldiplomatie zwischen Israel und den arabischen Nachbarstaaten
       unterwegs, immer wieder gebraucht hatte.
       
       ## Viel Mahnung, mehr Waffen
       
       Vizepräsidentin Kamala Harris traf sich am Rande der UN-Klimakonferenz in
       Dubai mit mehreren arabischen Staats- und Regierungschefs. Sie erklärte
       unmissverständlich, die USA würden unter keinen Umständen die
       Zwangsumsiedlungen von Palästinensern aus Gaza oder dem Westjordanland
       dulden, die Besetzung von Gaza oder die Veränderung seiner Grenzen.
       
       Damit reagierte Harris auf Andeutungen aus der israelischen Regierung über
       eine zu schaffende Pufferzone zwischen Israel und Gaza und Äußerungen
       einiger Politiker der israelischen Rechtskoalition über eine mögliche
       Vertreibung der Palästinenser Richtung Ägypten.
       
       Den Schritt allerdings, aufgrund all der Kritik tatsächlich mit der
       Einstellung der Waffenhilfe zu drohen und so ernsthaften Druck auf Israel
       auszuüben, hat die US-Regierung bislang nicht unternommen. Die
       Waffenlieferungen haben im Gegenteil seit dem 7. Oktober massiv zugenommen.
       
       Das führt zu Auseinandersetzungen auch innerhalb des
       US-Regierungsapparates. Mehrere offene Briefe und Dissensbekundungen sind
       sowohl aus dem Außenministerium als auch aus der staatlichen
       Entwicklungsorganisation USAID herausgedrungen, die eine Umkehr der Politik
       fordern. Schon Mitte Oktober kündigte Josh Paul, hochrangiger Mitarbeiter
       im State Department, seinen Job – er könne diese Israelpolitik nicht mehr
       mittragen, gab er bekannt.
       
       ## Biden muss Spagat üben
       
       In einem [1][Interview] mit der Außenpolitik-Chefin von CNN, Christiane
       Amanpour, begründete Paul kürzlich erneut seinen Schritt: In Gaza seien in
       nur zwei Monaten mehr Kinder getötet worden als in zwei Jahren russischen
       Einmarschs in die Ukraine, 50 Journalist*innen und mehr als 100
       UN-Mitarbeiter – das sei alles beispiellos und verlange eine Umkehr.
       
       Hinter den Kulissen versucht die US-Regierung, Szenarien auszuarbeiten, wie
       nach einem Ende der militärischen Auseinandersetzungen eine politisch
       tragfähige Lösung aussehen könnte – mit mäßigem Erfolg. Die israelische
       Regierung will weder von einem Engagement der UNO, der sie grundsätzlich
       misstraut, noch von einer Verantwortungsübernahme der Palästinensischen
       Autonomiebehörde in Gaza etwas wissen.
       
       Innenpolitisch steht für die Biden-Regierung viel auf dem Spiel. Will Biden
       2024 erneut gewählt werden, muss er das Bündnis mit den jungen Progressiven
       aufrechterhalten – und die gehen derzeit eher für die Rechte der
       Palästinenser*innen auf die Straße, als für eine Unterstützung der
       rechten Netanjahu-Regierung.
       
       5 Dec 2023
       
       ## LINKS
       
   DIR [1] https://twitter.com/amanpour/status/1731745533474074663
       
       ## AUTOREN
       
   DIR Bernd Pickert
       
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